Analyse zu Blochers Auftritt vor der Immunitätskommission

Eine Faktenprüfung der Stellungnahme vor der Immunitätskommission ergibt: Christoph Blochers Wahrheit fällt an etlichen Stellen eher selektiv aus.

Von Peter Hossli (Text) und Remo Nägeli (Foto)

blocher5Sobald die Akten der Zürcher Staatsanwaltschaft offenlägen, falle die Stellungnahme Christoph Blochers vor der Immunitätskommission «auf den alt Bundesrat zurück», sagt eine Person, die den Inhalt der Untersuchungen im Fall Hildebrand kennt. «Vieles, was er sagt, stimmt nicht.» Hier die kritische Faktenprüfung.

• Blocher sagte aus, die damalige EDA-Vorsteherin Micheline Calmy-Rey habe ihm bereits nach dem ersten Treffen am 5. Dezember gesagt, Philipp Hildebrand könne sich «nicht halten», wenn «es so sei, wie ich geschildert habe». EDA-Insider widersprechen. Calmy-Rey würde eine solche Vorverurteilung kaum vornehmen. Sie habe von Blocher am 5. Dezember vor allem «klare Beweise» verlangt.

• Der 39-jährige IT-Mann Reto T.* (RT) hatte die Dollarkäufe Hildebrands entdeckt. Daraufhin habe er sich an seinen «Schulfreund» Hermann Lei gewandt, sagte Blocher vor der Kommission aus.

Fakt ist: Reto T. ging als Mandant zu seinem Anwalt Lei, den er aus der Schulzeit kannte. Warum ist das wichtig? T. hatte Hildebrands Kontoauszüge aus der Bank getragen und sie Lei gezeigt. Zwischen RT und Lei bestand das Anwaltsgeheimnis. Deshalb verletzte T. im Gespräch mit Lei keine Gesetze.

Hätte T. mit einem Schulfreund über Hildebrand gesprochen, hätte er das Bankgeheimnis verletzt – und Blocher nichts zu befürchten.

Dass das Verhältnis zu Lei «anwältlichen Charakter hatte bzw. ich ihn als solchen sah, ist belegt», schreibt T. in einem E-Mail. Blocher selbst hatte am 6. Januar auf Teleblocher gesagt, in der Causa Hildebrand hätten ihn «mehrere Anwälte kontaktiert»

• Blocher sagte aus, er habe T. und Lei am 3. Dezember 2011 empfangen. Bei der Staatsanwaltschaft ist als Aussage hinterlegt, Blocher habe T. einen Job versprochen, falls er seine Stelle bei der Bank Sarasin verliere. Dazu würde er die Anwaltskosten bezahlen und Interviews vermitteln. Dieser Umstand könnte als Anstiftung zur Bankgeheimnis-Verletzung gelten.

Wohl deshalb desavouiert Blocher T. nun als «labil» und betont dessen Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik. Fakt ist: T. ist bei Befragungen im Gegensatz zu anderen stets bei der gleichen Version geblieben. In der Regel schreiben Gerichte einem solchen Zeudie gen eine hohe Glaubwürdigkeit zu.

• Blocher sagte aus, er habe nicht gewusst, dass T. am 3. Dezember zu ihm nach Herrliberg komme. «Er erschien unerwartet bei mir.» Fakt ist: Es existieren E-Mails, in denen Lei die Organisation des Treffens mit Blocher bestätigt. Blocher selbst sagte auf Teleblocher, er habe mit mehreren Besuchern vor dem 3. Dezember Kontakt gehabt. Da ihn nur Lei und T. besucht hatten, muss er von T. gewusst haben. Gegenüber der «Thurgauer Zeitung» sagte Lei, er habe die Zusammenkunft von Blocher mit «dem Informanten» T. eingeleitet.

SonntagsBlick weiss: Lei hatte T. gegenüber Blocher als «Whistleblower» angekündigt. Würde ihm Blocher helfen, sagte Lei dem alt Bundesrat, wäre T. bereit, das Bankgeheimnis zu verletzen.

Lei hatte Blocher über T.s Absichten wohl falsch informiert. T. war von Blochers Angeboten überrascht. Das Treffen, merkte er in Herrliberg, war missverständlich vorbereitet worden, der Gastgeber in die Irre geführt. Nicht Geld wollte RT und keinesfalls an die Medien gelangen. Viel eher hatte er sich von Blocher Hilfe für eine korrekte Auslösung der Untersuchung des Falles erhofft.

• Blocher sagte aus, T. sei gegen die Veröffentlichung eines Artikels im SonntagsBlick vom 22. Januar gewesen. Darin werden Blochers Angebote an T. geschildert. Fakt ist: Über die Veröffentlichung von Artikeln entscheidet beim SonntagsBlick der Chefredaktor. T. schickt Journalisten, die mit ihm über den 3. Dezember reden wollen, jeweils einen Web-Link zum besagten SonntagsBlick-Artikel. Der Artikel gebe die Geschehnisse korrekt wieder.

• Frei erfunden ist Blochers Darstellung vor der Kommission, T. habe ihm am 3. Dezember erzählt, Hildebrand hätte seinen Kundenberater «zusammengestaucht». T. sagte das nicht. Gemäss Bank Sarasin ist es nie zu einem solchen «Zusammenschiss» gekommen.

• Blocher sagte aus, T. habe an die Presse gehen wollen. Er aber habe ihm davon abgeraten. Beim Treffen in Herrliberg war jedoch die Rede davon, Blocher könne Interviews mit T. vermitteln. Ein Zeitungsname soll in der Villa nicht gefallen sein. Allen sei klar gewesen, wer gemeint war: die «Weltwoche». Der Anwalt Leis, Valentin Landmann, sagte später zu BLICK, Blocher habe vorgeschlagen, zur «Weltwoche» zu gehen.

• Blocher sagte aus, T. sei entgegen seiner Empfehlung am 24. Dezember zu BLICK gegangen. Fakt ist, dass der Zürcher SVP-Kantonsrat Claudio Schmid den BLICK ohne Wissen von T. kontaktiert hatte und dass T. bei der Begegnung mit zwei BLICK-Reportern am 24. Dezember keine Beweise zum Fall Hildebrand vorlegen wollte.

Bei der Staatsanwaltschaft ist als Aussage hinterlegt, dass T. nie beabsichtigt hatte, die Dollar-Transaktionen von Hildebrand der Presse zuzuspielen.

Blochers Aussagen vom letzten Mittwoch entsprechen grösstenteils der bekannten Darstellung in den Medien. Bei nebensächlichen Aspekten schildert er Details. Bei zentralen Punkten aber mag er sich nicht erinnern – etwa, ob er Lei kontaktiert hatte, um am 27. Dezember über die Weitergabe der Bankdokumente an die «Weltwoche» zu sprechen.