Von Peter Hossli
Stand er, oder stand er nicht? Und wenn Ja, wo genau und wie lange? Keine andere Frage beschäftigt newsgeile New-Yorker derzeit mehr. Die Posse um ihren Bürgermeister Rudolph W. Giuliani erreicht mal wieder einen neuen Höhepunkt.
Mit harter Hand hat Rudy acht Jahre lang die Stadt regiert und ihr zu neuer Blüte verholfen. Und jetzt das. Klammheimlich, weiss die «New York Post», habe er sich ein halbes Dutzend Mal im Luxushotel «Saint Regis» mit Judith Nathan getroffen. Nicht die Dame – sie ist als bürgermeisterliche Nebengefährtin längst entlarvt -, der angebliche Akt per se erregt die Gemüter.
Denn Giuliani, aufrechter Katholik und zweifacher Familienvater, ankert nach wie vor im Hafen der Ehe. Der ansonsten gerissene Politiker könne durch sein Techtelmechtel alle Ambitionen aufs angestrebte Gouverneursamt im nächsten Jahr vergessen, prophezeien Polit-Pessimisten. Doch das interessiert im Moment keinen. Viel anregender findet das Publikum die Frage um die Standfestigkeit seines Stadtoberhaupts. Denn der Ärmste dürfte eigentlich gar nicht können, was ihm vorgeworfen wird – er gilt als impotent. Vor Jahresfrist diagnostizierten Giulianis Ärzte Prostatakrebs im Frühstadium und verordneten ihm eine hochgradig schwächende Chemotherapie. Der Medikamenten-Cocktail habe zwar das Haar des 57-Jährigen spriessen lassen, mokierte sich Giulianis Nochehefrau Donna Hanover, 51, dafür wachse bei ihrem Gatten sonst nichts mehr. Sie sollte es ja wissen.
Oder etwa doch nicht? Tatsache ist, dass Giuliani, mächtigster Mann der unbestrittenen Weltmetropole, seit Monaten mutterseelenallein in einer dunklen Kammer in Gracie Mansion nächtigt, dem Sitz des Bürgermeisters. Denn gnadenlos hat Donna den leidenden Gatten aus dem ehelichen Gemach verstossen – als Rache dafür, dass er sie vor der Medienmeute im Frühjahr 2000 blossgestellt hatte. Damals legte er seine Krankheit offen und krönte die Pressekonferenz mit der Aussage: «Meine Ehe ist unwiderruflich zerrüttet.» Dann stellte er seine Neue, Judith Nathan, als «sehr gute Freundin» vor. Die Ehefrau verfolgte das Spektakel schäumend live am TV – der Gatte hatte sie nicht informiert.
Dabei hing der Haussegen bei den Giulianis schon seit Jahren schief. Er gilt als Schürzenjäger, sie als selbstsüchtig. Um seine politische Laufbahn nicht zu gefährden, hockten beide jahrelang aufs Maul, und die Medien übersahen geflissentlich die Prob-leme des Paars. Erst nachdem Giulianis Aussichten auf einen Sitz im Senat geschrumpft waren, brach er das Schweigen.
Seither herrscht offener Rosenkrieg beim First Couple von New York, unbarmherzig ausgetragen in lokalen Boulevardblättern und nationalen Magazinen. «Von der ganzen Sache habt nur ihr Journalisten etwas», fauchte Giuliani ebendiese an. «Bitte, wendet euch wieder wirklich wichtigen Themen zu.» Nichts als frommes Wunschdenken, denn täglich liefert die zum Imperium des australischen Medienzars Rupert Murdoch gehörende «New York Post» neue saftige Details. Etwa: «Giuliani will schnelle Scheidung – um bald wieder zu heiraten», «Donna wehrt sich gegen die Trennung», «Donna verlässt Haus, weil Judith kommt». Wegen der «Post»-Enthüllungen um das «Love Nest» hat das Hotel «Saint Regis» schon etliche Angestellte gefeuert. Giuliani und Nathan, die auf ihrer Unschuld bestehen, drohen der Postille mit Klagen. Doch die Konkurrenzzeitung «Daily News» tönte unlängst ebenso laut: «Krieg um Gracie Mansion».
