Jetzt schlägt die Stunde der Schweiz

Die Iraner sind gereizt, die Amerikaner nervös. Doch beide Länder vertrauen dem ruhenden Pol Schweiz. Schweizer Diplomaten gelten als letzte unabhängige Vermittler der Welt.

Von Peter Hossli und Simon Marti

Die USA verhängen eine Einreisesperre für Iraner. Iran lässt keine Amerikaner mehr ins Land. Iran testet Raketen. US-Präsident Donald Trump (70) twittert und verhängt Sanktionen gegen die Islamische Republik.

Schweizer Diplomaten in Teheran verfolgen das Gezänk genau. Es sei «ein klassisches Powergame», sagt ein erfahrener Diplomat, der nicht namentlich genannt werden will. Klar sei: «Steigt die Spannung wie jetzt, ist die Schweiz noch mehr gefragt.»

Die Schweiz gewinnt an Wichtigkeit

Gereizt seien die Iraner, nervös die Amerikaner. «Aber beide Länder vertrauen einem Land: der Schweiz.» Vor allem die Iraner haben keinen besseren Weg, als über Schweizer zu kommunizieren.

Zwei Wochen erst regiert Trump die USA. Bereits lässt sich sagen: Die Schweiz gewinnt enorm an Wichtigkeit. «Die diplomatische Welt gerät durch Trump stark in Bewegung», so der EDA-Mann. «Da braucht es einen ruhenden Pol.»

In Frage kommt einzig die Schweiz. Neuere Akteure – etwa Oman am Persischen Golf – gelten nicht als unabhängig. Und durch parteiische Verstrickungen in der Ukraine hat die EU an Einfluss eingebüsst.

Läuft Genf New York den Rang ab?

Erstarken dürfte die Position von Genf, nach New York wichtigster Sitz der Vereinten Nationen (Uno). «Greift Trump die Uno an, schwächt dies New York», erklärt der Diplomat und Gewährsmann von SonntagsBlick. Gleichzeitig hat Genf einen «extrem guten Ruf».

Die Rhonestadt beherbergt 34 internationale Organisationen und 250 diplomatische Missionen – mehr als New York. 2000 Reisen von Staatschefs verzeichnet Genf jedes Jahr. Bei seinem jüngsten Besuch strich der chinesische Präsident Xi Jinping (63) die Bedeutung Genfs hervor und erinnerte an die Indochina-Konferenz von 1954, als das rote China erstmals am Verhandlungstisch sass.

Genf gilt als Patronin der Genfer Konventionen, welche Folter verbieten. Trump will wieder foltern. «Die Schweiz kann die Welt gemahnen, wie wichtig es ist, die Völkerrechte einzuhalten», so der Diplomat.

Für Ex-Staatssekretär Michael Ambühl (65) ist die Schweiz «gut positioniert, um gute Dienste zu erbringen als Land, das nicht in der EU ist, nicht in der Nato, keine koloniale Vergangenheit und keine versteckte Agenda hat».

FDP kritisiert Didier Burkhalter

Die Schweiz, so der heutige ETH-Professor, sei «too small to harm», also nicht gross genug, um anderen zu schaden. Wie dies allerdings bezüglich dem Faktor Trump wirke, «lässt sich zurzeit noch nicht sagen, da Präsident Trump schwer einzuschätzen ist».

Für Aufregung sorgt derweil der höchste Schweizer Diplomat. FDP-Bundesrat Didier Burkhalter (56) hat den US-Einreisestopp öffentlich kritisiert. Selbst innerhalb der eigenen Partei erntet er dafür Kritik. «Ich teile die politische Beurteilung von Bundesrat Burkhalter grundsätzlich», sagt der freisinnige Nationalrat Hans-Peter Portmann (53, ZH). Aber die offizielle Schweiz habe sich nicht in innere Belange eines anderen Staates einzumischen. «Wir sind neutral und damit gut gefahren», so Portmann.

FDP-Nationalrat Walter Müller (68, SG) ergänzt: «Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht auf das Niveau von Trumps Verlautbarungen herunterlassen und alles lautstark kommentieren, was er tut.»

Anders sehen es Diplomaten im Feld. «Burkhalter hat zurückhaltend kommuniziert», sagt einer. «Er musste beruhigen, da Schweizer Bürger betroffen sind.» Solange der Bundesrat nicht polemisch informiere, begrüsse er das. «Sollten die USA wieder foltern, muss der Bundesrat sagen, dass dies das Völkerrecht verletzt.»