Kaltstellen, damit er geht

Juristisch ist Geri Müller unangreifbar. Nun soll er VR-Mandate verlieren, nicht mehr an Anlässe eingeladen – und geächtet werden.

Von Peter Hossli

muellerGeri Müller lacht. Seit Freitag ist er wieder wer. Gut gelaunt tritt er vor die Medien. Der Badener Stadtammann erhält zwei seiner drei Ressorts zurück, entschied der Stadtrat.

Nicht, weil ihm die anderen Stadträte die Sache mit den Nacktfotos verziehen hätten. Sondern weil sie nicht anders können.

Müller (54) ist bis 2017 gewählt. Er tritt nicht zurück. Zudem kennt Baden kein juristisches Verfahren, um den Stadtammann aus seinem Amt zu kippen.

Und doch versuchen Bürgerliche, linke Frauen und das Badener Gewerbe genau das weiterhin. Sie wetzen im Hintergrund die Messer, trotz öffentlicher Einigung.

Ihre Strategie: Müller ins Abseits zu drängen. Dort, wo es jedem Politiker wehtut: bei den öffentlichen Auftritten. «Das Volk muss merken, Müller ist nirgends mehr willkommen», sagt ein einflussreicher Badener Politiker.

Mit juristischen Mitteln sei er nicht zu bremsen, deshalb werde der Grüne Nationalrat künftig geächtet. «So drehen sie ihm langsam die Luft ab.»

Nicht mehr führen darf Müller das «stark nach aussen orientierte» Dossier Standortmarketing, erklärt der Stadtrat. Aus eben diesem Grund – damit Müller nicht mehr nach aussen wirkt.

Zu gross sei der Schaden für das Image der kleinen Stadt. Ein Badener Gewerbler klagt, er werde auf Geschäftsreisen ständig «auf euren peinlichen Stadtätti» angesprochen.

Weil peinlich sei, was Müller tat, er kein Vorbild mehr sei, wählten ihn 26 Gemeindeammänner des Bezirks Baden als Präsidenten ihrer Vereinigung ab – «mit deutlicher Mehrheit», sagt ihr neuer Präsident, Mellingens Gemeindeammann Bruno Gretener (FDP). Es gab zwar ein paar wenige Enthaltungen – aber Müller erhielt keine einzige Stimme. «Unsere Mitglieder fühlten sich nicht mehr von ihm vertreten», sagt Gretener. «Seine Geschichte darf unseren Ruf nicht weiter bekleckern.»

Mit Pauken und Trompeten eröffnet Baden Mitte November ein neues Kultur- und Kongresszentrum. Nicht eingeladen in die ehemaligen BBC-Hallen ist Stadtammann Müller, die anderen Stadträte feiern mit.

In denselben Hallen hält das Badener und Wettinger Gewerbe im Frühling 2015 die Messe Comexpo ab. Müller war als Hauptredner vorgesehen. Comexpo-Präsident Michael Wicki (50) lud ihn letzte Woche brieflich aus.

Weil Geri Müller für das Badener Gewerbe «nicht mehr haltbar» sei, sagt Wicki, der dem Gewerbeverband «CityCom» als Sekretär dient. «Er hat das Vertrauen verspielt.»

Eine harte Aussage in einer Stadt, in der das Gewerbe traditionell mitbestimmt.

Als «lahme Ente» bezeichnet er ihn, als Politiker mit Amt, aber ohne Einfluss und Würden. «Gerade jetzt brauchen wir jemanden, der Baden kraftvoll führt.» Mitten in der Stadt gibt es bald eine Grossbaustelle. «Der Stadtammmann muss sich gegen die Region und den Kanton durchsetzen, da ist Müller die falsche Person.»

Es sei ein «Horrorszenario, wenn das drei Jahre so weitergeht», sagt Wicki, der für die CVP einst im Einwohnerrat sass. «Jeder normale Politiker taucht nach einer solchen Geschichte einfach weg.»

Gefährdet sind die Verwaltungsratsmandate Müllers, etwa in der Stadtcasino Baden AG. «Kein Kommentar», sagt VR-Präsident Peter Blöchlinger auf die Frage, ob Müller bleiben dürfe. Den Rücken des Stadtammann stärkt er damit nicht.

VR-Mitglied Kurt Aeschbacher bestätigt, was in Baden zu hören ist: Es laufen im Verwaltungsrat Diskussionen über den Verbleib Müllers beim Casino.

Zwei Drittel der Badener seien gegen Müller, sagt ein Kenner der Stadt. «Vor allem linke Frauen haben sich abgewendet – ohne sie hat er politisch keine Chance auf eine Wiederwahl.»

Doch selbst linke Männer distanzieren sich, etwa der ehemalige SP-Nationalrat Hans Zbinden (69). Dass Geri Müller «keine Distanz zu sich selber zeigt», dass er an seinen Ämtern klebe, «halte ich persönlich und politisch für eine unerträgliche Zumutung gegenüber der Gemeinschaft und dem Gemeinsinn der Stadt Baden – ihrer Res publica mit ihrer ganzen Geschichte, Kultur und Tradition. Punkt!» Das sage er nicht nur dieser Zeitung, sondern «gegenüber der ganzen interessierten öffentlichen Badener Gemeinschaft».

Scham und Schuld würden uns zwingen, uns im Sinne des Gemeinwohls zu verhalten, sagt Zbinden. «Geri Müller hat sich vom Scham- und Schuldempfinden verabschiedet.»

Weder Müller noch sein Anwalt wollten gegenüber SonntagsBlick Stellung nehmen.