Von Peter Hossli
Politiker, die am Fernsehen punkten, sehen meist gut aus. Blendend sah Mitt Romney vorletzte Nacht im ersten TV-Duell mit Barack Obama aus. Seine rote Krawatte zog die Blicke auf ihn. Obamas blauer Schlips hingegen verschwand chamäleonartig im blauen Hintergrund.
Romney (65) wirkte vitaler und jünger als Obama (51). Für den Auftritt hatte er sein volles Haar kurz geschnitten und zurückgekämmt. Obama schien grauer, fahler. Romney griff an, sprach weniger akademisch als Obama. Kurz: Romney war telegener.
Dennoch ist der Präsident klarer Sieger des Duells. Ihm gelang, was Kandidaten mit grossem Vorsprung in den Umfragen gelingen muss: Er vermied Fehler. Es blieb kein Zitat hängen, das ihm schaden könnte.
Die Debatte enttäuschte weitgehend, war die wohl langweiligste, seit TV-Duelle zwischen US-Präsidentschaftskandidaten live übertragen werden (ab 1960). Misstritte fehlten. Beide Kandidaten spulten auswendig gelernte Sätze ab. Vieles hatten sie schon gesagt. Moderator Jim Lehrer (78) versäumte es in seiner elften Präsidentschaftsdebatte, freche Frage zu stellen.
Das Zwiegespräch gemahnte an Vorlesungen, die keiner gerne besucht – voll trockener Fakten, Statistiken, widersprüchlicher Analysen. Zu hören waren längst bekannte Positionen.
Romney will Steuern senken, damit Firmen Jobs schaffen. Obama hofft, die hohe Arbeitslosigkeit mit staatlicher Hilfe zu lindern. Das dazu nötige Geld treibt er bei den Reichen ein.
Romney rügte Obama, sich nicht forsch genug mit der stotternden US-Konjunktur befasst zu haben. Obama entgegnete, er hätte Amerika in kritischer Verfassung übernommen – und es vor Schlimmerem bewahrt. Obama versprach schärfere Regeln für Banken. Romney will die Wall Street entlasten.
Beide sehen die Sicherheit ihrer Bürger als zentrales Anliegen eines US-Präsidenten. Romney will das Militärbudget erhöhen. Obama bevorzugt taktische Einsätze.
Beide erzählten abgedroschene Anekdoten aus ihrem Wahlkampf. Von der arbeitslosen Mutter in Ohio. Der Lehrerin mit 42 Schülern. Vom autistischen Kind.
Kaum war das Duell zu Ende, traten die Gattinnen der Redner auf die Bühne, herzten ihre Männer. Die können es gebrauchen. Es hagelt Kritik. «Der Präsident zeigte keine Leidenschaft», schrieb etwa Charles Blow in der «New York Times».
Verändert hat sich indes wenig. Einen Monat vor der Wahl wissen die meisten Amerikaner, wen sie wählen. Obama ist kaum zu schlagen. Misst er sich am 16. Oktober ein zweites Mal mit Romney, wird er erneut versuchen, Fehler zu vermeiden.