Pyrrhussieg für Obama

Der Oberste Gerichtshof segnet die Gesundheitsreform von Barack Obama ab. Doch was ist dieser Sieg politisch wirklich wert?

Von Peter Hossli

supreme_courtGrosse Überraschung gestern in Washington. Der Oberste Gerichtshof der USA erklärte das Kernstück der 2010 vom Kongress verabschiedeten Gesundheitsreform für verfassungskonform. Damit kommen rund 33 Millionen unversicherter Amerikaner in den Genuss einer Krankenkasse.

Das Verdikt fiel äusserst knapp aus. Bloss fünf der neun Bundesrichter erachteten das Kassenobligatorium als legal.

Als «Sieg für das amerikanische Volk» feiert US-Präsident Barack Obama (50) das Urteil. Er dürfte erleichtert sein. Die Reform des amerikanischen Gesundheitswesens war sein zentrales innenpolitisches Vorhaben. Bei einem gegenteiligen Entscheid hätte der Präsident politisch angeschlagen und ohne zählbaren Erfolg um seine Wiederwahl ringen müssen.

Gleichwohl birgt das Urteil etliche Fallstricke. Es könnte zu einem Pyrrhussieg für Obama werden, einem hart errungenen Erfolg mit einem hohen politischen Preis.

Grundsätzlich untersagt es die US-Verfassung, Amerikaner zum Kauf eines Gutes zu zwingen. Nun aber haben die obersten Richter die Kassenpflicht als eine Art Steuer deklariert, nicht jedoch als Gut. Steuern erheben darf der Kongress.

Pikant: Urheber des Kniffs ist der Vorsitzende des Richter­gremiums, der erzkonservative John Roberts (57). Er drückte das Wort «Steuer» ins Urteil.

Schon wenige Minuten nach Bekanntgabe des Entscheids meldeten sich die Republikaner zu Wort. «Dieses Gesetz ist eine Steuererhöhung, die amerikanischen Bürger sind getäuscht worden», polterte der republikanische Senator Mitch McConnell (70). Seine Kampfansage: «Wir werden dieses schreckliche Gesetz bodigen und durch etwas Besseres ersetzen.»

Der republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney (65) doppelte nach: «Ich habe immer gesagt – Obama­care ist ein miserables Gesetz.»

Bis zum Wahltag am 6. November dürfte Romney den Präsident als Steuereintreiber beschimpfen. Er weiss: Nichts mobilisiert an Wahltagen mehr Republikaner als das Schreckgespenst höherer Steuern. Nebensächlich werden da die vielen Unversicherten.