Text: Peter Hossli und Carole Koch Illustration: Melk Thalmann
Carlos Ghosn stösst einen Seufzer aus. Sein sonst finsteres Gesicht hellt sich auf. Es ist geschafft. Zweieinhalb Stunden hat er geredet, Französisch, Englisch, Portugiesisch, Arabisch. Gekämpft, sich gewehrt, Intrigen angeprangert, von Rufmord gesprochen. Und von der grossen Liebe zu Carole, seiner Frau. Jetzt begleiten ihn Wächter aus der Pressekonferenz in Beirut.
Geglückt scheint ein Befreiungsschlag, zumindest fürs Erste. Ein Ende dieses fesselnden Krimis aber ist nicht absehbar. Mittendrin agiert ein bewunderter wie hintertriebener, geschmeidiger wie ruchloser Mann von Welt.
Ghosn, einst Chef von Renault, Nissan und Mitsubishi, ist auf der Flucht, von Interpol zur Fahndung ausgeschrieben. Verlässt der libanesisch-brasilianisch-französische Bürger Libanon, wird er verhaftet und wohl nach Japan ausgeliefert. Siebzehn Jahre hat er dort Autokonzerne geführt. Bis er in Ungnade fiel und angeklagt wurde, weil er sich in Nissans Firmenkassen bedient haben soll.
Ende 2019 erhielt der Fall eine spektakuläre Wende: Ghosn floh von Tokio nach Beirut, in einer Kiste und unterstützt von Söldnern.
Eine Rekonstruktion.
Der Aufstieg
Zur Welt kommt Carlos Ghosn 1954 in Brasilien, nahe der Grenze zu Bolivien. Sein Grossvater war aus Libanon nach Südamerika ausgewandert, um mit Kautschuk zu handeln. Carlos erkrankt im Alter von zwei Jahren, weil er giftiges Wasser trinkt. Die Mutter zieht mit ihm nach Rio de Janeiro. Da der Bub nicht richtig gesund wird, bringt sie ihn zu Verwandten nach Beirut. Er lernt Französisch und Arabisch, besucht jesuitische Schulen und entdeckt die Leidenschaft zu Karossen. Als Sechsjähriger versteckt er sich auf dem Balkon und versucht, die Marken aller Wagen allein am Klang ihrer Hupen zu erraten.
Nach der Matura studiert Ghosn in Paris. Der Ingenieur arbeitet 18 Jahre lang für den französischen Reifenhersteller Michelin, saniert die Divisionen in Süd- und Nordamerika. Bewusst und immer wieder setzt er auf multinationale Teams. Weil er davon überzeugt ist, dass jede Organisation aus der Vielfalt viel lernt.
Ghosn will nach oben. Da bei Michelin der Chef stets ein Michelin ist, geht er zu Renault.
Sein Aufstieg zum mächtigen Manager beginnt 1999, als Renault und Nissan eine geschäftliche Allianz eingehen. Zuerst gilt es Nissan zu retten, was einer mission impossible gleichkommt. Der Konzern ist mit 35 Milliarden Dollar verschuldet, nur 3 von 46 Modellen sind profitabel. Bis Ghosn die Firmenkultur umkrempelt. Aus dem «Mister Fixit» aus Michelin-Zeiten wird der «Cost Killer». Er entlässt 21000 Angestellte, schliesst fünf Werke, stoppt dienst- und altersbedingte Beförderungen, stösst die prestigereiche Raumfahrtabteilung ab. Als Konzernsprache führt er Englisch ein, was die Japaner vor den Kopf stösst und etliche Europäer in die Chefetage bringt. Die Rosskur wirkt, bald ist Nissan profitabel und schuldenfrei. Zusätzlich führt er Renault und somit als erste Person gleichzeitig zwei der 500 weltgrössten Konzerne.
Ghosn ist innovativ und fördert die Elektromobilität. Der Nissan Leaf wird zum bestverkauften Elektromobil. Jeder Job in der Automobilindustrie steht ihm offen. Nebenbei führt er eine russische Autofirma und holt Mitsubishi in die Allianz. Der Berater von US-Präsident Obama bietet ihm 2009 den Job als CEO des staatlich geretteten US-Konzerns General Motors an, zum doppelten Lohn. Ghosn aber bleibt bei Nissan, da ein Kapitän sein Schiff in stürmischen Zeiten nicht verlassen soll. Zudem wachsen seine vier Kinder in Tokio auf. Später wird er die Absage an die Amerikaner als Fehler bezeichnen.
