Von Peter Hossli
1 Amerika wählt die beste Story Kennedy war der erste Katholik im Weissen Haus, Obama der erste Schwarze. Hillary Clinton (67) wäre die erste Frau. Doch ihre Geschichte ist weit fesselnder. Die ehemalige First Lady käme als Präsidentin zurück, als betrogene Gattin, Ex-Senatorin und Ex-Aussenministerin. Jedem Mädchen sagt sie so: Du kannst alles sein, sogar die mächtigste Person der Welt. Eine bessere Story hat niemand.
2 Die Presse hasst sie Hillary mit Häme zu übergiessen, ist für amerikanische Journalisten Volkssport. Stoisch steckt sie alles weg. Die Erfahrung zeigt ihr: Je mehr Dreck sie abbekommt, desto höher sind ihre Chancen auf einen Wahlsieg.
3 Sie ist wandelbar Nicht die Stärksten überleben, nicht die Intelligentesten, sondern jene, «die sich am ehesten dem Wandel anpassen können», schrieb der Biologe Charles Darwin (1809–1882). Hillary ist ein Chamäleon. Haare, Kleidung und Make-up passte sie stets der Stimmung im Land an. Je nach Windrichtung war sie für, dann gegen den Irak-Krieg; gegen, dann für Homo-Ehen; für, dann gegen milde Strafen.
4 Barack Obama Er entfachte grosse Hoffnungen, erfüllte aber die wenigsten. Nun will Amerika keinen Staatschef mehr, der den Job erst im Weissen Haus lernt. Niemand ist besser vorbereitet und erfahrener als Hillary. Obama hinterlässt ihr aber auch eine brummende Wirtschaft. Das erhöht die Chance der Demokratin.
5 Crazy Train Als «Zug der Verrückten» bezeichnen Politologen Hillarys republikanische Gegner. So will Rand Paul (52) die US-Steuerbehörde schliessen. Ted Cruz (44) erachtet «bewaffneten Widerstand gegen die US-Regierung» für zulässig. Vermutlich schicken die Republikaner Jeb Bush (62) ins Rennen. Ideal für Clinton – sie wäre nicht mehr die Einzige aus einer alten Politiker-Dynastie.
6 Siebzig ist das neue fünfzig Wird sie gewählt, wäre Hillary mit 69 Jahren nach Ronald Reagan (1911–2004) zweitältester US-Staatschef beim Amtsantritt. Damit spricht sie eine wachsende Gruppe an: die aktiven Alten. Längst ist 70 das neue 50. Ohnehin hilft die Demografie den Demokraten. Republikanisch wählende Weisse schrumpfen zur Minderheit, verdrängt von Latinos und Asiaten. Sie bevorzugen Liberale wie Clinton. Zudem gibt es viel mehr Wählerinnen als Wähler. Beim Urnengang im Jahr 2012 gingen 61,6 Millionen Männer an die Urne – und 71,4 Millionen Frauen. In allen Umfragen liegt Hillary bei Frauen weit vorne.
7 Wall Street und Hollywood mögen sie Es gibt in Amerika drei Zentren der Macht: Politik in Washington. Banken an der New Yorker Wall Street. Unterhaltung in Hollywood. Banker hat sie auf ihrer Seite, da sie schonende Gesetze für sie ermöglicht hat. Regisseure und Stars sind so liberal wie sie. Beide Gruppen sind für Hillary wichtig, um die 2,5 Milliarden Franken zu sammeln, die ihr Wahlkampf kosten wird.
8 Ein offenes Buch Morde soll sie angestiftet, Ämter missbraucht, einen US-Botschafter auf dem Gewissen haben – unzählig die Skandale, die man ihr andichtet. Beweisen konnte man nie etwas. Böse Überraschungen gibt es kaum.
9 Grossmutter statt Superstar Hillary ist weltberühmt. Im Wahlkampf aber zeigt sie sich menschlich. Sie schwärmt von ihrer Enkelin: «In nur wenigen Monaten hat Charlotte es geschafft, dass ich die Welt mit anderen Augen sehe.»
10 Bill Es gibt keinen wirkungsvolleren Politiker als Ex-Präsident Bill Clinton (68). Er weiss, wie Wähler fühlen, welche Botschaften ankommen. Vor allem weiss er: Dies ist Hillarys Moment. Deshalb wird er alles tun, um erster «First Gentleman» zu werden. Zumal auch er damit Geschichte schreiben würde.