Von Peter Hossli
Der Verlierer der republikanischen Vorwahlen am Super Tuesday heisst: Joe Biden (81). Dabei stand der Präsident bei den Republikanern gar nicht zur Wahl.
Und trotzdem hat er verloren. Zum Beispiel in der texanischen Stadt Eagle Pass an der mexikanisch-amerikanischen Grenze. Hier haben die Demokraten seit Jahrzehnten die Mehrheit. Vor vier Jahren holte Biden noch deutlich mehr Stimmen als Donald Trump (77).
Doch an diesem Super Tuesday hat sich etwas verändert. Mehr Menschen haben sich an den republikanischen Vorwahlen beteiligt, weil sie im Herbst Trump statt Biden wählen wollen. Auch viele Demokraten haben genug von der illegalen Einwanderung. Sie sehen ein Chaos an der Grenze und geben Biden die Schuld. Sie glauben, dass Trump das Problem in den Griff bekommt.
Eagle Pass ist nicht der einzige Ort, an dem Demokraten am Super Tuesday zu Republikanern übergelaufen sind. Und die Einwanderung ist nicht das einzige Thema. Linke Demokraten wenden sich von Biden wegen seiner Nahostpolitik ab. Schwarze, Hispanics, Frauen wechseln zu Trump, weil sie glauben, er bringe wirtschaftlichen Aufschwung.
Eher eine Fussnote ist da der Ausgang der republikanischen Vorwahlen am Super Tuesday. Trump hat seine letzte republikanische Konkurrentin Nikki Haley (52) deutlich geschlagen.
Was zu erwarten war. Für Haley ist es «game over».
Spannender ist, was zwischen den Zeilen der Ergebnisse steht. Warum Trump dominiert, und warum sich viele von Biden abwenden.
Einmal mehr beweist Trump einen unvergleichlichen politischen Instinkt. Der raubeinige New Yorker erkennt, was die Menschen bewegt. Und das ist die Immigration.
Zwar kommen nicht mehr illegal über die Grenze als während seiner Amtszeit. Die Gefahr ist nicht grösser geworden. Es gibt keine Invasion, aber die Menschen sind verunsichert. Ihre Ängste sind real.
Trump sieht das, und er redet darüber. Die Demokraten hingegen nehmen die Stimmen ihrer Wähler für selbstverständlich.
Die Situation erinnert an 2016, als Trump gegen Hillary Clinton (76) antrat. Die Demokraten an der Ost- und Westküste erkannten damals nicht, dass die Menschen abseits von New York oder Los Angeles nicht nur anders denken, sondern auch weniger am wirtschaftlichen Aufschwung teilhaben als die in den urbanen Zentren.
Schlimmer noch: Clinton beschimpfte sie als «deplorables», als die Bedauernswerten. Trump sprach zu und mit ihnen – und wurde Präsident.
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der illegalen Einwanderung. Trump spricht darüber, Biden schweigt. «Das Momentum liegt bei den Republikanern», sagt ausgerechnet die Vorsitzende der Demokraten in Eagle Pass, Juanita Martinez (67). Sie traf Joe Biden letzten Oktober in Philadelphia, hielt seine Hand und sagte ihm, er müsse sich um die Grenze kümmern. «Er hat nur zugehört und nichts gesagt», erzählt Martinez. Monatelang habe er das Thema vor sich hergeschoben.
Anders die Republikaner. Fast jede Woche pilgert ein Gouverneur, ein Senator oder ein Abgeordneter nach Texas an die Grenze, gibt eine Pressekonferenz und spricht zu Wählern. «Die Strategie der Republikaner funktioniert», sagt Jerry Morales, ein Demokrat aus Eagle Pass.
Es klingt wie ein Hilferuf ins Weisse Haus: Redet endlich über das, was die Menschen bewegt.
Tun die Demokraten das weiterhin nicht, lautet das Fazit nach diesem Super Tuesday, müssen sie sich wohl auf einen Präsidenten namens Trump einstellen.