Von Peter Hossli
Alle hatten ein anderes Duell erwartet. Hillary gegen Bush. Hillary gegen einen der jungen Südstaaten-Latinos. Hillary gegen eine andere Frau.
Eher als Witz galt die Kandidatur von Donald Trump (69), dem Baulöwen aus New York mit der sonderbaren Frisur und der obszönen Zunge. Der letzte Egotrip eines exzentrischen Egomanen, ulkten US-Komiker. Nie werde der mehrfache Bankrotteur und TV-Entertainer zum US-Präsidenten gewählt, mithin über das Atomwaffen-Arsenal gebieten.
Weit gefehlt. Laut Umfragen liegt Trump unter den zehn republikanischen Kandidaten klar vorne. Einiges deutet darauf hin, dass er am 8. November für die Republikaner gegen die Demokratin Hillary Clinton (68) antreten wird. An diesem Tag erteilt das US-Wahlvolk für vier Jahre Wohnrecht im Weissen Haus.
Bis dahin geben die Kandidaten und ihre Parteien rund zehn Milliarden Dollar aus – in der teuersten politischen Schlacht aller Zeiten. Sie beginnt am 1. Februar mit dem ersten Gradmesser, den Vorwahlen im US-Bundesstaat Iowa. Bereits am 1. März sollte klar sein, wer für die Demokraten, wer für die Republikaner zur Wahl steht. An diesem sogenannten Super Dienstag bestimmen 13 Bundesstaaten ihre Parteitagsdelegierten.
Niemand zweifelt an der Nominierung der Ex-First-Lady, Ex-Senatorin und Ex-Aussenministerin Clinton. Sie sammelt emsig Geld, ist gut organisiert. Skandale perlen ab. Unbedingt will ihre Partei die erste US-Präsidentin stellen. Ohne interne Konkurrenz von links kann sie in der Mitte politisieren. Und das erhöht ihre Chance am 8. November. Mit Bill Clinton (69) hat sie zudem einen grandiosen Wahlhelfer.
Die Stimmung bei den Republikanern hingegen ist vergiftet. Trump ist nicht das Gesicht seiner Partei, er ist ihre Fratze. Die «Grand Old Party» wollte sich nach dem Triumph von Barack Obama (54) im Jahr 2012 öffnen, Frauen ansprechen, Latinos und Schwarze. Klar schien: Reiche weisse Männer taugen nicht mehr, das Weisse Haus zu erobern. Zwei Senatoren mit Wurzeln in Kuba traten an, dazu eine Ex-Managerin.
Bis der reiche, weisse Trump den Plan durchkreuzte. Mit einer einfachen Botschaft: «Ausländer haben den Amerikanern alles weggenommen, ich werde gewinnen und es zurückholen.» Über menstruierende Frauen macht er sich lustig, verlangt Einreiseverbote für Muslime, verkündet rassistischen Bombast. Und die republikanischen Wähler? Sie bejubeln ihn!
Die Politikverdrossenen
Der Milliardär agiert taktisch klug, spricht Politikverdrossene und Protestwähler an. Er weiss: Nie waren Umfragen entscheidender als jetzt. «Sie beeinflussen Wähler», sagt der renommierte Statistiker Nate Silver (37). Jeder Streit um Trump hilft Trump. Solange der Hype anhält, ist er im Gespräch. Dann steigen seine Werte, und dann folgen ihm Wähler womöglich bis an die Urne. Deshalb verlangt er total Unrealistisches – wie etwa die Deportation von elf Millionen illegal in den USA lebenden Mexikanern.
Vor Trump gab es bereits US-Präsidentschaftskandidaten, die bei Umfragen vorne lagen, an den Urnen aber scheiterten. Etwa Howard Dean (67) im Jahr 2008. Möglich, dass Gouverneur Chris Christie (53) aus New Jersey Trump abfängt. Oder die Senatoren Marco Rubio (44) aus Florida und Ted Cruz (45) aus Texas. Vielleicht der Sohn und Bruder bisheriger Präsidenten, Jeb Bush (62). Um Trump zu stoppen, müssen sie aber seine krude Rhetorik übernehmen. Wovon nur eine profitieren wird: Hillary Clinton.