Von Peter Hossli (Text) und Raphael Moser (Foto)
Zum Showdown kam es in der Pizzeria Neufeld, am Mittwochabend in Bern. Geschäftsleute versprachen dem Tennisclub Neufeld (TCN) eine goldene Zukunft. Alteingesessene Vereinsmitglieder wollten von den Plänen nichts wissen. «Es besteht kein Grund, euch diesen Tennisklub herzugeben», sagte Martin Strupler, ein schweizweit bekannter Planer für Sportanlagen. «Es ist nicht nötig, den Verein in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln, die Aussichten sind ohnehin rosig.»
Strupler erntete Applaus, da er Argumente gegen die Absichten des Klubpräsidenten vortrug. Dieser heisst Tom Kummer und war ein notorischer journalistischer Fälscher. Er lebte in Los Angeles und belieferte in den 1990er Jahren die Magazine des «Tages-Anzeigers» und der «Süddeutschen Zeitung» mit Interviews und Reportagen. Später erwiesen sich viele Texte als erfunden. Er erhielt mehrere zweite Chancen, lieferte jedoch abermals Fiktion statt Journalismus ab. Heute lebt er in Bern und publiziert Literatur. Letztes Jahr war er für den Schweizer Buchpreis nominiert.
Neben den Buchstaben ist Tennis die Leidenschaft Kummers. Seit 2018 ist er ehrenamtlicher Präsident des Tennisklubs Neufeld, wo er schon als Kind spielte. Jetzt will er den Verein neu ausrichten, oder wie es Gegner sagen, «sich unter den Nagel reissen».
Zusammen mit bekannten Investoren ist Kummer daran, den 1926 gegründeten Klub in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln. Dazu zählen der Coach von Tennisspieler Roger Federer, Severin Lüthi; der Inhaber von Roland Biscuit, Marc-André Cornu; sowie Sportmanager Rolf Huser, der Tennisspielerin Martina Hingis betreut. Sie wollen je zwischen 20000 und 50000 Franken investieren. Geht ihr Plan auf, erhalten sie dafür 82 Prozent der Stimmen der neu zu schaffenden AG und 30 Prozent des Aktienkapitals. Eine im Verein aktive Anwältin sagt, die Summen seien viel zu niedrig. Sie unterstellt Kummer, «unsorgfältig mit den Geschäftsfinanzen umzugehen, da er als Präsident zum Vereinsvermögen Sorge tragen müsste und dieses nicht zum Dumpingpreis an sich und andere verscherbeln darf». Strupler erklärt es so: «Die Investoren haben gemerkt, dass man mit dem Tennisklub und der erweiterten Anlage Geld verdienen kann.» Mit der vorgeschlagenen rechtlichen Struktur würden die Investoren alles bestimmen, «während die Mitglieder des Vereins nichts mehr zu sagen haben».
Der Klub hat einen langjährigen Pachtvertrag im Quartier Länggasse. Die dazugehörige Anlage erfährt derzeit eine Auffrischung, was die Stadt Bern 7,8 Millionen Franken kostet. Auf dem Gelände des Tennisklubs entsteht eine Schwimmhalle. Die alten Plätze und das Vereinslokal werden abgerissen, dafür sechs Standardplätze und zwei kleinere Padel-Tennis-Plätze errichtet, ein Vereinslokal im Bauch des Hallenbades, ein Restaurant. «Eine Top-Anlage», sagt Vereinsmitglied Gretta Fenner, die das Basel Institute on Governance als Geschäftsführerin leitet. «Die Investoren wittern eine Goldgrube, einige Vereinsmitglieder gehen Kummer auf den Leim, weil er gute Geschichten erzählt und flamboyant auftritt.»
Wie andere befürchtet sie, der traditionsreiche Tennisklub werde künftig von Personen geführt, die mit Ausnahme Kummers bis vor kurzem dem Verein nicht angehörten. Sie würden Konzerte, Schwingfeste und Partys veranstalten – allein, um Geld zu verdienen.
Die Investoren argumentieren, der Tennisklub müsse sich endlich professionalisieren. «Das Modell des Vereins ist schwierig geworden», erklärt Sportmanager Huser. Es gehe ihm darum, die Infrastruktur besser bedienen zu können, vielleicht lukrative Matches zu organisieren, das Restaurant top zu führen – «und ja, wenn man etwas investiert, ist es legitim, etwas zu verdienen». Mit einer AG liessen sich die Entscheidungswege abkürzen und die Haftungsfälle besser abfedern. Mit Lüthi stosse ein Mann mit grossem Fachwissen in der Tenniswelt zum Klub. Huser will das Know-how einbringen, um Sponsoren zu finden und attraktive Events zu vermarkten.
