Von Peter Hossli (Text) und Pascal Mora (Fotos)
Bestimmt sagt Sabine Keller-Busse (51): «Nein, die Finanzbranche ist nicht feindselig gegenüber Frauen.» Im Gegenteil, so die Personalchefin der UBS. Längst hätten Banken wie Versicherungen gemerkt: Je mehr Frauen bei ihnen arbeiteten, desto besser laufe das Geschäft. «Banken sind sehr bemüht, gute Frauen zu holen.»
Bei der UBS ist dafür Sabine Keller-Busse zuständig. Seit 2014 führt sie das Personal der grössten Schweizer Bank, rund 60’000 Angestellte.
Sie sitzt in einem hellen Büro der UBS-Filiale in Davos GR, trägt einen dunklen Hosenanzug, wirkt so locker wie selbstbewusst und dezent humorvoll. Am Weltwirtschaftsforum trifft sie Manager – und preist eine neue Strategie der Bank an. Die UBS will vielfältiger werden, bunter, weiblicher, internationaler, offener. «Diversity» heisst das auf Neudeutsch.
Die Absicht ist klar: Eine Vielfalt von Ideen verhindert die gefährliche Schere im Kopf. Sie hält fit. Und sie spricht unterschiedlichere und somit mehr Kunden an.
Keine Quoten – «der Beste erhält den Job»
Bereits heute sind 40 Prozent der Stellen von Frauen besetzt. Männlicher sieht es auf mittleren und oberen Stufen aus. «Da verlieren wir Frauen», sagt Keller-Busse. Weil Frauen Kinder bekommen und pausieren, den Anschluss verpassen. Nur knapp ein Viertel des UBS-Managements sei weiblich. «Wir wollen ein Drittel Frauen in führenden Positionen», sagt die Personalchefin – und beruhigt die Männer.
Quoten will sie nicht. Weiterhin gilt: Der Beste erhält den Job. «Ist bei einer Wahl zwischen Frau und Mann der Mann besser, stellen wir ihn an.» Aber: «Bei allen Prozessen einer Anstellung ist eine Frau dabei.» Bei der Suche, bei der Beurteilung, bei der Auswahl, bei der Entscheidung.
Einen «brachliegenden Pool» zapfe sie an. «Es gibt viele top ausgebildete Frauen, die wir nach der Babypause zurückholen.» Sowohl in den USA als auch in der Schweiz hat die Bank dafür eigens ein Programm lanciert. Andere Regionen sollen folgen.
«Männer haben keinen Grund, sich bedroht zu fühlen»
Fühlen sich die Männer da nicht bedroht? «Schaue ich die Zahlen an, haben Männer keinen Grund, sich bedroht zu fühlen.» Ihr sei aber bewusst: «Es gibt Ecken in der Bank, die sich nur schwer mit einem Familienleben kombinieren lassen.» Etwa in Bereichen des Investmentbankings, wo lange Arbeitstage und weite Reisen üblich sind. «Hat man Kinder, mag man nicht vier Wochen am Stück weg sein.»
Zwei Kinder hat Keller-Busse, 11 und 13 Jahre alt. Ihr Mann arbeitet für einen US-Konzern, ist oft unterwegs. Wie schafft sie es, Familie und Karriere zu vereinen? «Ich habe das immer pragmatisch gesehen», sagt sie. «Ich versuchte stets, die Balance zu halten, einen guten Job zu machen und ein Netzwerk aufzubauen.» Sie habe nie auf den Unterschied zwischen Mann und Frau geachtet. «Ich war auf meine Aufgabe fokussiert – und dann habe ich geliefert.»
Eine längere Babypause legte sie nie ein, «damit ich nicht aus dem Netzwerk falle», sagt sie. Klar sei aber: «Wäre eines meiner Kinder krank, sässe ich jetzt nicht hier.» Bevor sie Kinder hatte, vereinbarte sie mit ihrem Mann: «Reissen alle Stricke, bleibt einer von uns zu Hause.» Wer das sein würde, hätten sie nie bestimmt.
