Gen Sie an die Urne?

Die Schweiz stimmt am 27. November über ein Anbauverbot von Genfood ab. Was bisher nicht bekannt ist: Bei einem Ja steht auch das Freihandelsabkommen mit den USA vor dem Aus.

Von Peter Hossli

Er wolle sich keinesfalls einmischen in schweizerische Innenpolitik, sagt ein Beamter der US-Regierung. Würde das Schweizer Volk aber das fünfjährige Moratorium für den Anbau gentechnisch veränderter Organismen (GVO) annehmen, «drängt dies die US-Regierung in eine sehr schwierige Position». Stark gefährdet wäre das geplante Freihandelsabkommen (FHA) zwischen der Schweiz und der USA.

Amerikanische Bauern, so der Beamte, der in die Verhandlungen involviert ist, sei bei der Aus-arbeitung und Ratifizierung von Freihandelsabkommen stets zentral. Nach einer Annahme des Gentech-Stopps würde die einflussreiche Landwirtschaftslobby den Support für ein FHA bestimmt fallen lassen. «Es wäre dann enorm schwierig, die Diskussion über freien Handel mit der Schweiz fortzusetzen.»

Noch reden die Schweizer und die Amerikaner miteinander. Emsige und detailversessene Dip-lomaten vergleichen derzeit schweizerische und amerikanische Modellverträge. Dabei, sagt ein Schweizer Insider unter vorgehaltener Hand, stellten gentechnisch veränderte Organismen «ein fast unlösbares Problem dar».

So will die USA die Deklarationspflicht für GVO-Lebensmittel keinesfalls in einen Freihandels-vertrag aufnehmen. In der Schweiz hingegen verlangt das Gesetz die Deklarationspflicht bei GVO-Lebensmitteln. In den USA findet man Deklarationen bloss auf Lebensmitteln, die keine GVO-Bestandteile aufweisen, etwa auf Bio-Produkten.

Nicht kommentieren möchte der Staatssekretär für Wirtschaft, Jean-Daniel Gerber, die Gefah-ren des Moratoriums für das FHA. Über seine Pressestelle liess der Seco-Chef verlauten, «dass die Schweiz und die USA exploratorische Gespräche aufgenommen» hätten. Dabei würden die «von einem Abkommen betroffenen Themen angeschnitten» werden.

Deutlicher sagts ein Schweizer Beamter, der in die Abklärungen involviert ist, namentlich aber nicht genannt werden will. «Kommt die Moratoriums-Initiative durch, werden die Verhandlun-gen sehr schwierig, wenn nicht unmöglich.» Die USA würden spätestens bei einer Annahme realisieren, wie emotional aufgeladen das Thema in der Schweiz sei. Vorgeführt würde den US-Unterhändlern, dass das zu erwartende Referendum über das Freihandelsabkommen beim Schweizer Volk wegen GVO kaum eine Chance hätte. Die Amerikaner sähen es als Zeitverschwendung, überhaupt Verhandlungen aufzunehmen. Gemäss einer SRG-Umfrage sind derzeit mehr Schweizer für als gegen das Moratorium.

Gewisse Schweizer Unterhändler geben sich etwas optimistischer. So sei die GVO-Position der USA nicht mehr so unverrückbar wie noch vor ein paar Jahren, so ein Diplomat, der in die Ver-handlungen involviert ist. Amerikaner seien in erster Linie Geschäftsleute. Sie hätten realisiert, dass sich genveränderte Organismen auf dem Weltmarkt nicht so einfach verkaufen lassen.

Die Schweizer verweisen auf die FHA-Verhandlungen mit Thailand. Das südostasiatische Land führe derzeit mit geschickter Taktik vor, wie mit den USA im GVO-Bereich Kompromisse erzielt werden könnten. Ähnlich wie die Schweiz verlangt Thailand die Deklaration genveränderten Or-ganismen. Die USA haben trotzdem Eintreten auf die Verhandlungen beschlossen. Nun wird versucht, einen Mittelweg zu finden. «Könnte das Problem nicht gelöst werden, würden die USA gar nicht mit Thailand verhandeln», sagt ein Beamter. Er geht davon aus, dass Thailand für die Schweizer Position zum Präzedenzfall werden könnte.

Von amerikanischer Seite wird der Fall Thailand anders beurteilt. Man helfe den Thais bloss in technischen Belangen, die Sicherheitsstandards im Umgang mit GVO zu heben. Eine Hilfe, die die Schweiz nicht nötig habe.

Die Befürworter schwächen die Folgen der Initiative für den freien Handel etwas ab. «Juristisch hätte das Moratorium keine direkten Auswirkungen auf das FHA, da sich die Initiative auf den Inland-Anbau beschränkt», sagt der Kampagnen-Leiter der Gentechfrei-Initiative, Herbert Karch. Die Stimmung gegen eine vereinfachte Einfuhr von gentechnisch veränderten Lebensmitteln aus den USA sei aber generell «sehr ablehnend». Gebe es bei den FHA-Verhandlungen Konzessionen für einen einfachen Import von GVO-Lebensmitteln, «wäre das ein Stolperstein für das Freihandelsabkommen», sagt Karch.

Am einfachsten wäre es für die Schweiz wohl, wenn der Bereich GVO nicht in die Verhandlun-gen eingebracht und komplett der Welthandelsorganisation WTO überlassen wird. Ein Vor-schlag, den der amerikanische Think Tank «International Institute for Economics» in einem 400 Seiten umfassenden Bericht unterbreitet hat. Denn selbst wenn das Moratorium abgelehnt wird, gefährdet die Diskussion über GVO das Freihandelsabkommen. «Wir müssen den Amerikaner klar machen, dass dieses Thema in der Schweiz sehr emotional diskutiert wird», sagt Martin Naville, der Chef der Swiss-American Chamber of Commerce. «Es wird nicht möglich sein, in kurzer Zeit eine rationale Diskussion darüber zu führen.»

Würden die Amerikaner allerdings auf GVO insistieren, müssten die Schweizer von den Verhandlungen wohl absehen. Es mache wenig Sinn, jahrelang zu arbeiten – «und dann würde das Freihandelsabkommen vom Volk wegen GVO abgeschmettert werden.»
Ungemach droht der Schweiz bei der Annahme des Moratoriums auch innerhalb der WTO. Der-zeit debattiert ein WTO-Panel, ob ein EU-Moratorium für GVO gesetzwidrig ist. Wird das wie erwartet beschlossen und nimmt das Volk gleichzeitig die Initiative an, drohen der Schweiz saftige Strafzölle.

Box: Der Freihandels-Fahrplan
Derzeit suchen Schweizer und US-Beamte ihre jeweiligen Modellverträge nach technischen Dif-ferenzen ab. Die WTO-Ministerkonferenz soll Mitte Dezember weiter Klarheit bringen im um-strittensten Bereich Agrarhandel. Verläuft sie erfolgreich, dürften die Schweiz und die USA im Januar Eintreten auf die Verhandlungen beschliessen. Bundesrat Josef Deiss müsste sich dann im Bundesrat ein Verhandlungsmandat holen. Der amerikanischen Handelsvertreter Rob Port-man bekäme ein solches im US-Kongress. Bis Ende 2006 sollten die Verhandlungen abgeschlos-sen sein. Bis spätestens im Juni 2007 muss der potenzielle Freihandelsvertrag dem US-Kongress zur Ratifizierung vorgelegt werden. Gelingt das bis zu diesem Zeitpunkt nicht, schlösse sich die Möglichkeit für etliche Jahre.