Japan feiert die Loyalität und die Erfolge. Tritt Ghosn auf, wimmelt es von Paparazzi. Kaiser Akihito ehrt ihn mit einem Orden. Manga-Zeichner verewigen sein Leben in Comics. Umstritten aber sind Ghosns Saläre. In seinem letzten Jahr als CEO der Allianz Nissan-Renault-Mitsubishi verdient er 16,9 Millionen Dollar, elfmal so viel wie der Chef von Toyota. Ghosn will sich jedoch nicht an japanischen, sondern an amerikanischen Gehältern messen. Die General-Motors-Chefin etwa kassiert 22 Millionen Dollar. Mehrmals betont er, unterbezahlt zu sein. «Kein CEO gesteht, überbezahlt zu sein», zitiert ihn die «Financial Times». Die Aussage wirkt in Frankreich und Japan als arrogant und kommt schlecht an.
Die Verhaftung
Am 1. April 2017 tritt Ghosn als CEO von Nissan zurück, bleibt aber Verwaltungsratspräsident und kümmert sich operativ fortan um Mitsubishi. Am 19. November 2018 reist der Manager von Beirut nach Tokio, um mit seiner Tochter Maya und deren Freund zu essen. Auf 19 Uhr 30 hat er einen Tisch im «Jiro» reserviert, einem der besten Sushi-Lokale Tokios.
Den rohen Fisch essen andere. Es ist 16 Uhr, als Ghosn in Tokio landet. Polizisten umzingeln seinen Privatjet und verhaften ihn noch auf der Landebahn. Minuten später ziehen in der Stadt andere Beamte ihre Schuhe aus, betreten Ghosns Wohnung und übergeben der Tochter eine Anklageschrift. Während sechseinhalb Stunden durchwühlen sie Akten.
Der neue Nissan-CEO Hiroto Saikawa erhebt öffentlich schwere Vorwürfe gegen den Mann, der ihn einst förderte. Sein Vorgänger habe die Bücher frisiert, Einkommen falsch deklariert, eine Wohnung in Rio auf Kosten von Nissan gekauft, ein Haus in Beirut renovieren und das Geburtstagsfest seiner zweiten Frau auf Versailles zahlen lassen. Private Verluste an der Börse hätten Firmengelder gedeckt. Von einer Schattenfirma ist die Rede.
Ghosn fühlt sich vorverurteilt, da der Staatsanwalt japanische Medien gezielt informiert. Seine Chance auf einen fairen Prozess sieht er dadurch bedroht. Er kommt sich vor wie Amerika nach dem hinterlistigen japanischen Angriff auf Pearl Harbor im Jahr 1941.
Seine enge Einzelzelle darf er täglich nur während 30 Minuten verlassen, so wird er erzählen, nur zweimal die Woche darf er duschen. Manchmal wird er acht Stunden am Stück befragt, auf Japanisch, ohne seinen Anwalt. «Sie zermürben dich, bist du geständig bist.»
Fast vier Monate später wird die Haft in einen Hausarrest umgewandelt. Am 2. April 2019 twittert Ghosn: «Ich mache mich bereit, um die Wahrheit zu sagen. Pressekonferenz am Donnerstag, 11. April.» Am Tag nach dem Tweet verhaftet ihn die Polizei erneut. Am 25. April kommt er unter verschärften Bedingungen auf Bewährung frei. Die gesamte Kaution beträgt 13,8 Millionen Dollar. Mit seiner Frau darf er nun nicht mehr sprechen, der Zugang zum Computer wird eingeschränkt. «Die Restriktionen sind derart streng, dass sie sogar ein Hindernis für die Ausarbeitung einer wirkungsvollen Verteidigung sind», lässt sein japanischer Anwalt Takashi Takano verlauten.
