Gastgeber wider Willen

Nach acht Jahren Barack Obama stellt sich die liberale US-Hauptstadt auf einen republikanischen Wandel ein.

Von Peter Hossli (Text) und Stefan Falke (Fotos)

Pommes an würziger Sauce, dazu Schweinefleisch: Das serviert Stephanie Alfaro (25) einem Beamten aus einem roten Lieferwagen. Acht Dollar kostet der schmackhafte Lunch. Seit fünf Jahren parkiert Alfaro ihren Food Truck am Farragut Square in Washington D. C. und verkauft peruanisches Essen für hungrige Washingtonians. Ihr Vater kocht.

Vielen sei der Appetit vergangen. «Meine Kunden sind angespannt», sagt Stephanie Alfaro. Washington zittert. Weil ab heute mit Donald Trump (70) ein Republikaner regiert – im demokratischsten Flecken der USA. 91 Prozent der Einwohner der US-Hauptstadt wählten im November Hillary Clinton (69).

Schwule fürchten die Republikaner

Nun sehen sie zu, wie Cowboystiefel Turnschuhe ersetzen. Wie sich die Stimmung in der liberalen Stadt wandelt. «Viele meiner Kunden sind schwul», so Alfaro. «Sie fürchten die Republikaner.» Sie kam in den USA zur Welt, ihr Vater in Puerto Rico, die Mutter in Peru. «Trump hetzt gegen Latinos, jetzt leben wir in der gleichen Stadt.»

Es ist kurz vor Mittag, noch 24 Stunden amtet Barack Obama (55) als US-Präsident. Die Strassen in der Nähe von Kapitol und Mall sind für den Verkehr gesperrt. Arbeiter stellen WC-Häuschen auf, montieren hohe Metallzäune, legen Betonblöcke nieder.

Am Himmel kreisen Helikopter. Auf der 1,6 Kilometer langen und 120 Meter breiten Mall liegt harter Plastik, damit sich der Boden trotz erwartetem Regen nicht in ein Schlammbad verwandelt. Überall hängen Hinweise, dass während der Vereidigung Rucksäcke, Selfie-Sticks und Regenschirme verboten sind.

«Das Geschäft läuft schlechter als 2009»

Gleich hinter dem Kapitol verkauft Marshall Baker (53) Trump-Fähnchen. «Das Geschäft läuft schlechter als 2009», sagt er. «Mit Obama waren alle in Festlaune.» Nun wirkt die Stadt wie ein toter Sonntag. Viele Einheimische sind bereits im Wochenende. «Sie verdrängen den Aufmarsch der Republikaner.»

Dafür sind neue Lobbyisten angekommen. Etwa Dr. Richard Lang (60), der die Delaware Avenue entlangschreitet. Er führt ein Spital in El Paso, Texas, und möchte wieder mehr Geld verdienen mit Gesundheit. «Wir lobbyieren dafür, Obamacare zu bodigen.»

Am Abend besucht er eine Party mit 10’000 geladenen Gästen. Dresscode: Cowboystiefel und Smoking. Ein solches Fest sah Washington letztmals in der Zeit von Präsident George W. Bush (70).

«Endlich regiert wieder ein Republikaner»

Mit dabei sind Orie Lindler (12) und Freund Wylie Shaw (14). Die beiden jungen Republikaner reisten mit ihren Vätern aus South Carolina an. Sie betrieben Wahlkampf für Trump und erhalten dafür eine der begehrten Eintrittskarten für die Vereidigung. «Endlich regiert wieder ein Republikaner», sagt Wylie. An seinem Hals baumelt eine mit Elefanten bedruckte Krawatte, das Parteisymbol der Republikaner.

Festlich beflaggt ist der Hauptbahnhof von Washington. Seit Jahren verkauft Tini Cherkaoui hier politische Souvenirs. Die Muslimin trägt ein rosa Kopftuch, an ihrem Stuhl prangt ein «Hillary Clinton»-Kleber. «Am besten laufen Trump-Hüte», sagt sie. Aber: «Mit Obama erzielte ich mehr Umsatz.»

Trump-Kugelschreiber für vier Dollar

Im Angebot hat sie Schlüsselanhänger, Tassen, Pullover, Postkarten. Drei Ansteckknöpfe kosten acht Dollar. Ein Kalender mit Fotos von Trumps Familie ist für 15 Dollar zu haben, ein Trump-Kugelschreiber für vier Dollar.

Als «Blase» bezeichnet Uber-Fahrer Aubrey Kenny (35) seine Stadt. «Unter Obama war es eine demokratische Blase, jetzt wird sie eine republikanische.» Wie lange? «Bewegt Trump etwas, lieben sie ihn – sonst dreht Washington in vier Jahren wieder.»