Das Star-Kabinett

Timothy Geithner als Finanzminister, Hillary Clinton als Aussenministerin. Mit der Auswahl seines Kabinetts schafft Barack Obama dringend notwendiges Vertrauen und gab den Aktienmärkten Auftrieb.

Von Peter Hossli

geithner.jpgNachdem am Mittwoch und Donnerstag der Dow-Jones-Index 10 Prozent eingebüsst hatte, fragten Anleger bestürzt: Worauf wartet Barack Obama? Investoren hatten gehofft, der designierte US-Präsident würde den Namen des künftigen Finanzministers rasch nennen und so Ruhe an die Börsen tragen. Obama zögerte. Stattdessen spekulierte die Nation über die Schule seiner Töchter.

Das änderte sich schlagartig am Freitagnachmittag. Um 15 Uhr sickerte durch, Obama berufe am Montag Timothy Geithner zum Finanzminister ins Kabinett. Just schnellten die Aktienkurse in die Höhe. Innert einer Stunde legte der Dow Jones um 6,5 Prozent zu.

Zweierlei bewirkt Obama mit Geithners Wahl: Er setzt der Ungewissheit ein Ende. Endlich hat der wohl wichtigste Posten seiner Regierung ein Gesicht. Zudem gilt der Vorsteher des New Yorker Zweigs der US-Notenbank als Wunschkandidat vieler. Über die Hochfinanz hinaus ist er zwar kaum bekannt, wird dort aber sehr geschätzt. Zumal Geithner die komplexen Innereien der Finanzkrise wie kein anderer kennt. Reichlich Respekt verdiente sich der 47-Jährige, als er unlängst die Sitzungen der Chefs der Wall-Street-Banken führte. Geithner und nicht Finanzminister Henry Paulson diktierte den Bankern die Konditionen für ein staatliches Rettungspaket.

Da der Sinologe und Politologe im Gegensatz zu seinem Vorgänger Paulson nie bei einer Wall-Street-Bank tätig war, wirkt er unbefangen. Ein zusätzliches Zeichen setzt Obama, indem er den Favoriten Lawrence Summers übergeht. Der hatte als Finanzminister unter Bill Clinton jene Deregulierung durchgedrückt, die viele für die Krise verantwortlich machen. Überdies spricht Timothy Geithner Chinesisch, was angesichts der Bedeutung Chinas für die amerikanische Staatskasse ein enormer Vorteil sein kann.

Geithner erfüllt zudem Obamas Absicht, «ein Superstar-Kabinett bestellen zu wollen», wie CNN-Korrespondentin Candy Crowley sagt. «Er will berühmte Leute, und er will fähige Leute.» Etwa Bill Richardson, der nun Wirtschaftsminister werden soll. Der Gouverneur von New Mexiko und einstige UNO-Botschafter verfügt über beste globale Beziehungen, mit denen er im Zuge der Finanzkrise drohende Handelsbarrieren abwenden will.

Mit dem Republikaner Robert Gates belässt Obama den amtierenden Ver-teidigungsminister wohl im Amt. Das überwindet Parteigrenzen – und sorgt für Konstanz in den Kriegszonen in Irak und Afghanistan. Als Ministerin für Innere Sicherheit ist Arizonas Gouverneurin Janet Napolitano vorgesehen, eine exzellente Beamtin.

Den namhaftesten Star aber holt Obama ins Aussenamt. Am Freitag liess Senatorin Hillary Clinton über die «New York Times» durchsickern, sie werde den Posten als Aussenministerin annehmen. Bekannt gegeben werde die Ernennung nach dem Erntedankfest, das Amerika am Donnerstag feiert.

Damit geht ein absurdes Gezänk zu Ende, das Berater mit Verve austrugen. Sie debattierten, ob Hillary und somit Bill Clinton nicht doch zu viel Drama ins Weisse Hause trügen. Leitartikler schrieben sich die Finger wund, progressive Blogger waren entsetzt, dass Obama die einstige Widersacherin zur Repräsentantin Amerikas in die Welt schickt. Es sah so aus, als ob sich die Demokraten wie so oft selbst zerfleischen. Die «Clintons haben für Amerika Hervorragendes geleistet», beruhigte der politische Komiker Bill Maher. Hillary sei weltweit angesehen und beliebt.

Es sei an Obama, «aus den Stars ein funktionierendes Team zu formen», sagte Harvard-Professor David Gergen. Zumindest unterstreicht der nächste US-Präsident mit dem Angebot an Clinton seine Selbstsicherheit. Hillary Clinton hingegen ersetzt die Hinterbank im Kongress nur zu gerne mit der Weltbühne. Noch Jahre hätte sie auf den Vorsitz einer einflussreichen Senatskommission warten müssen.

Demütig gibt sich Gatte Bill. Der Ex-Präsident legt die Namen von über 200 000 Spendern für das Museum in Arkansas und seine Stiftung offen und verzichtet künftig auf gut bezahlte Vorträge, sollten sie die Interessen der US-Regierung und Hillary untergraben.

Doch was macht der betriebsame Bill sonst mit der freien Zeit? Die originellste Idee hatte Ronald Reagans Ex-Berater Tony Blankley. «Bill erhält Hillarys Senatssitz, den er 2010 gegen Rudolph Giuliani verteidigen muss.» Wahrlich eine Traumvorstellung für politische Junkies.