Von Lincoln zu Reagan

Die Antrittsreden grosser US-Präsidenten fielen meist auf Zeiten grosser Krisen.

Von Peter Hossli

washington.jpgGeschichte und die lahmende Wirtschaft verheissen Gutes für die etwa 15 Minuten lange Antrittsrede von Barack Obama. Je tiefer Amerika in einer Krise steckte, desto eloquenter fiel die Ansprache des Präsidenten aus. Bei der ersten Amtseinführung am 30. April 1789 war die Republik noch labil. Präsident George Washington hatte eben als General im Krieg die Briten besiegt. Den Vorschlag, er soll König der Neuen Welt werden, schlug er aus. Stattdessen machte er dem Volk die Unabhängigkeit mit hehren Worten schmackhaft: «Die Erhaltung der heiligen Flamme der Freiheit und das Schicksal des republikanischen Regierungsmodells werden richtigerweise als tiefgehend und endgültig angesehen.»

lincoln.jpgNach wie vor als glorioseste Inaugurationsrede gilt Abraham Lincolns Ansprache bei der zweiten Amtseinführung im April 1865 – kurz vor Ende des Bürgerkriegs zwischen Süd- und Nordstaaten und der Abschaffung der Sklaverei. Der siegreiche Lincoln betonte den Verlust und die Trauer, die der Krieg in das Land getragen hatte. «Mit Groll gegen niemanden, mit Nächstenliebe für alle, verankert in der Gerechtigkeit, geleitet von Gott, müssen wir uns anstrengen, die begonnene Arbeit zu beenden, die Wunden unserer Nation zu heilen, für den zu sorgen, der die Schlacht geschlagen hat, für seine Witwe und seinen Waisen – wir sollten alles tun, um einen anhaltenden Frieden unter uns selbst und mit allen anderen Ländern zu erreichen.»

fdr.jpgBei 25 Prozent lag die Arbeitslosigkeit, als Franklin D. Roosevelt im März 1933 sein Amt antrat. Mit einer flammenden Rede versuchte FDR die mentale Depression im Land zu beenden und Hoffnung zu machen. «Unser grösstes Ziel ist es, den Menschen wieder Arbeit zu bringen.» Deshalb verlangte der Präsident viel Spielraum von den Parlamentariern: «Ich werde beim Kongress das einzig übrig bleibende Instrument zur Bekämpfung der Krise beantragen: umfassende Handlungsvollmachten, um einen Krieg gegen den Notstand zu führen, so umfassende Vollmachten, wie ich sie bekommen würde, wenn wir tatsächlich von aussen angegriffen würden.» Roosevelt schloss mit der berühmtesten Phrase, die je aus dem Mund eines US-Präsidenten floss: «Das Einzige, wovor wir uns fürchten müssen, ist die Furcht an sich.»

kennedy.jpgEin Motiv, das John F. Kennedy 1961 bei seiner Amtseinführung angesichts einer drohenden nuklearen Katastrophe aufnahm: «Lasst uns nie aus Furcht verhandeln. Aber lasst uns auch niemals davor fürchten zu verhandeln.» Gleichzeitig trieb er das Volk zu grandiosen Leistungen: «Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann, fragt, was ihr für euer Land tun könnt.»

Dass es nach den düsteren 70er-Jahren wieder Morgen ist in Amerika, betonte 1981 der Ex-Schauspieler Ronald Reagan: «Wir können die Probleme, mit denen wir konfrontiert sind, bestimmt lösen. Warum sollten wir das nicht tun? Schliesslich sind wir Amerikaner.»