Blockade ist gut für die USA

Die Demokraten von US-Präsident Barack Obama verlieren die Mehrheit im Senat. Die Macht in Washington ist nun geteilt. Was nicht nur schlecht ist.

Von Peter Hossli

obama_gridlockMit einem Wort betrat Barack Obama 2008 die politische Bühne: «Hope», Hoffnung. Weil sie hofften, wählten ihn die Amerikaner zweimal ins Weisse Haus.

Diese Hoffnung ist verpufft.

Bei den Kongresswahlen am Dienstag straften die Amerikaner Obama ab. Die Partei des Präsidenten – die Demokraten – verlor die Mehrheit im Senat an die Republikaner. Diese bauten ihre Kontrolle im Repräsentantenhaus markant aus.

Von «Gridlock» sprechen die Politik-Experten, was übersetzt Verkehrsinfarkt bedeutet. Eine Partei regiert im Weissen Haus, die andere bestimmt den Kongress, das Parlament. Damit, so die landläufige Meinung, geht gar nichts mehr in Washington.

Falsch. Eine Blockade ist das, was die USA brauchen – und Obama sogar nützen könnte. Zuweilen vergleichen Politologen einen Gridlock mit einem künstlichen Koma. Der Patient ist so krank, dass er komplett ruhig gestellt werden um. Nur so kann er wirklich gesunden.

Der Patient heisst Amerika, krank ist das politische System. Lobbyisten beherrschen den Kongress. Geld schreibt die Gesetze. Obama, einst angetreten, den Graben zwischen konservativ und liberal zuzuschütten, teilte das Land noch mehr.

Wütende Wähler reagierten und errichten mit ihrer Stimme jetzt eine Blockade. Sie wissen: Traditionell läuft der politische Prozess geschliffener, teilen sich beide Parteien die Macht. Stärker sind in Washington dann vernünftige Kräfte in der Mitte, schwächer die Extremen an den Rändern. Bewusst stellten die Republikaner mehrheitlich besonnene Kandidaten auf statt Tea-Party-Demagogen – und hatten Erfolg.

Ohne Kompromiss geht in Washington fortan nichts mehr. «Das ist eine grossartige Gelegenheit, etwas zustande zu bringen», sagt die einstige politische Beraterin von George W. Bush, Sara Taylor Fagen.

Denn will Obama etwas erreichen – bei der Immigration, im Nahen Osten, beim Klimaschutz –, muss er auf die Republikaner zugehen. Gelingt ihm dadurch doch noch ein grosser Wurf, erntet er die Lorbeeren.

Möglich scheint das. Die Republikaner können trotz Wahltriumph nicht einfach blockieren. Sei teilen die Verantwortung mit allen – ähnlich wie bei der Konkordanz in der Schweiz.

Dass Gridlock gut ist, zeigt ein Blick ins Geschichtsbuch. Beim kolossalen Civil Rights Act von 1964, der Schwarze und Weisse gleichstellte, regierte der Demokrat Lyndon B. Johnson mit einem republikanischen Kongress. Der wirkungsvollste Präsident der Neuzeit – Bill Clinton (68) – mühte sich sechs Jahre mit einem oppositionellen Parlament ab. Hatte eine Partei das Monopol, stiegen die Schulden, etwa nach republikanischen Steuerkürzungen 1981 und 2001.

Seit 1945 boomen die Börsen, wenn ein Demokrat regiert und der Kongress republikanisch ist. Die Aktien legten doppelt so stark zu. Nicht nur die Aktionäre profitierten. Am meisten Jobs schufen die Firmen während einer Blockade.

Absichtlich hätten die Gründerväter die Möglichkeit zur Blockade 1787 in die Verfassung geschrieben, sagt Bundesrichter Antonin Scalia (78). «Denn in dieser Zeit werden nur gute Gesetze verabschiedet.» Kein Wunder kopierte die Schweiz dieses System.