Fenner entgegnet, für eine Professionalisierung würde eine bezahlte Geschäftsstelle ausreichen. Der Klub stehe finanziell ja gut da. Überdies seien Hunderttausende Sportklubs in der Schweiz rechtlich als Vereine organisiert, darunter der Weltfussballverband Fifa und das Internationale Olympische Komitee.
Letztlich ist es ein Aufstand gegen Tom Kummer. «Einmal Geschichtenerzähler, immer Geschichtenerzähler», steht in einem internen Papier der Vereinsmitglieder. «Er hat den Klub in vielen Bereichen nachlässig und inkompetent geführt.» Einige Mitglieder sind verwundert, warum sich Kummer 15000 Franken auszahlen lässt, obwohl er die Präsidentschaft ehrenamtlich ausübt. Zudem sei nicht korrekt, dass Huser die letzte Revision der Halbjahresrechnung des Tennisklubs unterzeichnet habe. Immerhin sei er eine treibende Kraft hinter der Umwandlung zur AG. Auf Anfrage versprechen Kummer und Huser eine baldige unabhängige Prüfung der Vereinsfinanzen.
Sieben einflussreiche Mitglieder haben den Verein aus Protest verlassen. Darunter Helena Schöni, die nach anderthalb Jahren aus dem Vorstand ausgetreten ist. «Für mich war die unprofessionelle und intransparente Vereinsführung von Kummer nicht mehr tragbar», sagt sie. Der alte Wirt des Klubrestaurants konnte es mit dem Präsidenten nicht. Und der im Verein beliebte Coach der Juniorinnen und Junioren fühlt sich ausgebootet. Der Präsident habe sich für die bis 2023 dauernde Phase des Umbaus zu wenig um passende Spielmöglichkeiten für die Kinder bemüht, sagen mehrere Eltern. Abgesehen vom Mitgliederschwund gehe es dem Klub glänzend, sagte Fenner. Sie und andere Mitglieder befürchten, das Gerede um die geplante Aktiengesellschaft würde den Schwund nun eher noch beschleunigen.
Gelassen gibt sich Kummer, auf konkrete Vorwürfe geht er nicht ein. «Das ist alles nur Wahlkampf, es gibt Leute, die sind gegen mich, andere sind für mich», sagt er. Er sei dreimal als Vereinspräsident gewählt worden. «Der Widerstand hat viel mit meiner Person zu tun. Ich polarisiere wegen meiner Vergangenheit. Meine Bücher sind erfolgreich, ich bin die Nummer 1 im Seniorentennis in Bern, und die 3 in der Schweiz.» Er habe viel für diesen Klub getan, nicht zuletzt für die jungen Spielerinnen und Spieler. «Kommt die AG nicht zustande, kann ich damit leben.»
Die Stadt Bern wusste lange nichts von Kummers Plänen, erst im Oktober wurde sie informiert. Dabei finanzieren Steuergelder die neue Anlage des Klubs. «Wir verstehen die Gründe für die Umwandlung nicht, und wir halten sie für keine gute Idee», sagt der Leiter des Sportamtes der Stadt Bern, Christian Bigler. «Sportklubs sind in der Schweiz als Vereine konstituiert, weil sie in den meisten Fällen eine gemeinnützige Aufgabe erfüllen und sie nicht renditeorientiert sind.» Die Abteilung Immobilien Stadt Bern teilt diese Ansicht.
Stimmen die Vereinsmitglieder im Dezember der AG zu, dürfte die Stadt die Verträge mit dem Tennisklub neu aufsetzen. Bern verpachtet das Areal einem gemeinnützigen Verein, nicht einer Aktiengesellschaft. Sportexperte Strupler: «Wenn aus dem TCN eine AG wird, bekommen wir nicht nur grössere Probleme mit den bisher grosszügigen Leistungen der Stadt, sondern wir und die Stadtverwaltung dürften von der Politik unter Druck kommen.»
Dem widerspricht Huser und sagt: «Wir haben alles juristisch sauber abgeklärt und werden unsere Pläne der Stadt erklären.» Er ergänzt: «Alle jene, die jetzt laut opponieren, sollen sich doch selbst im Klub zeitlich und finanziell engagieren.» Severin Lüthi ist vom Widerstand im Verein überrascht. Der Tenniscoach betont: «Sollte etwas nicht korrekt sein, würde ich mich sofort zurückziehen.»