Kampf an zwei Fronten

Der Fall UBS vs. USA geht in die nächste Runde: Schweizer Behörden und UBS kooperieren mit den US-Steuerfahndern, um das Bankgeheimnis aus der Schusslinie zu nehmen. In der Schweiz fordert Nationalbank-Vizedirektor Philipp Hildebrand neue Regulierungen.

Von Brigitte Strebel und Peter Hossli

«Wir reden kaum über den Fall Birkenfeld», sagt der New Yorker UBS-Mitarbeiter leicht genervt, «die Leute haben genug von negativen Schlagzeilen über unsere Bank.» Der UBS-Mann darf beruhigt sein: Nachdem Bradley Birkenfeld gesungen und seine Mithilfe am Steuerbetrug zugegeben hat, ist der nur noch eine Fussnote in der jüngsten Krise der UBS. Birkenfeld wird darauf hoffen, möglichst weit unter der Maximalstrafe von fünf Jahren Gefängnis davonzukommen, wird nach der Verurteilung, wie bei reuigen «White-Collar»-Kriminellen üblich, ein paar Wochen Zeit erhalten, seine persönlichen Angelegenheiten zu regeln, um dann hinter Gittern zu verschwinden – das Ende einer kurzlebigen globalen Medienprominenz.

Nun sind es die Schweizer, welche den direkten Kontakt zu den Amerikanern suchen – fast so, als hätten sie sich plötzlich aus einer wochenlangen Erstarrung gelöst. Vergangene Woche weilte Urs Roth, Chef der Schweizer Bankiervereinigung, zufällig in New York, traf sich mit Vertretern des Finanz- und des Justizdepartements sowie der Notenbank und gibt nach diesen Gesprächen so etwas wie eine erste Entwarnung: «Der Fall UBS gab wenig zu reden», sagt er, und es sei auch keine Attacke der USA gegen die UBS im Gange: «Die Schweizer Bank beschäftigt dort 30 000 Angestellte, mehr als in der Schweiz. Diese Arbeitsplätze will niemand gefährden.»

Dazu freilich muss die Bank, muss die Schweiz ein Pfand hergeben. «Die US-Behörden sind sehr ermutigt durch das Geständnis Birkenfelds», sagt der Bankenexperte John C. Coffee (siehe Interview rechts), «jetzt wollen sie neben dem Russen Igor Olenicoff weitere grosse Fische überführen.» Diese Kundschaft, welche ihr Geld am US-Fiskus vorbei via die Schweiz auf Offshore-Konten verschiebt, haben die Steuerfahnder im Visier. Jene Länder also, mit denen die USA kein sogenanntes Qualified Intermediary Agreement (QI) abgeschlossen haben, welches Steuerabgaben auf Kapitalgewinne vorsieht. Unter diese Kategorie fällt etwa das Fürstentum Liechtenstein.

Und mittlerweile ist auch klar, dass die UBS dazu Hand bieten wird. In einer offiziellen Stellungnahme heisst es: «Die UBS arbeitet eng mit den Schweizer und den US-Behörden zusammen, um in jenen Fällen umgehend Informationen bereitstellen zu können, in denen der Verdacht besteht, dass solche Offshore-Gesellschaften und deren US-Wertschriftendepots mit der Absicht gegründet und betrieben wurden, in den USA Steuerbetrug zu begehen.»

Da der Tatbestand des Steuerbetrugs durch das Schweizer Bankgeheimnis nicht gedeckt ist, verfolgt diese Taktik auch das Ziel, das wohl bekannteste Schweizer Gesetzeswerk über die Zeit zu retten. Im Bestreben, die US-Front zu begradigen, kündigt die UBS an, schwarze Schafe aus den eigenen Reihen mittels «angemessener Disziplinierungsmassnahmen» aus der Firma zu entfernen. Will heissen: Banker, die im Solde ihres Arbeitgebersfür US-Kunden Offshore-Konstrukte gebaut haben, müssen damit rechnen, von den US-Fahndern, ähnlich wie Birkenfeld öffentlich demaskiert zu werden.

Eigenkapital abschöpfen

Eine zweite Konfliktlinie hat vergangene Woche Nationalbank-Vize Philipp Hildebrand eröffnet. Er geisselte die hohe Fremdverschuldung der Schweizer Grossbanken und forderte eine Verschärfung der Vorschriften für risikogewichtete Eigenmittel sowie eine fixe Obergrenze für den Verschuldungsgrad einer Bank. Dass sich in dieser Hinsicht einiges zum Schlechten gewandelt hat, ist unbestritten. Vor zwanzig Jahren verfügten die damaligen vier Grossbanken allesamt über die höchste Rating-Bonität Triple A, die zwei noch verbleibenden Institute erreichen heute lediglich noch ein Single A. Anfang der neunziger Jahre erliess der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht angesichts der Bankenkrise in Japan verbindliche Eigenkapitalvorschriften für international aktive Banken, richtete diese aber an den schmalbrüstigen Instituten in Fernost aus.

Eine gutgemeinte, aber in letzter Konsequenz kontraproduktive Massnahme: Während die ausländische Konkurrenz mit eher geringem Eigenkapital stattliche Renditen ausweisen konnte, wirkte die Schweizer Konkurrenz mit ihrem rekordhohen Eigenkapital wie ein behäbiger Koloss. Sie pochte auf gleiche Bedingungen und schöpfte in der Folge munter Eigenkapital ab – mit den entsprechenden Risiken, die sich seit dem Einzug derivativer Finanzinstrumente potenziert haben.

Keine beruhigenden Aussichten

Nun sollen also neue Regeln die Apologeten der Eigenkapitalrendite zur Raison bringen, «ergänzende Stossdämpfer», wie Philipp Hildebrand das nennt, das Finanzsystem vor der eigenen Gier schützen. Wie das gehen soll, ist alledings alles andere als klar. Nationale Aufsichtsbehörden sind jedenfalls machtlos angesichts der globalen Finanzmärkte, die sich jeglicher Rechtshoheit entziehen. «Und wer», fragt sich der Basler Finanzmarktexperte Heinz Zimmermann mit einigem Recht, «definiert den effektiven Verschuldungsgrad und damit den Hebeleffekt bei den Grossbanken?» Klar scheint nur: Die Schweizer Grossbanken sind too big to fail. Und der Staat «wäre schon in der Lage, eine Kernschmelze aufzufangen», sagt der St. Galler Accounting-Professor Peter Leibfried. Beruhigend ist diese Aussicht nicht wirklich.