Der Ruf nach Boykott wird lauter

In den USA geraten Anbieter französischer und deutscher Produkte zunehmend unter Druck. In der Schweiz wird zwar viel von Boykott geredet, aber die Konsumenten verzichten nur ungern auf typische US-Produkte wie Coca-Cola und Hamburger.

Von Peter Hossli

Die Wut vieler Amerikaner über die Kriegskritiker aus Deutschland und Frankreich entlädt sich an Produkten und Marken aus Europa. «Boykott» lautet für sie das Gebot der Stunde. Den patriotisch korrekten Einkauf erleichtert hiesigen Köchen derzeit die «New York Post». Während einer Woche veröffentlichte die Boulevardzeitung Fotos von zu meidendem französischem Wein, Käse oder Mineralwasser – neben Bildern von Alternativen: «Poland Spring Water» aus Maine statt «Evian». Statt französischem Gruyère sei es nun besser, schweizerischen zu kaufen. Der schmecke würziger und schmelze ebenso, schrieb das Blatt des konservativen Medienzars Rupert Murdoch. Regelmässig ruft auch die «Post» in deftigen Leitartikeln zum Boykott von französischen und auch deutschen Produkten auf.

Ein Gesetz soll französische Produkte aus den Regalen verbannen

Zu lange schon seien die USA «ein Boxsack der drittklassigen Nation Frankreich» gewesen, sagt der republikanische Parlamentarier Peter King. Dem müsse man wirtschaftliche Sanktionen entgegenhalten. Konkret haben einige Politiker lauthals angekündigt, sie würden bald Lebensmittelgesetze vorschlagen, um Mineralwasser und Weine aus Frankreich aus den Regalen der Läden zu verbannen.

Die Sprecherin der französischen Botschaft in Washington, Agnes von der Mühll, ist besorgt: «Französische Firmen berichten, dass die Nachfrage nach ihren Produkten abnimmt. Das könnte längerfristig die Handelsbeziehungen zwischen den beiden Ländern beeinträchtigen.

Ein veritabler Handelskrieg rolle an, schreibt das konservative und einflussreiche Magazin «The Weekly Standard». Airbus-Flugzeuge, deutsche Autos und französische Lebensmittel sollten mit Zöllen belegt oder verschärften Qualitätskontrollen unterstellt werden. Die Aussenpolitik müsse künftig die Handelspolitik bestimmen, verlangt das Magazin. Das Ziel: Wer nicht an der Seite Amerikas kämpft oder das Land zumindest symbolisch unterstützt, kann in Amerika weniger Produkte verkaufen.

Obwohl dies angesichts des enormen europäischen Handelsüberschusses mit den USA wenig Sinn macht, lassen solche Texte Europa aufhorchen. Immerhin war es der Chefredaktor des «Weekly Standard», William Kristol, der als Erster die nun Politik gewordene Strategie des Angriffskrieges propagierte. Die Vorbereitungen für den Handelskrieg laufen auf Hochtouren. Französische Restaurants im ganzen Land melden einen Einbruch bei den Reservationen, und manche Toiletten von Bistros in New York sind mit diffamierendem Gekritzel beschmiert worden.

Der Autor des Buches «How Americans Can Buy American», Roger Simmermaker, hat unlängst eine rund hundert französische Produkte umfassende Boykottliste publiziert, von der Babynahrung über den Peugeot bis zum Parfum. Nicht aus politischen, sondern aus ökonomischen Gründen, wie der Kriegsgegner sagt. «Nur wenn Amerikaner ausschliesslich amerikanische Produkte kaufen, bleibt unser Geld hier.» Steve Barrar, Abgeordneter im Staat Pennsylvania, hat ein Gesetz angekündigt, das den Verkauf von französischen Weinen in den staatlichen Alkoholläden verbieten würde. Andere Staaten dürften folgen. Da wirkt die von einem Parlamentarier angeregte Umbenennung der «french fries» in «freedom fries» geradezu harmlos. Zumal solche Aktionen hier zu Lande Tradition haben. Bis zum Ersten Weltkrieg verkauften auf deutsche Köstlichkeiten ausgerichtete Imbissbuden «sauerkraut» und «frankfurters». Nach dem Kriegseintritt der USA hiessen dieselben Snacks plötzlich «liberty cabbage» und «hot dogs».

Einige Amerikaner verzichten eher auf Wein aus Texas

Aber längst nicht alle US-Bürger sind gegen Europa. Mit «I drink Bordeaux and I vote»-Transparenten wedelten vergangene Woche etliche Demonstranten an der Friedensmanifestation in New York. Deren Botschaft: Politikern, die uns den französischen Wein vergönnen, vergönnen wir die Stimme. Während seine Freunde auf französischen Burgunder verzichteten – argumentiert ein Leserbriefschreiber -, trinke er keine texanischen Weine mehr. «Das Verzichtopfer meiner Freunde ist weitaus grösser.» Und wenn vor laufenden TV-Kameras Flaschen mit Champagner und französischem Wein weggeschüttet werden, fragt sich, wie weit die Aktion vom Fernsehen inszeniert ist.