Von Peter Hossli
Die Schweiz – ein ewiges Klischee. Dasselbe gilt für ihr ramponiertes Image im fernen Amerika. Statt Heidiland ist Switzerland jetzt halt das Rafferland: Fast wöchentlich nörgelt die «New York Times». Zu lange hockten die Banker auf nachrichtenlosen Vermögen und die Politiker aufs Maul. Der Schaden ist nach wie vor immens.
Richten solls eher unverfänglich die Kunst. «Kommunikation über Kultur», gelobt der UBS-Manager Johannes Frey in seinem Büro in luftigen Höhen über der Park Avenue in New York. So soll erneut ein «fruchtbarer Dialog» zwischen der Schweiz und den USA gedeihen.
Wer in New York bestehen will, muss Trends setzen
Frey präsidiert den Vorstand des Swiss Institute, ein 1986 von Auslandschweizern gegründeter privater US-Verein, der sich 1992 eine öffentliche Aufgabe gab: historische und zeitgenössische Kunstvermittlung. Rund zwanzig Prozent des Budgets decken seither Bundesgelder. Den weit grösseren Rest der jährlich 750’000 Dollar steuern Stiftungen, Schweizer und amerikanische Konzerne bei. Credit Suisse, UBS, Novartis, Nestlé und Private legten zudem zwei Millionen Dollar in einen eigens gebildeten Fonds.
Die hiesige Attachée culturelle des Generalkonsulats, Patricia Schramm, preist das Swiss Institute als «wichtigste kulturelle Vertretung der Schweiz in den USA». Neben Kunstausstellungen gibts dort Vorträge, Tanz-, Musik- und Filmanlässe.
Doch derzeit fehlt der Institution die Führung. Die bisherige Direktorin Annette Schindler verlässt nach dreijährigem Gastspiel den Hudson River heimwärts ans Rheinknie, um in Basel das Forum Neue Medien aufzubauen. Chairman Frey nahm die Vakanz zum Anlass, «eine weitere Phase des Ausbaus» einzuleiten. Er weiss um die vife lokale Konkurrenz. Das helvetische Haus soll weiter professionalisiert und den Strukturen erfolgreicher US-Kulturstätten angepasst werden. So teilt der forsche Banker die Leitung künftig in zwei: Ab September bestimmen eine künstlerische Direktorin und ein redegewandter Manager die Geschicke. Dadurch soll ein «dynamisches Kommunikationsunternehmen» entstehen, «das uns den USA näher bringt – und umgekehrt», hofft Frey.
Das ist allerdings kein leichtes Unterfangen. Trotz voranschreitender Disneyisierung Manhattans beansprucht New York zu Recht, die Kunsthauptstadt der Welt zu sein. Im Dauerdschungel guter Ideen auf Gehör zu stossen verlangt einiges an Innovation und geistiger Frische. Wer bestehen will, muss nonstop erfinden, Trends setzen, Inhalte produzieren und – darüber reden.
Hinzu kommt die sonderbare Zwitterstellung des Swiss Institute, das Annette Schindler als «Hybrid», Patricia Schramm als «guten Deal für die Schweiz» bezeichnet. Führen die übrigen schweizerischen Kulturfenster im Ausland einen staatlichen Auftrag der Stiftung Pro Helvetia aus, bemühen sich in Manhattan etliche Grüppchen ums knappe Rampenlicht: Private Geldgeber treiben aktiv das Programm voran, und dem Bund fiel zum Sonderpreis ein lukratives Forum zu. An Benefiz-Dinners ehrt man Notablen. Bundesrätinnen schauen vorbei. Eidgenossenschaft wie Wirtschaft mögen das Häppchen Kunstprovokation – aber bitte nie zu viel.
Die Inhalte der auf Unabhängigkeit pochenden Kulturvermittler müssen bei Mäzenen, der offiziellen Schweiz und bei durchreisenden Amtsträgern ankommen. Gleichzeitig haben sie am harten hiesigen Kunst- und Medienmarkt zu bestehen.