Ghosn beschliesst zu fliehen. «Als ich realisierte, dass ich meine Frau nicht mehr sehen würde, wurde mir klar: Ich muss gehen», wird er erzählen. «Es gibt viele Manager, die ihre Frau nicht mehr sehen wollen, für mich ist Carole aber eine grosse Stütze.» Zuletzt sei er vor der Wahl gestanden: «Entweder ich sterbe in Japan, oder ich versuche wegzukommen.»
Die Flucht
Vertraute stellen Kontakte zu hochbezahlten Legionären her, wie Recherchen des «Wall Street Journal» zeigen. Etwa zu Michael Taylor, 54, ehemaliger US-Elitesoldat, spezialisiert auf Geiselbefreiungen. Einst beauftragte ihn die «New York Times», einen Reporter aus der Geiselhaft in Pakistan zu befreien. Taylor kennt den Nahen Osten gut, er spricht Arabisch und ist mit einer Libanesin verheiratet.
Angeblich beauftragt Ghosn Taylor, seine Flucht vorzubereiten. Der Ex-Elitesoldat reist zwischen Juni und Dezember achtmal nach Dubai. Dort trifft er George-Antoine Zayek, der sich in den Kriegen in Afghanistan und im Irak jeweils als Söldner anheuern liess. Taylor und Zayek haben schon etliche Missionen durchgezogen. Sie stellen eine mehrköpfige Einheit zusammen. Auf über 20 Reisen nach Japan kundschaften sie Flugplätze und Häfen aus. Es steht im Raum, die Flucht per Boot durchzuführen. Im Herbst erkundet einer von Taylors Team den internationalen Flughafen von Osaka. Mitten im Terminal 2 liegt das Gate Tamayura, nur 300 Quadratmeter gross, überblickbar, diskret. Von hier fliegen die Kunden von Privatjets ab. Etwas fällt auf: Der Sicherheits-Scanner hat nur Platz für kleine Taschen. Grössere Objekte werden nicht durchleuchtet. Ohnehin erscheinen die Kontrollen lasch.
Die Beobachtungen beflügeln Ghosn. Der Fluchtplan habe ihn «am Leben gehalten», wie er erzählen wird. Offenbar scheint ihm der Unterhaltungswert seiner Story bewusst. Noch vor dem Entrinnen redet Ghosn mit dem Produzenten und Oscar-Preisträger John Lesher («Birdman») über eine mögliche Verfilmung. Laut einem Freund sei Ghosn geradezu besessen von der Idee, einen Dokumentarfilm drehen zu lassen, berichtet «Daily Beast». Dessen Ende werde alle überraschen.
Die Koketterie lässt vermuten, dass er Teile der Flucht hat filmen lassen.
An Heiligabend kommt es zu einer hollywoodreifen Wendung. Die japanischen Behörden lehnen Ghosns Antrag ab, während der Festtage seine Gattin zu sehen. Zudem soll der Prozess in Etappen durchgeführt werden, womit sich die Hoffnung auf ein zeitnahes Verfahren zerschlägt. Anschliessend spricht Ghosn laut seinem japanischen Anwalt während einer Stunde per Videokonferenz mit seiner Frau Carole. Noch am selben Tag chartert eine Person unter dem Namen Dr. Ross Allen bei der türkischen Privatjet-Firma MNG für 350000 Dollar ein Flugzeug. MNG ist heikle Aufträge gewohnt. Einst flogen ihre Piloten für Venezuelas Regierung Gold aus.
Am 29. Dezember filmen Überwachungskameras, wie Ghosn am Nachmittag sein Haus in Tokio verlässt, bekleidet mit einem Hut und Mundschutzmaske. Er besteigt ein Taxi und fährt ins nahe gelegene «Grand Hyatt», wo Taylor und Zayek auf ihn warten sollen. Angeblich zu dritt besteigen sie den Hochgeschwindigkeitszug nach Osaka. Es ist längst dunkel, als der Zug gegen 19 Uhr 30 die rund 500 Kilometer entfernte Millionenstadt erreicht.
Ein Taxi bringt das Trio in ein Hotel in der Nähe des Flughafens. Vermutlich dort zwängt sich der 1,70 Meter grosse Manager in eine Kiste für Lautsprecher. Ein enger Ort, doch Ghosn beisst sich durch. Er habe während der Flucht stets an die Ungerechtigkeit gedacht, die ihm widerfahren sei, wird er erzählen.
