“Bankgeheimnis schwierig zu verteidigen”

Namhafte US-Politiker erhöhen den Druck auf die Schweiz. Eine schnelle Einigung ist unwahrscheinlich.

Von Peter Hossli

ubs.jpgSchauergeschichten über Schweizer Banken füllen derzeit fast täglich die Wirtschaftsspalten der US-Medien. «Kunden wandern von der UBS ab», titelte unlängst Bloomberg News. Das «Wall Street Journal» unterstellt der Schweizer Bankiervereinigung, helvetischen Banken Tipps abzugeben, US-Steuergesetze zu umgehen. Die «New York Times» meldet, die UBS werde US-Behörden Namen von 20000 US-Kunden überstellen. «Das ist BS», sagt ein UBS-Banker, der nicht namentlich genannt werden will, Kuhmist. «I smell a rat», sagt ein Vertreter des Finanzplatzes Schweiz zu den aggressiven Medienberichten, hier sei etwas faul.

Wilde Verschwörungstheorien jagen sich in Bankenkreisen, seit in Florida der Ex-UBS-Banker Bradley Birkenfeld wegen Beihilfe zur Steuerflucht vor Gericht steht und der UBS-Angestellte Martin Liechti bei der Einreise in die USA im Zuge zweier Ermittlungsverfahren gegen die UBS verhaftet wurde. Wie während der Affäre um nachrichtenlose Konten aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs würden US-Staatsanwälte die Medien nutzen, «mit Halbwahrheiten und wilden Geschichten die Schweiz und ihre Banken anzugreifen», sagt eine Person, der dem Finanzplatz Schweiz nahe steht. «Vielleicht ist der Angriff auf die UBS eine Strafe für den Schweizer Gas-Deal mit Iran», spekuliert ein anderer. Er sieht eine «konzentrierte US-Aktion», hinter der amerikanische Finanzhäuser stünden, welche die führende Stellung des Finanzplatzes Schweiz bei der Verwaltung von privaten Vermögen untergraben wollten. «Das ist ein klarer Versuch, die Stellung der UBS in den USA zu schwächen.»

Eine «konzentrierte Attacke» auf den Finanzplatz Schweiz sei «noch nicht auszumachen», lautet der Tenor bei rund einem Dutzend von «Sonntag» in den USA in Behörden- und Bankenkreisen befragten Personen. Sollte sich der Fall Birkenfeld jedoch nicht als Einzelsünde erweisen, sagt einer, würde der von der UBS angestrebte rasche Deal wohl platzen. «Dann könnten viele kleine Probleme zu einem grossen Problem zusammen wachsen», heisst es in Behördenkreisen. «Es wird viel getan, die Fehler aus der Zeit der Holocaust-Debatte nicht zu wiederholen», also zu spät auf eine schwelende Gefahr zu reagieren.

Die Schweizer Botschaft in Washington und die UBS arbeiten deshalb intensiv am Dossier USA. Sie bangen um das Bankgeheimnis. «Es ist derzeit nicht einfach, in den USA das Bankkundengeheimnis zu verteidigen, der Druck nimmt zu», sagt eine gute Informierte Person. «Nach den Angriffen in Deutschland und Frankreich haben die Amerikaner Blut gerochen.»

Zumindest verbal erhöhen namhafte US-Politiker den Druck auf die Schweiz. Nancy Pelosi, Mehrheitsführerin im Repräsentantenhaus, sprach sich in einem Fernsehinterview gegen Steueroasen aus. Senator Edward Kennedy will der Steuerbehörde IRS mehr rechtlichen Spielraum einräumen, gegen Länder wie die Schweiz oder Liechtenstein vorzugehen. Zudem verlangt Kennedy saftige Bussen für Steuerberater, die Firmen und Privatpersonen helfen, Gelder illegal auf ausländischen Konten zu verstecken.

Frustration herrscht darüber bei der Schweizer Bankiervereinigung. «Es gibt kein anderes Land, das so viel unternommen hat wie die Schweiz, ihre Banken über Steuerabkommen mit den USA und die daraus folgenden Verpflichtungen aufzuklären», sagt James Nason, Sprecher der Bankierereinigung. Dennoch ernte die Schweiz in den USA mehr Kritik als zwielichtigere Finanzplätze.

«Aufgeschreckt» reagierten Schweizer Behörden lange vor dem Fall Birkenfeld, berichtet ein Beamter. Im Februar 2007 reichte Senator Carl Levin den «Stop Tax Haven Abuse Act» ein. Der Gesetzesvorschlag zielt direkt auf das Schweizer Bankgeheimnis. 34 Ländern sind darin als Oasen steuerflüchtiger Amerikaner genannt. Das vorgeschlagene Gesetz sieht für US-Behörden weit reichende Möglichkeiten vor, Einblick in Finanzdaten von Bankkunden einzufordern. Allerdings liegt der Entwurf seit seiner Eingabe brach. «Es gibt keinen Abstimmungstermin», sagt auf die Sprecherin der Finanzkommission des Senats. Gelangt der Entwurf vor Ende der Legislatur im Dezember nicht zur Abstimmung, landet sie im Papierkorb. «Die Chance, dass die Levin Bill in dieser Form verabschiedet wird, erachte ich als gleich null», sagt der Finanzattaché der Schweizer Botschaft in Washington, Eric Hess.

Immerhin: Senator Levin will im Sommer im Senat zu Steueroasen Hearings abhalten. «Der Fall UBS ist Wasser auf Levins Mühle», sagt eine Schweizer Person in den USA, die nicht namentlich zitiert werden will. Kommt hinzu, dass mit Barack Obama derzeit ein Ko-Autor des «Stop Tax Haven Abuse Acts» aussichtsreicher Anwärter ist aufs US-Präsidentenamt. Sitzt er im Weissen Haus und halten die Demokraten wie erwartet die Mehrheit im Parlament, hätte eine abermals lancierte Levin Bill reellere Chancen.

Ohnehin verlangsamen die Präsidentschaftswahlen wohl den der UBS angestrebten Deal mit dem Justizdepartment. Als «politisch hochbrisant» beschreibt Professor John Coffee, Bankenexperte der Columbia University, die Birkenfeld-Klage und die Untersuchung, ob die UBS mittels internationalen Geldtransfers US-Bürgern zur Steuerflucht verholfen hat. Eine schnelle Einigung hält Coffee daher für unwahrscheinlich. «Heikle Fälle werden von oberster Stelle behandelt, in einem Wahrjahr nicht angerührt und an die nächste Regierung weiter gereicht.» Nicht Bush, sondern Obama oder John McCain werde sich dann damit befassen. Die UBS bliebe weiterhin negativ in den Schlagzeilen.