Von Peter Hossli
Die frohe Kunde aus dem Thurgau kam letzten Montag. Der Kanton zahlt Renata Nydegger 18000 Franken – für ein Sparbüchlein, das ihm abhanden kam.
Erstmals überhaupt erhält somit ein einstiges Verdingkind seinen Sparbatzen zurück. Wohl ein Präzedenzfall. Tausende Verdingkinder finden in Akten Hinweise auf Konten, die verschollen sind.
Den Fall von Renata Nydegger (73) machte der SonntagsBlick letzten September publik. Er rechnete die Zinseszinsen ihrer Ersparnisse aus. Von 3525 Franken wäre ihr Geld auf 17380 Franken angewachsen. Der Kanton übernahm die Rechnung und rundete auf.
Nydegger kam 1941 als uneheliches Kind zur Welt, erhielt einen Vormund und schuftete bei Pflegefamilien. Ihr leiblicher Vater zahlte für sie jeden Monat 40 Franken auf ein Konto der Thurgauer Kantonalbank. Jetzt konnte sie nachweisen, dass ihre Mutter das Sparheft 1953 bei einem Notar hinterlegt hatte.
Der Fall macht Schlagzeilen. Und er ermutigt andere, sagt Nydegger. Bei ihr melden sich viele Verdingkinder, die ihr Konto suchen und von den Behörden Absagen erhalten. «Sie erzählen mir, sie hätten aufgegeben – und fassten jetzt neuen Mut», sagt Nydegger. «Ich rate allen: Kämpft weiter und bietet den Behörden die Stirn!» Sie suchte in den Archiven, bis sie alle Beweise hatte. «Mir ist von vielen geholfen worden, jetzt will ich anderen helfen, ihr Konto zu finden.»
Als «spätes Erbe meines Vaters» bezeichnet sie das Geld. Nun suche sie noch ein Foto von ihm. «Von meiner Mutter weiss ich, dass er gross und hübsch war.» Am Montag geht sie zur Bank, um zu schauen ob das Geld wirklich eingetroffen ist.