Am späteren Abend laden zwei Gepäckträger den Behälter am privaten Terminal aus einem schwarzen Van und transportieren ihn in den Terminal. Niemand schöpft Verdacht, niemand kommt auf die Idee, dass sich in der übergrossen Kiste keine Boxen befinden, sondern ein berühmter Wirtschaftsflüchtling.
Gegen 23 Uhr 10 hebt in Osaka eine Bombardier-Maschine Richtung Istanbul ab, an Bord der Behälter mit Ghosn. Auf der Passagierliste erscheinen nur die Namen der Helfer, da ein MNG-Mitarbeiter die Papiere fälscht.
Zwölf Flugstunden verbringt der Entwichene über Asien in einem bequemen Ledersessel. Der Jet setzt um 5 Uhr 12 in Istanbul auf. Ein Auto bringt Ghosn im strömenden Regen zu einem anderen Flugzeug, das bald Richtung Beirut abhebt. Nach der Ankunft schliesst er Carole in die Arme. «Als ich ihr Gesicht sah, löste sich die Gefühllosigkeit, die ich seit November 2018 empfand», erzählt er.
Am selben Abend, am 30. Dezember, werden in Istanbul vier Piloten und der Manager der Jetfirma verhaftet und wegen Schlepperei angezeigt. Zwei Tage später reicht MNG Strafanzeige gegen die Drahtzieher der Flucht ein.
Bestätigt haben die Behörden die bisher bekannt gewordenen Details nicht.
Die Verteidigung
Was der Reporter in Libanon mache, fragt ihn der Zöllner am Rafic-Hariri-Flughafen von Beirut. Einen Freund besuchen. Ohne weiter zu fragen, stempelt der Beamte den Pass und winkt ihn durch. Zu Recht als lax gelten die Grenzkontrollen in Libanon. Mit etwas Bargeld soll es selbst möglich sein, ohne Pass ins Land zu gelangen. Was Ghosn vielleicht getan hat, da er seine Dokumente in Tokio abgeben musste.
Es ist Mittwoch, 8. Januar 2020, kurz vor 14 Uhr. Ein Sturm peitscht über Beirut. Das Mittelmeer schlägt hohe Wellen, und vor dem Presseklub bildet sich eine lange Schlange. Am Strassenrand parkiert ist ein Nissan-Geländewagen mit Satelliten-Schüssel. Eine Frau liest die Namen aller Journalisten vor, die zur Pressekonferenz von Carlos Ghosn zugelassen sind. Ausgewählt hat sie die französische PR-Agentur Image 7, die das Ansehen Ghosns aufpolieren soll. Nur wer dem Manager genehm ist, darf hinein und Fragen stellen. Aus Tokio angereiste Japaner bleiben draussen. «Ich will mit Reportern reden, die objektiv berichten», begründet Ghosn den Ausschluss. Japanische Medien hätten vor allem Lügen verbreitet.
Zehn Minuten zu früh betritt der Manager den Saal, als könne er nicht warten, seine Sicht dazulegen. Kameras klicken, Mikrofone zielen in seine Richtung, der Manager geniesst das Bad in der Medienmenge. Er wirkt aufgekratzt, fit und ausgeschlafen. Der Anzug sitzt, die Augenbrauen sind adrett gestutzt, die Krawatte straff geschnürt. «Auf diesen Tag habe ich 400 Tage gewartet. Endlich kann ich sagen und erklären: Ich bin unschuldig.»
Er gibt sich charmant, begrüsst libanesische Journalisten auf Arabisch und erntet dafür Applaus. «Ich bin einer von euch», will er zeigen. Zumal er weiss: Lässt ihn Libanon fallen, ist er verloren. Ganz ausschliessen lässt sich das nicht. Das Land leidet unter sozialen Problemen. Es will kein Zufluchtsort für Gesetzesbrecher sein. Zumal Ghosn in Japan eine Strafe von mindestens 15 Jahren droht. «Ghosn ist ein Lügner und ein Gauner», sagt ein Händler in Beirut. «Es ist nicht gut für uns, dass er hier ist.» Libanesen verzeihen Ghosn einen Besuch in Israel nicht, beim Staatsfeind. Dafür soll er strafrechtlich belangt werden.
