Von Peter Hossli
Mit mindestens vier Frauen hatte der designierte Sprecher des US-Repräsentantenhauses, Robert Livingston aus Louisiana, ausserehelich verkehrt. Vielleicht seien es noch mehr gewesen.
Handfest belegen konnte das Larry Flynt, seit 25 Jahren Herausgeber des Sexmagazins «Hustler». Der Skandal platzte am Mittwoch voriger Woche. Drei Tage darauf verzichtete Livingston auf sein Amt. Statt drittmächtigster Mann im Staat zu werden, setzt er sich zur Ruhe.
Pornoverleger Flynt macht derzeit Realpolitik. Im Oktober hatte er in ganzseitigen Anzeigen in der «Washington Post» Frauen bis zu einer Million Dollar geboten, wenn sie Beweise vorlegten, rechte Parlamentarier zum Ehebruch verleitet zu haben. So kam Flynt auch zu den Enthüllungen über Bob Livingston. Der bekam Wind davon – und trat zurück. Flynts Ziel ist es, die Doppelmoral der Republikaner zu entlarven. Deren Versuch, US-Präsident Clinton wegen der Affäre mit Monica Lewinsky aus dem Amt zu jagen, sind ihm zutiefst zuwider.
Denn Flynt hält Sex für nichts Schlimmes. «Das Problem der USA ist», sagt er, «dass Sex als schmutzig gilt. Wer aber Vaginas nicht mag, soll sich beim Hersteller beschweren.» Damit meint er Gott.
Bis jetzt zahlte der Verleger als Folge seines Aufrufs 500 000 Dollar für Indiskretionen aus. Die meisten sind noch unveröffentlicht. Demnächst, versprach er nach Livingstons spektakulärem Rücktritt, werde ein zweiter «grosser republikanischer Fisch» überführt.
Washingtons Establishment zittert vor dem Schmuddelmann, der auf Goldketten und Ami-Schlitten steht, das Büro mit Elfenbeinmöbeln ziert und Rüschenhemden trägt. Im Januar, kündete Flynt an, publiziere «Hustler» Fakten. Die von den Republikanern losgetretene Sexhatz werde zum Bumerang.
Nicht zum ersten Mal knöpft sich der einstige Nightclubbesitzer aus dem Hinterwäldlerstaat Ohio Politiker oder Juristen vor. Früher handelte er in persönlicher Absicht: Niemand sollte seinen Lebensstil beschneiden. Täglich, prahlte er einmal, schlafe er «mit einem Dutzend Frauen». Wenn er vor die Richter gezerrt wurde, trat er mit Nuggi im Mund auf und wickelte sich in Windeln, die aus einer US-Flagge bestanden. Bussen bezahlte er bar in Eindollarnoten, die er in Abfallsäcke verpackt hatte.
Inzwischen ist Flynt Multimillionär. Sein multinationaler Konzern publiziert rund dreissig Pornohefte. Der Biografiefilm «The People vs. Larry Flynt» von Milos Forman zeigte ihn 1996 als Held des amerikanischen Liberalismus, der mutig für die Meinungsfreiheit kämpft.
Flynts Karriere begann 1973 mit dem «Hustler». Als Programmheft für Nachtklubs geplant, wurde das Heft zur Antithese des Hochglanzmagazins «Playboy»: ein Sexheftli für Arbeiter. Flynt druckte nicht halb nackte, durch den Weichzeichner fotografierte Models, sondern Frauen, wie Gott sie schuf, dazu Paare beim Oral- und Analverkehr.
«Hustler» setzte Mitte der siebziger Jahre bereits 20 Millionen Dollar um – und ärgerte Konservative. Sie versuchten, das Magazin zu verbieten. Flynts Anwälten gelang es aber, Pornografie als eine Form von Meinungsäusserung darzustellen. Und die ist in Amerika frei.
Als Flynt 1978 ein Gerichtsgebäude verliess, schoss ihm ein Mitglied des Klu-Klux-Klan ein faustgrosses Loch in Bauch und Wirbelsäule. Flynt überlebte knapp, blieb aber querschnittgelähmt und impotent. Er schloss sich in seiner Villa in Beverly Hills ein und nahm Pillen und Kokain gegen den Schmerz. Seine Frau starb an Aids.
Von seiner Drogensucht geheilt, entschloss sich Flynt 1983, es den Amerikanern, die den Rechten Ronald Reagan gewählt hatten, nochmals zu zeigen. Er unterstellte dem Fernsehprediger Jerry Falwell in einer parodistischen Anzeige inzestuösen Sex mit dessen Mutter. Falwell verklagte Flynt auf 40 Millionen Dollar Schadenersatz. 1988 gab der Oberste Gerichtshof Flynt Recht: Da der Pfarrer eine Person des öffentlichen Lebens sei, dürften Witze über ihn gemacht werden.
Obwohl Flynt Breschen für Liberale schlägt, wird er nicht nur von Konservativen angegriffen. Feministinnen verurteilen die Frauen verachtenden Fotos im «Hustler». Würde man Tiere ähnlich ablichten, sagte die Herausgeberin des Frauenmagazins «Ms.», Gloria Steinem, ginge ein Aufschrei durch die Medien.