Kennedy-Dynastie am Ende

New York rätselt, warum Caroline Kennedy nicht mehr Nachfolgerin von Hillary Clinton werden wollte. Für die politische Kaste geriet das Hickhack zur peinlichen Farce.

Von Peter Hossli

caroline1.jpgAm Dienstag, dem Tag von Barack Obamas Antrittsrede, schien klar: Caroline Kennedy (51) beerbt Aussenministerin Hillary Clinton und vertritt New York künftig im US-Senat. Zumindest liess das New Yorks Gouverneur David Patterson an Partys durchblicken, auf denen er in Washington tanzte. Ihm allein obliegt es, einen freien Senatssitz zu besetzen.

Doch bereits am Mittwoch trübte Chaos die politische Szene New Yorks. Um 19 Uhr verbreitete die «New York Times» die Nachricht, Kennedy ziehe ihre Bewerbung zurück. Kurz darauf zitierte der Fernsehsender NBC «Leute im Umfeld Kennedys», die Tochter des 1963 ermordeten Präsidenten John F. Kennedy wolle doch noch Senatorin werden.

Am Nachmittag hatte sie den Gouverneur angerufen: «Persönliche Gründe» würden sie davon abhalten, Senatorin zu werden, sagt sie. Patterson bat sie, ihre Entscheidung nochmals zu überdenken und räumte ihr 24 Stunden Bedenkzeit ein. Sie stünde weit oben auf der Kandidatenliste. Kaum war das Gespräch beendet, streuten jedoch Gehilfen des Gouverneurs die Geschichte. Kurz nach Mitternacht sagte Caroline Kennedy offiziell, sie stehe nicht mehr zur Verfügung.

So begann eine Schlammschlacht, «die alle mächtigen Leute für Jahre aufreibt, die New York jetzt dringend bräuchte», kommentierte «Daily News»-Reporter Ken Lovett. Der Kollaps von Onkel Edward Kennedy während Obamas Amtsantritt hätte sie zur abrupten Kehrtwende bewogen, hiess es zuerst. Dies wiederum trieb den an Krebs erkrankten Senator aus Massachusetts angeblich zu einem Wutanfall im Spital. Keinesfalls dürfe sein Leid eine sakrale Sache wie die Wahl eines Senators beeinflussen.

Caroline Kennedy hätte womöglich ihre Steuererklärungen nicht ordentlich ausgefüllt, lautete ein anderes Gerücht. Ihr Vermögen wird auf rund 100 Millionen Dollar geschätzt. Als Senatorin hätte sie alle Finanzen offenlegen müssen. Die «Daily News» wollte wissen, sie habe für ihre drei Kinder einst eine Nanny ohne Arbeitspapiere beschäftigt. Ein Delikt, das in New York kaum zu umgehen ist. Illegale Kinderfrauen leisten hier fast die gesamte ausserschulische Kinderbetreuung.

Für Staatsdiener werden Haushaltshilfen oft zu Stolpersteinen. Präsident Bill Clintons bevorzugte Kandidatin für das Justizdepartement scheiterte 1993 an einer illegalen Nanny. Nachfolger George W. Bush musste deswegen eine neue Arbeitsministerin und einen neuen Minister für innere Sicherheit suchen.

Caroline Kennedy wolle ihre Eheprobleme vor der Öffentlichkeit verbergen, behaupten die Murdoch-Medien «Fox News» und die «New York Post». Ihr Mann, der Künstler Edward Schlossberg, hätte gar mit Scheidung gedroht, falls sie nach Washington ziehen werde. Er hätte Carolines angebliche Affäre mit dem Herausgeber der «New York Times», Arthur Sulzberger, nicht überwunden.

«Kennedy gab auf, weil Patterson ihr das Amt nicht mehr geben wollte», sagte Internetpublizistin Arianna Huffington. Mit dem Rückzieher sei die sonst private Frau einer öffentlichen Demütigung zuvorgekommen. Ein «Ende der Kennedy-Dynastie» erwartet nun Ex-Reagan-Berater Tony Blankley. «Die Kennedys haben die Kandidatur von Caroline miserabel betreut.»

Ebenso peinlich ist die verkorkste Wahl für New York. Der Staat steckt in der schlimmsten Fiskalkrise seit den siebziger Jahren – und steht mit einer kraftlosen Politikkaste da. Vor einem Jahr trat der Rechnungsführer wegen einer Strafanzeige zurück. Der frühere republikanische Mehrheitsführer Joseph Bruno wurde am Freitag wegen Korruption angeklagt. Gouverneur und Saubermann Eliot Spitzer, einst ein Anwärter auf das Weisse Haus, besuchte und zahlte öfters Callgirls. Beschämt trat er ab. Kaum war Nachfolger Patterson vereidigt, gab er zu, Kokain zu mögen. Mehrmals betrog er seine Frau in billigen Motels. Angesichts des Sumpfes geriet am Freitag die Ernennung der 42-jährigen Anwältin Kirsten Gillibrand als Nachfolgerin Clintons zur Nebensache.