Die Firma fürs Grobe

Die Swissair und das Olympische Komitee lassen sich von den Männern der PR-Agentur Hill & Knowlton beraten, wenns ganz brenzlig wird.

Von Peter Hossli

Der Showdown blieb aus, schliesslich weiss man sich in betuchter Gesellschaft zu benehmen. Besonnen zupften die Herren ihre Nadelstreifen-Zweireiher ein letztes Mal zurecht. Dann traten sie erhobenen Hauptes ab. Ein tristes Bild ging von Lausanne um die Welt – und doch ein so wichtiges für die Zukunft des Altherrenvereins: Das Internationale Olympische Komitee (IOK) räumt auf. Sechs korrupte Mitglieder, deren Stimmen die Olympiastadt Salt Lake City eingekauft hatte, legten vorletzte Woche ihr Amt nieder.

Die Putzequipe arbeitete derweil in einem gläsernen Büroturm in New Yorks Upper East Side. Von dort aus koordiniert die amerikanische PR-Agentur Hill & Knowlton das Krisenmanagement der gebeutelten Olympioniken.

Ihre Öffentlichkeitsarbeiter, die ansonsten Corn Flakes von Kellogg’s oder die Regierung des Wüstenstaates Katar vermarkten, bestimmen alle Schritte, die das IOK und die Veranstalter der Winterolympiade 2002 in Salt Lake City nun tun. Eilends fliegen sie von Lausanne nach New York und weiter zum Salzsee am Rande der Mormonenstadt in Utah.

Generalstabsmässig diktiert Hill & Knowlton etwa, welche IOK-Mitglieder welchen Medien Interviews geben. Wann wer was wem sagt. Überdies verschob die Agentur schleunigst die Präsentation des offiziellen Olympiamaskottchens von Salt Lake City, vorerst bis auf weiteres.

Die jüngsten Rücktritte passen bestens ins Hill-&-Knowlton-Konzept, genauso die gloriose Wiederwahl von IOK-Präsident Antonio Samaranch. Beides poliert das ramponierte Olympia-Image auf.

Auf dem Spiel steht vieles, vornehmlich in den USA. Dort sitzen neun der elf Hauptsponsoren des IOK. Die drohen den Geldfluss nach Olympia abzustellen. Ferner hat der amerikanische Kongress eine Untersuchung eingeleitet. Behebt das IOK nicht bald alle Zweifel, könnten die Beiträge der US-Regierung entfallen.

Sichtlich zufrieden sitzt Tom Hoog in seinem fensterlosen Büro an der Lexington Avenue. Dem körperlich umfangreichen US-Geschäftsführer von Hill & Knowlton gefällt die bisher geleistete Arbeit. «Es geht», sagt er, «wie in allen Notlagen in erster Linie darum, gründlich zu informieren.» Das sei bis anhin geschehen. Zum Verschwinden könne man eine Krise nie bringen. «Aber man kann sie stets kontrollieren.» Darin, sagt der IOK-Marketingchef Michael Payne, «ist niemand besser als Hill & Knowlton».

Dank deren weitherum geschätzter Losung «Verantwortung übernehmen, ohne Schuld einzugestehen» gelingt es der Firma meist, Krisenherde im Nu wegzureden. Dabei hilft ihr ein hervorragendes Beziehungsnetz, das bis ins Innere des Weissen Hauses reicht.

Hill & Knowlton, 1932 in Ohio gegründet, weltweit zweitgrösste PR-Agentur – das ist die Firma fürs Grobe, die erste Adresse für perfekte Krisenbe- wältigung. Zwar umfasse der artgerechte Umgang mit Bestechungsaffären, Flugzeugabstürzen oder regionalen Kriegen weniger als zehn Prozent des Auftragsvolumens, sagt US-Präsident Hoog. Gleichwohl wissen zwielichtige Staatschefs oder gefährdete Manager: Wirds brenzlig, eilt Hill & Knowlton mit Rat und Tat sofort an die richtige Stelle.

Binnen 24 Stunden nach dem Absturz der Swissair-Maschine 111 richtete sich im September eines ihrer Teams im kanadischen Halifax ein. Es half der Fluggesellschaft, «die uns wenig vertraute US-Medienlandschaft schnell in den Griff zu bekommen», erzählt Swissair-PR-Mann Hans Klaus. Mit Erfolg: Der Absturz konnte dem positiven Image der Schweizer Airline wenig anhaben.

Zu zweifelhaftem Ruhm kam Hill & Knowlton zu Beginn der Neunzigerjahre als skrupellose Vertreterin Kuwaits. Kurz nach dem Einmarsch irakischer Truppen in der Ölscheichkommune erhielt die PR-Agentur für 5,6 Millionen Dollar den Auftrag, die Welt auf einen gross angelegten Angriff auf Irak einzustimmen.

Das gelang mit einem dreisten Trick. Die Lobbyisten führten einem Senatsausschuss in Washington ein 15-jähriges Mädchen vor, das angeblich zugegen war, als irakische Soldaten in kuwaitischen Spitälern Brutkästen mitsamt zu früh geborenen Babys zertrümmerten. Die Barbarei schockte die Welt. Der damalige US-Präsident George Bush blies zum Angriff. Nur: Die Schauermär war erfunden, die vermeintliche Augenzeugin die Tochter des kuwaitischen Botschafters.

Aufgedeckt wurde das durch die «New York Times» – Jahre nach Ende des Golfkriegs.

