Verzocken mit Biosprit

Verheissungsvoll war ursprünlich die Idee: Maisethanol würde Amerika von der Ölabhängigkeit befreien. Milliarden von Investoren lösten im Mittleren Westen einen Goldrush aus. Der ist mit dem Bankrott vieler Ethanol-Raffinerien verebbt.

 Von Peter Hossli

plant.jpgBitterkalt war es in Jefferson, Wisconsin, Ende Januar. Auf den Maisfeldern standen nur noch Stummel. Öder wurde der Tag im Mittleren Westen als Renew Energy ein Konkursverfahren einleiten liess. 191 Millionen Dollar Schulden hat eine der grössten amerikanischen Ethanolkonzerne in sechs Geschäftsjahren angehäuft. Zuletzt fehlte das Kapital, um Mais zu kaufen, Ethanols Grundstoff.

Es ist kein Einzelfall. Letzten Oktober meldete der zweitgrösste US-Ethanolproduzent Vera Sun mit Sitz in South Dakota Pleite an. Der Verlust betrug über 100 Million Dollar. Ein geplanter Börsengang scheiterte. Ende Februar sollen fünf Anlagen verkauft werden – für einen Viertel des Baupreises. Northeast Biofuels in Fulton im Bundesstaat New York erklärte im Januar Bankrott. Die Firma fand keine Investoren, um den Bau einer geplanten Ethanolraffinerie zu finanzieren. Von 180 Anlagen wurden in den letzten drei Monaten 24 stillgelegt, sagt der Branchenverband Renewable Fuel Association.

Anfangs 50 bis 100 Prozent Rendite

Ernüchterung ist eingetreten um den Brennstoff, den Energieanalysten vor wenigen Jahren noch zum Ersatz für Benzin erklärten. Genug Mais wachse im Mittleren Westen, um Amerikas Wagenflotte mit Biosprit zu versorgen, hiess es etwa. Ein regelrechter Goldrush erfasste die Staaten der Korn- und Maisgürtel Amerikas. Mit staatlicher Hilfe wurden Ethanolraffinerien errichtet. Farmer in Iowa, Illinois und Indiana legten ihre Ersparnisse in Ethanol-Kooperativen an. Jährliche Renditen zwischen 50 und 100 Prozent erzielten sie anfänglich.

Die Zukunft schien rosig. Der US-Kongress verabschiedete ein Gesetz, das bis 2015 eine Verdoppelung des Maisethanols auf 15 Milliarden Gallonen verlangt. Zusätzlich trieben hohe Öl- und Benzinpreise die Gewinnmarge der Ethanolproduzenten in luftige Höhen. Niemand wollte den rollenden Zug verpassen. Microsoft-Gründer Bill Gates erwarb im November 2005 für 84 Millionen Dollar Anteile an Pacific Ethanol in Kalifornien.

Diese Blase ist geplatzt. Pacific Ethanol legt Anlagen still. Kostete das Fass Erdöl letzten Sommer noch 145 Dollar, ist es heute für unter 40 Dollar zu haben. Bis auf 4,11 Dollar im Schnitt kletterte der Preis pro Gallone. Darob schrumpfte die Nachfrage nach Brennstoffen. Autofahrer hielten Ausschau nach billigeren Alternativen. Sie wurden bei Maisalkohol fündig.

Amerikaner fahren weniger Auto

Mittlerweile kostet die Gallone Benzin nicht mal 2 Dollar. Trotzdem fahren Amerikaner weniger als vor der Wirtschaftskrise. Kaum über das Niveau von 2005 dürfte in den nächsten zwei Jahren der Benzinverbrauch steigen, schätzt die US-Regierung.

Das verdüstert die Aussichten für Ethanolproduzenten. Noch verkehren zu wenige Autos, die E85 tanken können, eine Mischung aus 85 Prozent Ethanol und 15 Prozent Benzin. Während die angeschlagenen US-Konzerne Ford, Chrysler und General Motors etliche solcher Wagen fabrizieren, hat Toyota gerade zwei davon im Sortiment. Zu engmaschig ist das Tankstellennetz. Maximal zehn Prozent Ethanol dürfen regulärem Benzin beigemischt werden. Dampfen die existierenden Raffinerien weiter, übersteigt die Menge Ethanols bald zehn Prozent des Benzinbedarfs. Da dafür kein Absatzmarkt existiert, brechen die Preise weg

Nahrungsmittel als Folge verteuert

Gewinne verkümmern, zumal der Ethanolrohstoff Mais sich zwar verbilligt hat, aber weit weniger dramatisch. «So lange Erdöl so günstig ist, ist es schwierig, mit Ethanol Gewinne zu erzielen», sagt Professor Wally Tyner, ein auf Energie spezialisierter Ökonom der Purdue University in Indiana. «Das ändert sich erst, wenn die weltweite Rezession vorbei ist.»

Derweilen wächst die Kritik an Ethanol-Subventionen aus der Lebensmittelbranche. Da Mais an Vieh verfüttert wird, würden staatliche Stützen die Preise für Fleisch in die Höhe treiben. Zehn Prozent der Teuerung bei Esswaren sei auf Ethanol zurückzuführen, so die Organisation «Food Before Fuel» («Nahrung kommt vor Treibstoff»).

Drei Milliarden Dollar an Steuervergünstigungen hätten die Spirithersteller 2007 erhalten, viermal mehr als alle anderen Hersteller von alternativer Energie, leitartikelt Matthew Enis im Magazin «Supermarket News». Er fordert Präsident Barack Obama auf, die Subventionen zu kippen. Zumal die Energiebilanz von Ethanol fragwürdig sei. Düngung, Transport und Verarbeitung des Maises würde mehr Energie verbrauchen als erzeugen.

Konsolidierung erwartet

Passé sei die Faszination für Ethanol, sagt Ökonom Wally Tyner. «Die Produktion hat bei 13 Milliarden Gallonen ihren Höhepunkt erreicht, es wird kein Wachstum mehr geben.» Zu gross seien die Probleme mit Ethanol, sowohl in wirtschaftlicher wie ökologischer Hinsicht. Er prophezeit eine Konsolidierung. Konglomerate wie Archer Daniel Midland würden viele bankrotte Raffinerien zum Bruchteil der Ausgaben aufkaufen und sie von Kapitalkosten befreit betreiben. «Maisethanol ist eine Energie der Vergangenheit», sagt Tyner.