Das dunkle Kapitel der Evita

Eva Perón soll Nazi-Schergen zur Flucht verholfen haben. Das Fluchtgeld lag angeblich auf Schweizer Bankkonten.

Von Peter Hossli

Die Tomaten der Kommunisten galten Eva Perón. Während deren Besuch in der Schweiz 1947 bewarfen aufgebrachte Mitglieder der PdA die Gattin des argentinischen Staatspräsidenten Juan Perón mit angefaultem Gemüse. Frau Perón, derzeit von Popstar Madonna im gleichermassen aufwendigen wie zynischen Filmmusical «Evita» verkörpert, zeigte sich vom gezielten Wurf wenig irritiert. Sie hatte Wichtigeres im Sinn.

Evita, derzeit von Kino, Modeindustrie und bunten Illustrierten zu einer Art top gekleideten Staatsheiligen emporgehoben, befand sich damals auf Geschäftsreise. Unter ihrem Mädchennamen Eva Duarte eröffnete sie bei schweizerischen Geldinstituten mehrere Bankkonten, auf denen sie «Hunderte von Millionen Dollar» deponierte, wie das «Israelitische Wochenblatt» in seiner neusten Ausgabe berichtet.

Das Geld stammte aus organisiertem Verbrechen. Nazigrössen wie Adolf Eichmann oder Josef Mengele sollen den Peróns grosszügige Honorare für deren Fluchthilfe überlassen haben. Insgesamt 15 000 NS-Schergen seien unter Mithilfe von Juan und Eva Perón nach 1945 von Europa nach Argentinien geflüchtet. Dies belegten Dokumente, die Buenos Aires eben erst freigegeben habe, sagt der Exekutivdirektor des Jüdischen Weltkongresses, Elan Steinberg. Demnach spürte eine Geheimorganisation der Peróns flüchtige Nazis auf und offerierte ihnen gegen Bezahlung Sicherheit in Argentinien.

Der Jüdische Weltkongress, ansonsten stets darauf erpicht, antisemitische Handlungen sofort anzuprangern, schweigt sich zu Eva Peróns Opportunismus und Geldgier aus. «Derzeit sind wir mit einfach mit Wichtigerem beschäftigt», sagt Steinberg gegenüber FACTS. Da Alan Parkers «Evita» das dunkle Kapitel in Eva Peróns Geschichte ausspare und nicht verherrliche, sehe der Jüdische Weltkongress keinen Grund, gegen den Film vorzugehen.

«Madonna gekoppelt mit Faschismus», fügt die New Yorker Journalistin Tekla Szymanski an, «das würde dem Film und dem Umsatz der dazu gehörenden «Evita»-Mode schaden.» Daran habe die jüdisch dominierte Filmindustrie kaum Interesse.

Eine Kontroverse «um jeden Preis» verhindern möchte auch Carlos Menem, der argentinische Staatspräsident. Er ist bemüht, den schwelenden Antisemitismus in seinem Land ruhen zu lassen. Eine hitzige Debatte über Eva Peróns Rolle nach dem Krieg, fürchtet Menem, würde eine antisemitische Welle auslösen und Argentinien schweren politischen und ökonomischen Schaden zufügen.

Für die Zurückhaltung des Jüdischen Weltkongresses gibt Steinberg drei Gründe an: Der Film «Evita» zeige das Ehepaar Perón durchaus als korrupt. Dass, zweitens, das Kino nie historische Wahrheiten verbreite, sei eine alte Weisheit. «Und drittens freuen wir uns doch alle, Madonna auf Breitleinwand zu sehen.»