Von Peter Hossli (Text) und Stefan Falke (Foto)
Mit einer einzigen Unterschrift startete Barack Obama Mitte März einen wüsten Handelskrieg. Demokratische Parlamentarier hatten einem Ausgabenpaket einen Zusatz angehängt, der ein Programm stoppt, das es mexikanischen Lastwagen erlaubt, Güter innerhalb der USA zu transportieren. Ab sofort sind Transportunternehmer aus dem südlichen Nachbarland Amerikas gezwungen, Waren an der Grenze auf US-Trucks umzuladen.
Mexikanische Lenker, lautete die Begründung für die Schikane, würden weit gefährlicher fahren als ihre amerikanischen Kollegen. Das neue Gesetz vermindere Verkehrstote. Dafür starkgemacht hatten sich die Teamster, die Gewerkschafter der Trucker. Sie fürchteten die günstigere Konkurrenz aus dem Süden, obwohl unter dem als Probelauf gedachten Programm nur gerade 100 Laster in das amerikanische Landesinnere fahren durften.
Mexiko lässt sich die Tücke vom wichtigsten Handelspartner nicht bieten. «Die Vereinigten Staaten verhalten sich protektionistisch und verletzten Freihandelsabkommen», wehrte sich der mexikanische Wirtschaftsminister Gerardo Ruiz Mateos. Just schlug er Importzölle auf neunzig Produkte. Zwischen 10 und 45 Prozent teurer werden nun Zwiebeln und Rotwein aus Kalifornien, Rasierschaum von Procter & Gamble, Reis aus Louisiana und Weihnachtsbäume aus Vermont. Betroffen sind 40 Bundesstaaten. «Ich will möglichst viele Staaten treffen», sagte Mateos, als er die Strafzölle bekannt gab.
Medien sprechen von «Handelskrieg»
Von einem «Mini-Handelskrieg» ist in der US-Presse die Rede. Andere sprechen von «Obamas erstem Krieg». Dabei unterstreicht der Zwist das komplexe Verhältnis zweier Nachbarn. An der hohen Grenzmauer tobt ein blutiger Drogenkrieg, der auf mexikanischer Seite bereits 7000 Tote gefordert hat.
Süchtige Amerikaner und Schusswaffen aus den USA seien schuld, sagen Mexikaner. Ein Grossteil der 12 Millionen Illegalen in den USA stammt aus Mexiko. Mit günstiger Arbeit halten sie die US-Wirtschaft in Gang. Da Mexiko wirtschaftlich von den USA abhängt, trifft die Rezession im Norden das Land im Süden besonders hart. Geld, das mexikanische Arbeiter in ihr Heimatland senden, versiegt. Schätzungsweise 65 000 amerikanische Fabrikarbeiter, die günstige Güter für Amerikas Supermärkte fertigen, haben im Zuge der Finanzkrise ihren Job verloren. Einen Viertel des Wertes hat der Peso gegenüber dem Dollar eingebüsst. Um 5 Prozent soll Mexikos Wirtschaft dieses Jahr schrumpfen, glauben Ökonomen. Derweil halten Berichte über den Drogenkrieg amerikanische Touristen von mexikanischen Stränden fern.
Für Mexiko ist nicht in Erfüllung gegangen, was sich das Land vom 1994 unterzeichneten Freihandelsabkommen Nafta mit den USA und Kanada erhofft hatte. Zwar vervierfachten sich die mexikanischen Exporte auf jährlich nahezu 300 Milliarden Dollar. Noch ist das Land aber nicht in der Lage, genügend Arbeit für alle bereitzustellen. Jährlich verlässt eine halbe Million das Land, um in den USA Tomaten zu ernten, Teller zu waschen oder Töchter von Amerikanern zu betreuen.
25 Prozent Importzoll auf Metallen
Der Vorstoss gegen mexikanische Lastwagenfahrer ist längst kein Einzelfall. Ende Januar verabschiedete das US-Repräsentantenhaus ein Gesetz, das einen Importzoll von 25 Prozent auf ausländische Metalle verlangt. Dem unlängst gutgeheissenen Wirtschaftankurbelungsprogramm hängten populistische Parlamentarier eine Klausel an, die bei öffentlichen Bauprojekten «nur amerikanische Materialien» vorsieht.
Allein steht der einstige Freihandelsapostel nicht da. Weltweit wachsen Handelsschranken. Freihandelsabkommen werden negiert oder mit Barrieren versehen. 17 Länder der G-20 haben seit vergangenem November 47 Verordnungen verabschiedet, die freien Handel beeinträchtigen, geht aus einem neuen Bericht der Weltbank hervor.
Dabei gelobten die mächtigsten zwanzig Wirtschaftsnationen bei ihrem letzten Treffen, trotz Finanzkrise von protektionistischen Massnahmen abzusehen. Viele brachen ihr Wort. So hat China den Import von irischem Schweinefleisch, belgischer Schokolade, italienischem Schnaps, britischen Saucen, holländischen Eiern und spanischer Milch untersagt. Indien lässt keine chinesischen Spielzeuge mehr ins Land. Das riesige Inselreich Indonesien öffnet für die Einfuhr von Gütern nur noch fünf Häfen. Weltweit überschütten Staaten ihre Autohersteller mit Subventionen.
Im Aufwind sind Einschränkungen bei der Zulassung ausländischer Arbeiter, schreibt die Weltbank. In der EU und insbesondere in Grossbritannien würden die Gewerkschaften striktere Zulassungen für Ausländer fordern. Bei der Forderung blieb es in Malaysia nicht. Der südostasiatische Staat untersagt es Arbeitgebern, in Fabriken, Läden und in Restaurants ausländische Kräfte zu beschäftigen.
Ausdrücklich lobt die Weltbank hingegen die Schweiz. Mit der Ausweitung der bilateralen Verträge nach Osteuropa habe das Stimmvolk dem Protektionismus getrotzt.