Es gibt noch Differenzen, wie viel die Schweiz zahlen muss

Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf geht nach zwei Treffen in Washington davon aus, dass in den USA keine weiteren Banken angeklagt werden.

widmer_schlumpf_holderEs ist 15.08 Uhr in Washington D. C. In Bern ist es bereits nach 21 Uhr. Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf (56) betritt zusammen mit dem neuen Nationalbank-Präsidenten Thomas Jordan den Presseraum auf dem Gelände der Weltbank in der US-Hauptstadt.

Die Finanzministerin zeigte sich zufrieden über ihren Aufenthalt an der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF).

Sie erklärte zudem, dass sie am Rande der Konferenz bilaterale Gespräche mit US-Finanzminister Timothy Geithner und US-Justizminister Eric Holder geführt hatte: «Der Rahmen war sehr konstruktiv.» Auf der Traktandenliste stand der festgefahrene Streit um unversteuerte US-Vermögen auf Konten von Banken in der Schweiz. Am Treffen mit Holder beteiligten sich auch Staatssekretär Michael Ambühl und Manuel Sager, Schweizer Botschafter in den USA. Sonntags-Blick sprach unmittelbar nach der Pressekonferenz mit der Bundespräsidentin.

Frau Bundespräsidentin, worüber haben Sie mit US-Justizminister Eric Holder gesprochen?
Eveline Widmer-Schlumpf: Wir haben über die möglichen Lösungen im Steuerstreit gesprochen. Es ist ja so, dass in den USA sowohl das Justizministerium von Herrn Holder ebenso zuständig ist wie die Steuerbehörde und das Finanzministerium unter der Leitung von Herrn Geithner, den ich ebenfalls getroffen habe. Man muss immer mit beiden diskutieren können.

Wie nah sind wir an einer Lösung im Steuerstreit mit den USA?
Es gibt noch Differenzen im Bereich der Kundenidentifizierung. Wir haben in unserem Recht ganz klare Regelungen. Es gibt auch in Bezug auf die Höhe der Schweizer Zahlung bei einer möglichen Globallösung noch Differenzen.

widmer_schlumpf_holder2Wie sieht die Lösung denn aus? Ein Abkommen, das alle Banken einschliesst – oder muss jede Bank einzeln verhandeln?
Jede der elf betroffenen Banken wird nach ihrer tatsächlichen Situation bewertet werden müssen. Um eine Globallösung überhaupt möglich zu machen, haben wir uns entschlossen, über diese Lösung in den nächsten Monaten nichts mehr zu sagen.

Können Sie nach Ihren Treffen in Washington weitere Klagen gegen Schweizer Banken ausschliessen?
Wir haben keinen Anlass, davon auszugehen, dass es noch einmal eine Anklage gibt. Ausschliessen kann man das in unserer heutigen Welt nie.

Wann erwarten Sie einen Abschluss des Steuerstreits mit Amerika?
Wir hoffen, dass wir bis Ende 2012 eine Lösung haben.

widmer_schlumpf_holder31Der US-Steueranwalt Bill Sharp sagte zu SonntagsBlick: «Erst wenn die Referendumsfrist für das Doppelbesteuerungsabkommen in der Schweiz abgelaufen ist, gibt es Bewegung.» Die US-Regierung bereite «aggressiv Klagen gegen Schweizer Banken und Banker vor».

Eveline Widmer-Schlumpf gab zudem bekannt, im Namen des Bundesrats mit Polen eine Vereinbarung über die Führung der Stimmrechtsgruppe abgeschlossen zu haben, der die Schweiz zusammen mit weiteren Ländern im IWF und der Weltbank angehört.

Die Schweiz behalte die Führung und vertrete die Gruppe in den Ministergremien. Im Gegenzug erhält Polen alle zwei Jahre den Sitz im IWF-Exekutivrat, dem operativen Entscheidungsgremium. Jordan erklärte erneut, den Mindestkurs zum Euro von Fr. 1.20 «unter allen Umständen» durchzusetzen.

Von Peter Hossli, Roman Seiler und Korrespondenten