Von Peter Hossli
Computer-Spezialisten von vielen Schweizer Banken schieben derzeit Überstunden. Sie rüsten ihre Zahlungssysteme für Negativzinsen auf ausländische Einlagen nach – und bereiten damit eine Notmassnahme vor, welche die Schweiz zuletzt in den 70er-Jahren erlebte.
Bei Negativzinsen erheben Banken erhöhte Gebühren auf Einlagen. Das Ziel: Ausländer sollen im Ausland verdientes Geld nicht in Franken wechseln.
Grossbanken, Regional-, Privat- und Kantonalbanken bereiten sich darauf vor. «Wir haben in den letzten Monaten technische Anpassungen vorgenommen, um im Fall einer Einführung von Negativzinsen bereit zu sein», sagt der Sprecher der Zürcher Kantonalbank, Igor Moser. Ähnlich tönt es in Basel. «Das Banksystem der Basler Kantonalbank würde die Verarbeitung von Negativzinsen mit relativ wenig Arbeitsaufwand zulassen», sagt Mats Bachmann von der BKB.
Die Neue Aargauer Bank (NAB), Tochter der Credit Suisse, hat bereits geübt. «Wir spielten das Szenario mit unserem Mutterhaus durch», sagt NAB-Sprecher Christoph Steiner. «Nicht über Nacht, aber innerhalb weniger Tage könnten wir Minuszinsen einführen.»
Noch im Herbst hätte die UBS die Strafzinsen nicht realisieren können. Heute allerdings schon. «Wir haben unsere Systeme in den letzten Monaten technisch so angepasst, dass sie reibungslos mit einem Minuszins umgehen könnten», sagt UBS-Sprecher Andreas Kern, betont aber: «Wir haben nicht vor, unseren Kunden Negativzinsen zu verrechnen.»
Auch Pictet, Credit Suisse und Berner Kantonalbank (BEKB) wären bereit. «Unsere Banksoftware ist seit mehreren Jahren technisch in der Lage, Negativzinsen zu berechnen», so BEKB-Sprecherin Catherine Duttweiler. «Dies ist für uns derzeit aber kein Thema.»
Vorerst gibt es nur Gerüchte. Am Donnerstag etwa bröckelte der Franken. Devisenhändler wollen gehört haben, die Schweizerische Nationalbank (SNB) denke über Negativzinsen für ausländische Einlagen nach. Dazu sagt die SNB nichts. Sie könnte Minuszinsen für ihre Sichtguthaben einführen – für Gelder, die ausländische Finanzhäuser bei ihr deponieren.
Um den Banken Negativzinsen zu verordnen, braucht es gesetzliche Grundlagen, sagt ein Sprecher des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD). Der Bundesrat könnte sie mit einem dringlichen Beschluss einführen. Danach müsste sie noch das Parlament absegnen.
Zinsen auf Guthaben zahlen müssten private und juristische Personen mit Steuersitz im Ausland. Hier lebende Ausländer wären nicht betroffen. Schweizer, die im Ausland leben, dort Steuern zahlen und noch ein Konto in der Schweiz haben, aber schon.
Minuszinsen gehören zu den Notfall-Szenarien für einen Exit Griechenlands aus dem Euro. Nach dem «Grexit» ist mit einer globalen Flucht in den Franken zu rechnen, gefolgt von einer Aufwertung. Um die zu stoppen, müsste die Nationalbank massiv Euros kaufen – oder eben Minuszinsen einführen.
Bern weiss das. «Nationalbank und Bund erwarten in ihren Basis-Szenarien kein Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone», sagt EFD-Sprecher Daniel Saameli. «Sie können ein solches aber nicht völlig ausschliessen.» Seit einiger Zeit existiert eine Taskforce aus Vertretern von EFD, Volkswirtschaftsdepartement und SNB. Sie prüft «ergänzende flankierende Massnahmen zur Bekämpfung der Frankenstärke», sagt Saameli. Dazu dürften Negativzinsen gehören.
Ihr Nutzen wäre gering. Franken werden global gehandelt. Negativzinsen gelten nur für Einlagen in der Schweiz. Ausländer, die in den Franken fliehen wollen, können Frankenkonten in Berlin, Barcelona oder Brüssel eröffnen. «Deshalb ist die Massnahme nicht durchsetzbar, sie bringt nichts», glaubt der Sprecher der Schweizerischen Bankiervereinigung, Thomas Sutter.