Ein Reagan mit MBA-Titel

George W. Bush ist der erste studierte Betriebswirtschaftler an der Spitze der USA. Dabei zählt dieses Studium nicht mehr viel. Er will die USA unternehmerisch führen. Etliche Firmen äussern aber zunehmend Vorbehalte gegenüber Ökonomen.

Von Peter Hossli

Zuallererst lenkte ein dekorierter General die junge Nation. Später regierte ein Erdnusspflanzer im Weissen Haus. Auf ihn folgte ein zweitklassiger Hollywoodstar. Ein Schneider und sogar ein Football-Trainer schafften es ins höchste Amt. Doch die grosse Mehrzahl der US-Präsidenten waren Juristen. Als «Land der Anwälte und Richter» beschrieb der französische Gelehrte Alexis de Tocqueville die USA bereits 1832. Ohne straffe juristische Schulung, so die Devise, sei dem Paragrafendickicht keinesfalls beizukommen.

George W. Bush will das ändern. Der 43. Präsident der Vereinigten Staaten ist der erste Betriebswirt im Weissen Haus, ausgebildet an der Kaderschmiede für Topmanager, der Harvard Business School in Boston. Bush gedenkt, das Land künftig wie ein CEO zu führen. So steht aussenpolitisch die America Inc. im Vordergrund. «Nur wenn unsere Interessen betroffen sind, greifen wir militärisch ein.» Nicht längerfristige Visionen, sondern Quartalsergebnisse leiten ihn. Er will die Reaganomics der Achtzigerjahre frisch beleben und Steuern senken. Für ein kurzfristiges Wirtschaftswachstum nimmt er auch die Risiken einer hohen Staatsverschuldung in Kauf.

Statt sich wie sein Vorgänger, Anwalt Bill Clinton, um jedes Detail zu kümmern, setzt Bush weit gehend auf erfahrene Manager und delegiert selbst kniffligste Probleme. Akten studiert er ungern. Bush liest Zusammenfassungen, die andere für ihn erstellen – so wie viele Wirtschaftsführer. Nicht die Volksmehrheit, sondern fünf Richter inthronisierten ihn wie ein eigenmächtig agierender Verwaltungsrat.

Bei Entscheidungen vertraut Bush auf seinen akademischen Titel: einen MBA von Harvard, einen Master of Business Administration der weltweit angesehensten Wirtschaftsschule. «MBA-Präsident» nannte ihn jüngst die «New York Times». Bush sei einer, der delegiere, verkaufe und ande- ren den Rücken freihalte. Er verfügt über wenig nennenswerte Erfahrung, weder als Manager noch als Politiker. Die Ölfirma, die er einst in Texas führte, ging Bankrott. Eher zufällig kaufte und verkaufte er profitabel ein Baseballteam. Als texanischer Gouverneur (vor allem ein Repräsentationsjob) konnte er es stets gemächlich angehen, denn die Regierung des zweitgrössten US-Staates arbeitet bloss vier Monate pro Jahr. Nichtsdestotrotz sagt Bush selbstsicher: «Als Businessleader weiss ich, wie ein Land zu lenken ist.»

Derweil schwindet in der Wirtschaft die Begeisterung für MBA-Absolventen wie Bush. Erfahrene CEO raten davon ab, ausschliesslich Betriebswirtschaft zu studieren, da diese formale Ausbildung zu engstirnig sei. Betriebswirte gingen komplexe Probleme meist mit Scheuklappen an. Vielen mangle es an intellektueller Weitsicht. So besitzen mehr als die Hälfte aller Berater bei McKinsey keinen MBA mehr. Im Oktober errechnete die «New York Times», ein Fünftel der frisch Angestellten bei der renommierten Beraterfirma Boston Consulting habe nie die Bank einer Wirtschaftsschule gedrückt – das sind viermal mehr als 1995. Gemäss Boston Consulting sind Philosophinnen, Juristen und Ärzte besonders erfolgreich. Sie steigen rascher auf, verdienen mehr und tragen oft Bedeutsames zum Gelingen einer Firma bei.

Ein MBA gilt als Zeitverlust. Das Paradebeispiel dafür ist Bill Gates, inzwischen reichster Mann der USA. Er brach sein Studium ab und baute stattdessen Microsoft auf. Gründer erfolgreicher Internetfirmen fehlt oft der MBA, etwa Amazon-Chef Jeff Bezos. Als Grund für den jüngsten Hightech-Kollaps mussten in manchen Analysen die Betriebswirte hinhalten. Sie seien auf schnelle Profite statt auf langfristige Substanz getrimmt. Heute sind eher intellektuelle und originelle Leute mit einer Schnellbleiche in Ökonomie gefragt. So schickt Boston Consulting Nichtökonomen in dreiwöchige Kurse. McKinsey nennt ein ähnliches Kurzprogramm «Mini-MBA». Allein 1999 haben bedeutende Wirtschaftsschulen bis zu 25 Prozent ihrer Studierenden verloren.

Ökonomen haben in der Regel pragmatische Lösungen parat, genau wie jetzt George W. Bush. Er rühmt sich, selten Bücher zu lesen. Dafür packe er handfest an. Ob diese Art des Regierens aufgeht, wird sich in den nächsten Jahren zeigen.