«Die UBS ist bereit für eine Konzernchefin»
Keller-Busse ist Doktorin der Betriebswirtschaft, studierte an der Universität St. Gallen. War bei Credit Suisse, Siemens, der Beraterfirma McKinsey. 2010 kam sie als COO zur UBS, seit 2014 ist sie Personalchefin. Ihr Chef ist UBS-CEO Sergio Ermotti (56).
Wann aber hat die UBS eine Frau zuoberst an der Spitze? «Von der Kultur her ist die UBS bereit für eine Konzernchefin», sagt Keller-Busse. «Ich glaube, der Verwaltungsrat ist absolut offen für eine Frau.» Allein das Angebot bestimme die Besetzung. «Gibt es eine geeignete Frau zum richtigen Zeitpunkt, kann sie UBS-Chefin werden.»
Die UBS fördert Frauen. Und sie wirbt mit einer der bekanntesten Künstlerinnen um Frauen: Fotografin Annie Leibovitz (67) hat für die UBS auf der ganzen Welt Frauen fotografiert. Die Fotos zeigte die Bank in bisher neun Städten. Nun gastiert die Ausstellung «Women» in Zürich. Kunden wie auch das Personal können Leibovitz treffen.
Seit Jahrzehnten prägt die US-Fotografin Magazine wie «Rolling Stone», «Vanity Fair» und «Vogue». Die US-Präsidenten Nixon, Carter, Reagan, Clinton, Bush und Obama hat sie fotografiert. «Sie ist in ihrem Bereich die Beste», sagt UBS-Kommunikations- und Branding-Chef Hubertus Külps (49). «Uns gefällt diese Assoziation: UBS und die Beste.»
Leibovitz’ Geschichte stehe für die Geschichte vieler Menschen. «Sie hat ihren Weg gemacht, weil sie eine Vision hat», sagt Personalchefin Keller-Busse. «Sie will gute Fotografie machen.»
Das rate sie auch Frauen bei der UBS: «Geht euren Weg, macht Pause für eure Kinder – aber haltet an eurer Vision fest.» Gerade weil Leibovitz wisse, was sie wolle, komme sie voran. Obwohl sie 2009 in schwere finanzielle Nöte geriet. «Annie hatte Tiefpunkte und Rückschläge – die haben andere auch. Sie hat nie losgelassen, deshalb ist sie heute dort, wo sie ist.»
Mit ihrer Geschichte passe Leibovitz durchaus zur UBS. Eine Bank, die in den letzten 20 Jahren heftige Krisen zu bewältigen hatte: den Streit um die nachrichtenlosen Vermögen, die Rettung durch den Staat, das schlechte Image wegen hoher Boni, den Zwist mit der US-Steuerbehörde.
Fotografin Leibovitz: «Die UBS benutzt mich, ich benutze die UBS»
Leibovitz fotografiert für eine Werbekampagne der UBS, nebst persönlichen Bildern. Geht das? Der globale Konzern und die Künstlerin? Die Krawattenkultur und die Fotografin, die oft Wanderschuhe trägt? «Sie bringt Lockerheit in die Konzernleitung», so Keller-Busse. «Sie ist völlig sich selbst und sie hat überhaupt keine Berührungsängste.» Zudem sei sie «künstlerisch nicht dogmatisch».
Laut Leibovitz profitieren beide Seiten. Sie konnte ihr Projekt «Women» von 1999 weiterführen – ohne grosse Einflussnahme. «Sie liessen mich machen», so die Fotografin. «Die UBS bringt Kunden zu Anlässen, sie will ihr Image bei Frauen verbessern – ich kann Frauen fotografieren, die ich ohne UBS nicht hätte treffen können», sagt sie. «Die UBS benutzt mich, ich benutze die UBS. Beide sind zufrieden.»