Von Peter Hossli
«Manchmal können nur Bomber Kriege beenden», meint die 50-jährige Gründerin der Organisation «Women Waging Peace» (Frauen führen zum Frieden). «Ich bin keine Pazifistin.» Umso dringender will Swanee Hunt die amerikanische Aussenpolitik gründlich ändern. Lokale Frauen sollen künftig global Konflikte schlichten. «Dieses enorme Potenzial liegt brach.» Siebzig Frauen aus einem Dutzend Krisenregionen trafen sich in den ersten zwei Novemberwochen an der Harvard University in Cambridge zum Friedensgipfel von «Women Waging Peace». Eintrachtswillige aus Israel und Palästina, Nord- und Südsudan sowie Katholikinnen und Protestantinnen aus Belfast beredeten Streitereien, trainierten Verhandlungstechniken oder lernten das Internet kennen.
Die pakistanische Journalistin Anis Haroon und ihre indische Kollegin Rita Manchanda schildern persönliche Erfahrungen aus fast fünfzig Jahren Grenzkrieg. «Niemand leidet unter dem endlosen Kampf so sehr wie wir Frauen», sagt Haroon.
1993 erkor der frisch gewählte Präsident Bill Clinton Swanee Hunt zur US-Botschafterin in Österreich. Kritiker mäkelten alsbald, Clinton sage einer generösen Wahlkampfspenderin Danke.
Pentagon und Uno hören zu, wenn Hunt spricht
Sie hatten Unrecht, und die Psychologin und promovierte Theologin erwies sich als ausgesprochen wirkungsvoll. Von Wien aus beobachtete und orchestrierte sie amerikanische Aktivitäten während des Krieges in Bosnien. Auf etlichen Trips ins Kampfgebiet fiel ihr eines auf: Unbeirrt verübten Männer unsägliche Gräuel. Deren Frauen, oftmals Mütter uniformierter Söhne, begehrten hingegen Frieden. «Serbinnen redeten mit Bosnierinnen, um das irrsinnige Gemetzel zu stoppen», sagt Hunt. Nach Kriegsende leitete sie in Sarajevo eine Friedenskonferenz mit 500 führenden Frauen aus dem Balkan. Sie brachte Clinton dazu, fünf Millionen Dollar für eine Friedensinitiative bosnischer Frauen zu sprechen.
Seit ihrer Rückkehr 1997 versucht die Diplomatin die US-Aussenpolitik umzukrempeln. Bis anhin entsandte Amerika jeweils Bomben und Truppen oder boykottierte Krisenregionen. Hunt will aber offiziell Frauen einbeziehen. «Bevor der Präsident Soldaten schickt», so die selbstbewusste Milliardärin, «muss er überlegen, inwiefern heimische Frauen die Feindseligkeiten beilegen können.»
Deren Erfolgschancen seien beträchtlich. So hielten Frauen die Finger am Puls der Gemeinschaft, sie allein wüssten, welche Friedensverträge akzeptiert würden. Ferner tendierten sie dazu, Beziehungen aufzubauen und Kompromisse einzugehen, beides Grundvoraussetzungen, um friedvoll zu leben. Frauen seien motivierter, schliesslich litten sie besonders, verlören Kinder und Männer und würden vergewaltigt. Überdies fänden sie alternative Lösungen. «Es ist fahrlässig, Frauen nicht einzubeziehen.»
Die Friedensinitiative, deren Budget jährlich zwei Millionen Dollar beträgt, weist bereits beachtliche Erfolge auf. So sandte Bill Clinton heuer eine Frauendelegation ans G-8-Aussenministertreffen nach Tokio. Das Pentagon und die Vereinten Nationen hören zu, wenn Hunt spricht. Das US-Aussenministerium traf sich mit «Women Waging Peace»-Mitgliedern, um den weltweiten Frauenhandel zu analysieren. Derzeit orientieren 30 Serbinnen das Aussenministerium über den Wiederaufbau der zerstörten Region. Kriegsreporter melden sich bei «Women Waging Peace», wenn sie Betroffene interviewen wollen. Hunts Organisation besässe beste Voraussetzungen, eine weltweite Kraft in der Friedensbildung zu werden, sagt die zypriotische Aktivistin Barbara Petropoulou.
US-Aussenministerin Madeleine Albright preist den Effort. Nato-General Wesley Clark, der 1999 den amerikanischen Einsatz im Kosovo dirigierte, nennt Swanee Hunt «eine zukunftsgerichtete Friedensdenkerin». Sie agiert ähnlich wie Clinton. Genau wie der abtretende US-Präsident sieht Hunt hinter jeder politischen Thematik persönliche Geschichten. Sie eröffnet Ansprachen mit Anekdoten und nennt alle beim Vornamen. Unermüdlich ringt die dreifache Mutter um übergreifendes Verständnis. Ihr internationales Kontaktnetz reicht weit. Königinnen, Präsidenten und Nobelpreisträger sind Berater und Freunde. «Ich bekomme jeden US-Politiker ans Telefon», sagt Hunt. Was treibt sie an? «Zufällig bin ich sehr reich. Es wäre doch fatal, diese Gelegenheit nicht zu nutzen.»