Von Peter Hossli
John F. Kennedy stellte die Weichen für das Leben von Ban Ki-moon. 18 Jahre alt war der Südkoreaner, als er 1962 auf Einladung des Roten Kreuzes erstmals in die USA reiste. Zum Höhepunkt geriet ein Treffen mit dem charismatischen amerikanischen Präsidenten. Kennedys einnehmende Aura, so Ban, bestimmte seine Berufswahl – er wurde Diplomat. Auch privat prägte ihn die Reise. Die Schülerin Yoo Soon-taek schenkte ihm ein Teesieb aus Bambus, als Talisman für die Amerikafahrt. Später heiratete er sie.
Ban Ki-moon blieb ihr treu, ebenso der Diplomatie. 36 Jahre lang diente er dem südkoreanischen Staat, zuletzt als Außen- und Handelsminister. Nun folgt die Krönung. Ab 1. Januar lenkt der Vater dreier Kinder die Geschicke der Vereinten Nationen, als achter Generalsekretär der UN und Nachfolger von Kofi Annan. Ein erbarmungsloser Job. Über allen muss Ban stehen, darf niemand bevorzugen, muss Krisen dämpfen ohne neue entstehen zu lassen, darf seine Person nie ins Zentrum rücken. Er ist Beamter und Feldherr zugleich. Sein Jahresbudget beträgt 7 Milliarden Dollar. 92’000 UN-Truppen stehen in derzeit 18 Konfliktzonen.
Dass er beim Sicherheitsrat noch mehr Soldaten anfordern wird, unterstrich der Tag seiner Wahl. In der Nacht zuvor zündete Nordkorea in einem abgelegenen Tal erstmals eine Atomwaffe. Lauthals protestierte die Weltgemeinschaft – und war froh, mit Ban den richtigen Mann im richtigen Moment gewählt zu haben. Jahrelang hatte er die Sechsergespräche zwischen Russland, Japan, China, den USA und den beiden Koreas geführt. Sie sollten Nordkorea davon abhalten, dem Club der Nuklearmächte beizutreten. Eine Aufgabe, die Ban im Vorfeld seiner Ernennung öfters ins Spiel brachte. «Ich bin überzeugt, das Problem besser lösen zu können als sonst jemand», sagte er dem US-Magazin «Time».
Nicht nur Korea will er befrieden. Er habe vor, sich «sichtbar bei regionalen Konflikten zu engagieren». Tagesgeschäfte will er delegieren. Ein Ansinnen, das manche Mitgliedsländer überzeugte und Ban das Amt sicherte. Zu viel Misstrauen hatte die überladene Reform-Agenda in den letzten Jahren gesät. «Ban ist gefordert, das Vertrauen unter den UN-Mitgliedern wieder zu stärken», sagt der Schweizer UN-Botschafter Peter Maurer. Das könne Ban, sei er doch ein «geschickter Taktierer», der Fragen im Vorfeld der Wahl «klar und sachlich beantwortet» habe. Grossen Wert lege er auf Entscheidungsprozesse, sagt Maurer – unabdingbar in einem Gefüge mit 192 Stimmen. «Ban sagt nicht, ‹ich bin für A oder für B›, er sagt, ‹wir müssen einen glaubwürdigen Prozess finden, der es uns erlaubt, A und B zu erörtern›.»
Ban hat nicht die weltmännische Ausstrahlung von Annan, es fehlen ihm die Starallüren. Ban-chusa rufen ihn die Koreaner, was liebevoll wie viel sagend Verwalter bedeutet. Nicht die schlechteste Voraussetzung, um eine Organisation zu führen, die jüngst unter dem Oil-for-Food-Skandal, Management-Problemen und dem Vorwurf litt, UN-Soldaten hätten Frauen vergewaltigt. Klebt an Kofi Annan der Nepotismus-Verdacht, ist Bans Aufrichtigkeit unbestritten. Er griff nicht einmal ein, als sein Sohn in die härteste Einheit der Armee eingezogen wurde.
Bände sprechen die Adjektive, die ihn beschreiben. «Diskret» sei er, «ein grauer Diplomat», «ein politischer Überlebenskünstler», «ein leiser koreanischer Patrizier». Kritiker wenden ein, es fehle ihm das Charisma, um in Krisen Stärke zu markieren. «Die charismatische Legitimität kommt mit dem Amt des Generalsekretärs», sagt Botschafter Maurer, der ihn mehrmals getroffen hat. «Ban wird die Legitimität so lange haben wie er die Unterstützung der wichtigen Länder hat», also der fünf Veto-Mächte.
Ein delikater Akt. Mit Ban Ki-moon lenkt erstmals ein militärischer Alliierter einer Veto-Macht die UN. Seit über fünfzig Jahren haben die USA in Südkorea zehntausende von Truppen stationiert. Höchstpersönlich hatte Ban die südkoreanische Regierung gedrängt, Soldaten in den Irak zu senden – in einen Krieg, den Kofi Annan zuerst stoppen wollte und dann «illegal» schimpfte.
Der diplomatische Fauxpas stieß Annan in Amerikas Ungnade. Ban dürfte das kaum passieren. «Er schafft sich keine Feinde, er schafft sich Freunde», beschreibt ihn der Vorsitzende der Demokratischen Partei Südkoreas. Er sei «ausgesprochen beliebt in Washington», sagte der frühere UN-Botschafter der USA Richard Holbrooke der «Washington Post». Als Puppe Amerikas sehen ihn aber weder die Chinesen noch die Russen. «Ban hätte die Wahl nie geschafft, wenn Peking und Moskau ihm nicht unabhängiges Urteilen zutrauen würden», sagt Botschafter Maurer.
Als Ban 1944 zur Welt kam, war Korea noch japanisch besetzt. Seine Kindheit stand im Zeichen des Krieges. Ban studierte internationale Beziehungen in Seoul und graduierte an der Harvard University. Nie suchte er das Rampenlicht. Als Minister überlebte er etliche Kabinettsumbildungen – und blieb frei von Skandalen, eine beachtliche Leistung in einer von Skandalen geprägten politischen Kultur. Zweimal sandte ihn Südkorea als Vertreter nach Washington, er diente an der UN in New York, in Neu Delhi und als Botschafter in Wien. «Nie geschlafen» habe das «Arbeitstier» in Österreich, heißt es in Wiener Pressekreisen. Und doch fand der «ausgesprochene Liebhaber klassischer Musik» Zeit und Muse, ein koreanisch-österreichisches Orchester zu begründen.
Für Südkorea ist die Wahl ein emotionaler Triumph, das Land ist eng verbunden mit den Vereinten Nationen. Noch immer wacht in der demilitarisierten Zone am 38. Breitengrad ein UN-Kommandant über das Waffenstillstandsabkommen zwischen Nord- und Süd. Viele Südkoreaner empfinden Bans Würde als Anerkennung für den rapiden Wandel ihres Landes, vom armen Agrarland zur potenten Industrienation, deren Autos, Fernseher und Mobiltelefone die Welt bewegen. «Wir haben das mit harter Arbeit erreicht», sagte Ban vor der Wahl, «und mit der Hilfe unserer Freunde, vor allem der Vereinten Nationen. Jetzt geben wir zurück, was wir erhalten haben.» Nicht nur lächelnd, sondern resolut. «Ich mag von außen sanft aussehen», so Ban, «wenn es wirklich nötig, besitze ich innere Stärke.»