Genau. Denn wie bei allen ernsthaften New-Yorker Fehden geht es hier nicht um Sex, sondern eigentlich um preisgünstigen Wohnraum. Davon sind in dieser Stadt, wo Wohnen absurd teuer ist, alle besessen. Der Bürgermeister hat das Privileg, mit seiner Familie in Gracie Mansion leben zu dürfen, einem staatlichen Stadthaus an der mondänen Upper East Side in Manhattan – kostenlos. Leider regelt kein Gesetz, ob der Stadtobere zusätzlich eine Mätresse einquartieren darf. Dies versuchte die als Schauspielerin arbeitende angestammte Hausherrin per gerichtlicher Verfügung zu stoppen. Die zwei schulpflichtigen Kinder Andrew, 15, und Caroline, 11, hätten «schwere emotionale Schäden» erlitten, wenn der Vater die Fremde nach Hause schleppte. Eine Frau notabene, mit der Rudy seit gut einem Jahr öffentlich auftritt und schon gemeinsame Wochenenden verbracht haben soll. Jetzt wolle er die Neue Sohn und Tochter zeigen und erzählen, was für eine Wohltäterin sie sei. «Sie ist eine gute Person, die mir beim Kampf gegen Krebs enorm hilft», lobte Giuliani stets seine Geliebte, die Krankenschwester ist und Geld für philanthropische Zwecke sammelt.
Giulianis Anwälte schlugen zurück. Vor Gericht beschrieben sie Hanover als «herzlose Rabenmutter». Sie vernachlässige die Kinder und reite eine Vendetta gegen ihren Mann, «um ihn zu zerstören». Sie, nicht etwa Giuliani, müsse gehen. «Sie schreit wie ein Schwein am Spiess und will damit ihre Filmkarriere ankurbeln», sagte einer von Giulianis Anwälten, der die Nochgattin gegenüber Journalisten als «töricht», «trivial» und mit «hinterhältigen Motiven bestückt» abkanzelte. «Ich glaube, wir müssen sie vom Kronleuchter zerren, sonst verlässt sie Gracie Mansion nie.»
Tage nach den rüden Äusserungen des Juristen wurde das von der Ehefrau in die Welt gesetzte Gerücht von Giulianis angeblicher Mannesschwäche von zweiter Stelle erneuert. Eine anonyme Quelle, angeblich ein Freund von Rudy, liess sich in der «New York Daily News» zitieren: «Wer sagt, die Beziehung von Judith Nathan und Rudy sei physisch, liegt komplett falsch. Das Gegenteil ist wahr. Impotent ist die neutralste Form, um den Zustand des Bürgermeisters zu umschreiben.» Ein Beweis, dass Rudys Beziehung zu Nathan zwar vertraulich, aber harmlos sei, argumentierten Giulianis Rechtssprecher. Was er mit Nathan im Hotel getrieben haben mag, muss sich das Publikum selbst zusammenreimen – die Ärzte schweigen eisern. Nur dem Richter reichte das angebliche Handicap nicht. Er entschied, vorerst habe Judith Nathan in Gracie Mansion nichts zu suchen. Prompt setzte Rudy Donna Hanover offiziell als First Lady ab und entliess deren von der Stadt gestelltes Personal.
Und dann warf sich auch noch der Exgatte von Giulianis Geliebter, Bruce Nathan, ins Getümmel. Mittels gerichtlicher Verfügung ersucht der Tapetenverkäufer, seiner Ex das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter im Teenageralter wegzunehmen. Denn, heisst es in der Klage, Judith Nathan sei «total fokussiert auf die Beziehung mit dem neuen Freund und hat keinerlei Interesse, mit der Tochter Zeit zu verbringen».
Währenddessen demonstriert Rudy ein letztes Zipfelchen exekutiver Macht. Unverzüglich wies er seinen Polizeichef an, den Personenschutz für die Gattin zu verringern und stattdessen die Geliebte aufmerksamer zu umsorgen. Ein Detektiv weicht nun nicht mehr von deren Seite.
Für die Zeit nach seinem Abtritt Ende Jahr hat der angeblich Impotente jedenfalls vorgesorgt: Er soll die Buchrechte zum Krach in Gracie Mansion bereits verkauft haben – für drei Millionen Dollar.