Die Luft ist stickig, manche Reporter sitzen auf dem Boden. Sie hoffen auf Details zur Flucht, doch der Manager enttäuscht sie: «Ich bin hier, um zu sagen, warum ich Japan verlassen habe, nicht wie.» Er sei nicht vor der Justiz geflohen, sondern «Ungerechtigkeit und politischer Verfolgung» entkommen. Die Unschuldsvermutung sei der japanischen Justiz fremd. Mehrmals wiederholt er eine exakte Zahl: 99,4 Prozent aller Angeklagten würden in Japan verurteilt werden.
Er redet von einer Intrige, gesponnen von Japans Regierung und Nissans Management. Namen japanischer Politiker nennt er nicht, keinesfalls will er das Verhältnis zwischen Japan und Libanon trüben. Der Premierminister stehe nicht dahinter, suggeriert er.
Er gibt sich selbstherrlich. Fallengelassen hätten ihn die Japaner, weil Nissan seit seinem Abgang schlechte Zahlen schreibe. «Mein Nachfolger will davon ablenken.» Zudem wolle der neue CEO mehr Einfluss auf die Allianz ausüben, Renault aber besitze mehr Stimmrechte. «Die Japaner denken, sie können die französische Macht nur schmälern, wenn sie Ghosn loswerden. Jetzt sind sie mich los.»
Er gestikuliert wild, während er von «Rufmord» spricht. Über 200 Millionen Dollar hätten die japanischen Behörden bisher ausgegeben, um ihn weltweit zu diskreditieren. «Das ist doch irrational», sagt er und setzt zu einem kruden Vergleich an. «Sie werfen mir vor, ich hätte 14,7 Millionen Dollar nicht deklariert, während sie 200 Millionen Dollar ausgeben?» Es folgt ein noch absurderer Vergleich: Seit seiner Verhaftung sei Nissans Börsenwert um 10 Milliarden Dollar gesunken, jener von Renault um 5 Milliarden Euro. «Ich muss mich für ein paar Millionen rechtfertigen, aber niemand muss erklären, dass Renault an der Börse 35 Prozent verlor.»
Die Aussage peitscht ihn auf. «Ich bin nicht hier, um mich als Opfer darzustellen, sondern um Licht ins Dunkle zu bringen.» Er projiziert Dokumente an die Wand, die ihn entlasten sollen. Etwa die Unterschrift von Nissan-Direktoren auf einem Papier zum Erwerb von Wohneigentum in Rio. «Niemand kann sagen, Nissan hätte nichts gewusst.» Ghosn zeigt Tabellen, die seine Bezüge rechtfertigen würden. Dazu Berichte aus Versailles, die besagen sollen, er habe das Geburtstagsfest bezahlt.
Aufgewühlt versucht er zuletzt, sein Erbe als Manager zu verteidigen. Als er 2017 ging, hätten Nissan, Renault und Mitsubishi am meisten Autos verkauft. Er sei kurz davor gestanden, Fiat Chrysler in die Allianz zu holen. Nun aber fusionieren die Italiener mit Peugeot Citroën. «Wir hatten Strategien, heute gibt es keine Strategie mehr, die Allianz ist kaputt.»
Die Gefangenschaft
Wie richtet er sich nun sein Leben ein? Als einer, der vielleicht bis ans Lebensende davonrennt? Der früher auf jeder Party willkommen war, in New York, Beirut, Tokio, Amsterdam und Rio abstieg? Sich fortan aber nur noch in einem armen kleinen Land bewegen kann? «Es ist eine mission impossible», sagt Ghosn, «aber ich habe schon viele solcher Situationen gemeistert.» Bald will er weitere Beweise nachlegen. «Die Wahrheit wird ans Licht kommen.» Dann sagt er: «Meine Lage ist nicht ausweglos.» Zuversicht klingt anders.
Ein Geländewagen fährt ihn und Carole in eine Villa in den Hügeln von Beirut. In einen luxuriösen Kerker. Vorderhand oder vielleicht für immer kommen die beiden hier nicht mehr weg. Libanon hat für Ghosn ein Reiseverbot verhängt – und Japan gegen seine Frau Carole einen Haftbefehl eingereicht.