Der Präsident ohne Leidenschaft

Ein Kommentar zum Parteitag der Demokraten in Charlotte, North Carolina.

Von Peter Hossli

Die wirkungsvollsten US-Präsidenten haben eines gemein: echte Leidenschaft für ein grosses Projekt. Vehement versuchte Ronald Reagan, den Kommunismus auszumerzen. Was gelang. Bill Clinton wollte das Defizit mindern, um die Mittelklasse zu stärken. Was gelang. George W. Bush hatte vor, Reichen die Steuern zu kürzen. Was gelang.

Barack Obama mangelt es an Leidenschaft. Nach dem Parteitag der Demokraten bleibt weiter unklar, was bei ihm das Feuer entfacht, ihn antreibt, sein Projekt ist. Er gibt vor, alle Probleme der Welt lösen zu wollen. Was nie gelingen kann.

Ein Projekt hatte Obama. Ein epochales. Als erster Schwarzer zog er im Weissen Haus ein. In einem Land, wo vor sechzig Jahren Schwarze und Weisse noch getrennt waren. Dessen Reichtum auf Sklaverei fusst. Diese Geschichte aber ist erzählt. Eine zweite, die begeistern würde, hat er nicht.

Obama ist kein Sozialist, wie seine Gegner behaupten. Er ist Amerikaner durch und durch. Darf stolz sein auf Erreichtes. Osama bin Ladens Tod. Die Krankenkasse. Den Rückzug aus Irak. Gleichwohl überwiegen die Kompromisse. US-Präsidenten werden nicht an Kompromissen gemessen, sondern an begeisternden Siegen.

Begeistert hat in Charlotte nicht Obama, sondern Bill Clinton. Der Ex-Präsident wirkte frischer, leidenschaftlicher. Obama schien müde. Als wolle er nicht um jeden Preis Präsident bleiben. Fraglich, ob er die grenzenlose Hingabe für dieses fordernde Amt je hatte. Letztlich war sein Slogan «Yes, we can» nie mehr als eine leere Floskel. Wenn auch eine gute.