Das Konsulat sei bisweilen «recht weit» hinsichtlich inhaltlicher Einmischung gegangen, klagt Annette Schindler. So wurde die von ihr bei Amtsantritt angekündigte Ausstellung zum Thema Geld nie verwirklicht. «Vorstand und Konsulat waren dagegen», sagt sie, das sei inmitten der Holocaust-Debatte wohl «zu heiss» gewesen. «Die Substanz fehlte», entgegnet Frey, «wirklich provokant war bloss der Titel.» Als «sehr belebend für den kommunikativen Prozess» empfindet der konfliktfreudige Bankier solche Spannungsfelder. Er hält die ideologischen Verkrampfungen zwischen Kunst, Staat und Wirtschaft ohnehin für ziemlich veraltet. Zumal in den USA, wo das Mäzenatentum blühe.
Schindler programmierte konsequent zeitgenössisch und bekam doch zu hören, nicht populär genug zu sein. Trotz Events, die Jean-Luc Godard oder Meret Oppenheim würdigten. «Die von mir angestrebte Dynamik mit dem Vorstand blieb aus», bedauert sie. Sie trete ab, weil sie am Swiss Institute erreicht habe, was zu erreichen sei. Konsulatsvertreterin Schramm wünscht sich nun von der noch zu findenden Direktion ein Programm, das mehr in die Breite geht: «Ich bin glücklich, wenn die ‘New York Times’ darüber berichtet.» Da der Politikteil der meinungsbildenden Zeitung meist hämisch über die Schweiz lästere, soll Positives im Kulturteil Freude bescheren.
«Das Wort ‘Swiss’ im Titel hemmt zuweilen»
Vorstandsmitglieder hätten den Wert von Rezensionen in kleinen Kunstzeitschriften nicht beurteilen können, entgegnet Annette Schindler dem Vorwurf, zu wenig Publizität gehabt zu haben. Immerhin nahm sie dem Swiss Institute das altbackene Image und ersetzte es durch eine zeitgemässe Identität, Website inklusive. Am Broadway, wo vor kurzem ein verblichener, unleserlicher Stofffetzen wehte, sticht nun eine blaue Fahne mit den Initialen SI/NY heraus – wichtiges Detail in einer Stadt, in der Äusseres so zentral ist wie der Inhalt.
Fest steht aber, dass das Swiss Institute trotz weitherum gelobtem Programm allzu selten wahrgenommen wurde, dies- wie jenseits des Atlantiks. Notierten schweizerische Blätter unter der Regentschaft von Annette Schindlers Vorgängerin Carin Kuoni den Besuch heimischer Künstler, hielten sie sich unter Schindler eher zurück, genauso die namhaften amerikanischen Zeitungen.
Über das Swiss Institute weiss beispielsweise die Ko-Leiterin der Fachstelle für Kultur des Kantons Aargau, Annette Schönholzer, wenig bis gar nichts. Den Informationsfluss bezeichnet sie als mangelhaft. In der breiten Schweizer Kulturszene sei das New Yorker Institut zu wenig verankert.
In New York ein ähnliches Bild, das der Kunstkritiker Mark Cohen als «ziemlich unsichtbar» beschreibt. Er hätte dort zwar viele hervorragende Sachen gesehen. Auf die sei er jedoch eher zufällig gestossen. Manche Kritikerkollegin kenne die Galerie im dritten Stock am Broadway nicht. Es mangle, sagt Cohen, an aggressivem Outreach. Umso dringender will Frey jetzt ein Team gewinnen, das sowohl schweizerische Kunst wie die New Yorker Eigenheiten kenne: «Street smart, gepaart mit echten Visionen.»
Die brauchts, um den Standardnachteil in SoHo zu überwinden. Der einstige Magnet der Avantgarde verkam langsam zum Open-Air-Shoppingcenter. Nicht Kunstfreunde, sondern Touristinnen bummeln nun mit prallvollen Modetaschen zwischen Houston und Canal Street. Kunst findet man in New York woanders, in Chelsea oder ennet des East River in Williamsburg.
Für komplett veraltet hält überdies der Schweizer Kunstkenner Christoph Doswald das nationalstaatliche Label des Swiss Institute. Selbst die Konsulatsvertreterin Schramm gesteht ein: «Das Wort ‘Swiss’ im Titel hemmt zuweilen.» Doch ohne «Swiss» gebe es kein Geld, weder von Firmen noch vom Bund.