Der neue Aufpasser passt der Pharmaindustrie

Die Branche atmet auf: Die US-Zulassungsbehörde FDA hat endlich wieder einen Chef. Keine andere Regierungsstelle dringt direkter ins tägliche Leben der Amerikaner ein als die Food and Drug Administration (FDA), die mächtige, aber schwerfällige Gesundheitsbehörde. Nun wird deren seit fast zwei Jahren verwaister Chefposten mit einem Arzt und Ökonomen besetzt. Und alle geben sich zufrieden.

Von Peter Hossli

Mark B. McClellan muss den Spagat schaffen und Feinde aus allen Lagern besänftigen. Das erwartet US-Präsident Bush, der ihn als neuen Kommissär der FDA will. Bestätigt der Senat den 39-jährigen Texaner, wird McClellan bald über die Zulassung neuer Arzneien und Lebensmittel gebieten sowie Verordnungen mit Gesetzeskraft verabschieden.

Ein Amt mit enormem Einfluss. Die FDA kontrolliert rund ein Viertel aller Produkte, die in den USA verkauft werden. Je nach FDA-Weisung kann der Aktienkurs eines Pharmamultis in die Höhe schnellen – oder einbrechen. Manche Biotechnologiefirma, die bloss ein Produkt anbietet, musste nach einem negativen FDA-Entscheid aufgeben.

Pharma- und Konsumenten-Lobby verfolgen unterschiedliche Interessen

Deshalb bevorzugen Parlamentarier eine FDA-Führung ohne Draht zur Industrie. Die Pharma-Lobby hingegen will einen Vorsitzenden, der den aufwändigen Zulassungsprozess für neue Pillen und Pulver vereinfacht und zügig vorantreibt. Sie macht die gestrengen FDA-Verfahren verantwortlich für die steigenden Entwicklungskosten pro Medikament – von 400 auf 800 Millionen Dollar in nur zehn Jahren. Zudem sei die FDA ohne starken Mann an der Spitze zu risikoscheu geworden. Verbraucherorganisationen hingegen fordern striktere Regeln. Nicht der Zulassungsprozess, sondern die Innovationskrise habe die Anzahl neuer Medikamente verringert.

McClellans Amtsübernahme ist nur noch Formsache. Letzte Woche empfahl ihn auch noch der Gesundheitsausschuss des Senats zur Wahl. Präsidiert wird diese Kommission vom liberalen Urgestein Edward Kennedy, der sich zuvor erfolgreich gegen andere Kandidaten Bushs gestellt hatte.

Laut Analysten könnte der neue FDA-Chef die vielschichtigen Interessen vereinen. So berät der Ökonom und Arzt derzeit Bush in gesundheitspolitischen Fragen und sitzt in dessen Wirtschaftsrat. Unter dem Demokraten Bill Clinton amtete der in Harvard geschulte und an der Stanford University lehrende McClellan im Finanzministerium und entwickelte dort wirtschaftliche Strategien.

Unabhängige Beobachter beschreiben McClellan als «Mann der Mitte» und «mehr Pragmatiker denn Politiker». Dabei entstammt er einer politisch äusserst engagierten Familie. Seine Mutter amtete jahrelang als Bürgermeisterin von Austin und ist nun die Säckelmeisterin von Texas. Bruder Scott ist Pressesprecher im Weissen Haus.

Konflikte scheut er nicht. «Wenn du niemanden wütend gemacht hast, hast du nichts erreicht», lautet eines seiner Mottos. Trotzdem stiess seine Berufung auf überraschend wenig Widerstand. Robert Goldberg vom pharmafreundlichen Manhattan Institute prophezeit gar, McClellan könnte der «effektivste FDA-Direktor seit Jahrzehnten» werden – wenn er, wie erhofft, den Zulassungsprozess für Arzneien beschleunigt. Bewähren muss sich McClellan vor allem als Manager. Die FDA mit ihren 10 000 Mitarbeitenden gilt als schwerfällig und bürokratisch, zuweilen sogar lethargisch. Als eigenständige Regierungsbehörde hat sie fast uneingeschränkte Macht. Zwar nominieren und bestätigen Präsident und Kongress deren Spitze. Darüber hinaus fehlen Kontrollorgane. Eher funktioniert die FDA wie eine Regierung innerhalb der Regierung.

Ins Leben gerufen wurde die FDA im Jahre 1906, um Amerikaner vor Scharlatanen zu bewahren. Mittlerweile überwachen FDA-Angestellte nicht nur Medikamente und Lebensmittel, sondern auch Tierfutter, Blutprodukte, Kosmetika, Medizinalinstrumente und Saatgut. Überdies nehmen sie Stellung zu gesundheitspolitischen Themen. Derzeit drängt Präsident Bush die FDA, ein Konzept zu erarbeiten, wie auf einen möglichen Anschlag mit chemischen und biologischen Waffen zu reagieren ist. Deswegen wachse das Budget im nächsten Jahr um 8 Prozent auf 1,727 Milliarden Dollar, schreibt die FDA zum Haushaltsplan.

Auch in Basel ist man froh über die Besetzung des FDA-Chefpostens

Die Pharmaindustrie ist froh über die Neubesetzung. «Sie kommt keinen Moment zu früh», so Lobbyist Goldberg. Seit dem Rücktritt von FDA-Kommissarin Jane Henney Anfang 2001 ist der Chefposten verwaist. Die Führungslosigkeit der FDA war dem ohnehin schwierigen Klima, in dem sich die Pharmaindustrie befindet, kaum zuträglich. Die Wachstumsraten sind flach, die Aktienkurse tief. Derzeit wächst bloss der politische Druck, preiswerte Generika zuzulassen.

Gespannt verfolgt deshalb auch die hiesige Pharmaindustrie die Wahl McClellans. Wer in den USA Medikamente verkaufen will, muss denselben Zulassungsprozess über sich ergehen lassen wie US-Firmen. So inspizieren FDA-Beamte auch die Basler Produktionsstätten von Roche und Novartis. Roche-Sprecher Daniel Piller: «Wir sind froh, dass dieser wichtige Posten wieder besetzt ist. Die FDA ist ein wichtiger Partner.»