Hernach verfiel Hill & Knowlton selbst einer Dauerkrise. Zuweilen wurde ihr «mangelnde Moral» bei der Wahl der Klientel vorgeworfen. Tatsächlich kannte die Agentur kaum Grenzen. Sie vertrat die umstrittene Church of Scientology oder einen radikalen amerikanischen Anti-Abtreibungsverbund. Staaten wie die Türkei oder China, in denen Menschenrechte bekanntlich wenig bedeuten, scheute Hill & Knowlton keineswegs.

Das seien Geschichten «einer betrüblichen Vergangenheit», sagt Tom Hoog heute. Inzwischen habe sich die Firma einen neuen Moralkodex zugelegt, die damalige Führung wurde ausgewechselt. Hoog, einst Berater des demokratischen Senators und späteren Präsidentschaftskandidaten Gary Hart, erachtet es als «falsch, Unwahrheiten zu verbreiten».

Für risikoreiche Kampagnen sei das heutige Publikum «zu aufgeklärt» und «zu fragmentiert». Seit dem Mauerfall in Berlin und dem explosionsartigen Wachstum des Internets habe sich das Wesen der Kommunikationsbranche sehr gewandelt. Die Globalisierung zwang Unternehmen vermehrt zu weltweiten Werbekampagnen. Das Internet vervielfachte die Geschwindigkeit der Informationsverbreitung. Inzwischen wirbt Hill & Knowlton in beinahe vierzig Ländern. Vertreten werden Konzerne wie British Telecommunications, der Basler Chemiemulti Hoffmann-La Roche oder die kanadische Provinz Ontario.

Verändert hätten sich zudem die Ansprüche an PR-Fachleute. Gefragt seien nun vermehrt Spezialisten, die über einzelne Branchen präzis Bescheid wüssten.

Gleich geblieben seien die Regeln guter Öffentlichkeitsarbeit. Es dürfe nie darum gehen, die Botschaft einer Firma, einer Person oder eines Landes grundlegend umzukrempeln. Eher müssten bestehende Inhalte über die wirkungsvollsten Kanäle ans Zielpublikum gelangen.

Derzeit setzt Hoog alles daran, die Firma vom Negativ-Image zu befreien. Hill & Knowlton soll nun für Innovation stehen. So erkannte die Agentur früh das Potenzial zahlungskräftiger homosexueller Kunden. Betreut sie eine US-Firma, verweist sie häufig auf schwule oder lesbische Kundschaft. Mit Erfolg. Im vergangenen Jahr verdoppelten sich Anzeigen und Fernsehspots, die gezielt an Homosexuelle gerichtet waren.

Nun hilft Hill & Knowlton dem IOK, griffige Regeln und demokratische Wahlverfahren aufzustellen. All das soll dereinst Ungereimtheiten verhindern. Pikantes Detail: Die ostkanadische Metropole Toronto wird sich nach den neuen Weisungen um die Sommerspiele 2008 bewerben. Für die Öffentlichkeitsarbeit engagierte Toronto kürzlich Hill & Knowlton. Zu Konflikten führe das «bestimmt nicht», beteuert Hoog. Mit dem IOK habe er «vertraglich festgehalten, dass wir weiterhin Olympiakandidaturen betreuen dürfen». Ausserdem, versichert er, würden «zwei komplett verschiedene Teams» die beiden Aufträge ausführen.

«Clinton braucht meine Tipps nicht»

Tom Hoog, 60, ist Geschäftsführer und US-Präsident von Hill & Knowlton. Zuvor war er Politberater. Er diente sechs Jahre lang Senator Gary Hart. 1984 leitete er Harts Präsidentschaftskampagne.

Mister Hoog, nächstes Jahr finden US-Präsidentschaftswahlen statt. Was raten Sie den Kandidaten hinsichtlich des Lewinsky-Skandals?
Tom Hoog: Die Öffentlichkeit hat genug davon. Sie wählt Kandidaten, die hauptsächlich thematisch überzeugen.

Wie muss kommuniziert werden?
Hoog: Die Kandidaten sollten sich offen darstellen und präzis erklären, warum sie welche politischen Themen für wichtig halten. Zudem müssen sie negative Kampagnen unbedingt vermeiden.

Sie sind ein Freund Bill Clintons. Was raten Sie ihm zur Verbesserung seines angeschlagenen Images?
Hoog: Der Präsident ist der beste Kommunikator, den dieses Land je gesehen hat. Er braucht meine PR-Tipps nicht.

Was macht sein Talent aus?
Hoog: Er kann jedes Thema perfekt zurechtbiegen. Alle verstehen ihn, und die meisten stimmen ihm gerne zu.

Wie gut waren die PR-Leute Clintons und Kenneth Starrs?
Hoog: Wer die Umfragen anschaut, erkennt: Clintons Team konnte die Öffentlichkeit für sich gewinnen. Das gelang den Gegnern des Präsidenten nie.

Wie verändert der Skandal die Meinungsbildung generell?
Hoog: Der Einfluss der «Spin Doctors» ist gestiegen. Das wirft ein schiefes Licht auf unsere Branche. Es sollte um Themen gehen, nicht deren Verdrehung.

Wer wird nächster Präsident?
Hoog: Al Gore könnte sich von seinem Tief erholen. Als Geheimtipp gilt der republikanische Senator von Arizona, John McCain, ein Mann der Mitte.