Mit Klüngelei die Probleme des Landes lösen

Der Schweiz geht es gut, wenn die Manager mit Bundesräten reden. Das war so bei der Swissair so und der UBS-Rettung.

Von Peter Hossli und Birgit Voigt (Text) und Arie Wubben (Foto) on Unsplash

Vor elf Jahren drohte die zweite Welle der heimtückischen Schweinegrippe über die Schweiz zu schwappen. Damals, 2009, war der Walliser Pascal Couchepin in seinem letzten Amtsjahr als Bundesrat. «Ich hatte sehr oft Kontakt mit Wirtschaftsführern», sagt der FDP-Altbundesrat. «Wir haben über Impfstoffe diskutiert und über verschiedene Möglichkeiten, die Seuche in den Griff zu bekommen.» Etwa darüber, wie der Bund von Roche genügend Dosen des Grippemittels Tamiflu beschaffen kann.

Altbundesrat Adolf Ogi schildert, wie er einst der Olympiakandidatur «Sion 2006» half, zehn Millionen Franken aus der Privatwirtschaft zu sichern. Er habe oft mit Managerinnen und Unternehmern telefoniert.

Die beiden Beispiele zeigen, wie wichtig für den Erfolg der Schweiz das Zusammenspiel zwischen Politik und Wirtschaft ist, zwischen Berner Amtsstuben und den Teppichetagen in Zürich, Basel oder Genf. Die oft als Klüngelei verschriene Beziehung ist Helfer in der Not, das Rettungsboot in Krisen.

Beim Swissair-Grounding im Herbst 2001 lief die Krisenbewältigung unter FDP-Bundesrat Kaspar Villiger allerdings erst richtig an, als die Airline schon am Boden stand. Der Bundesrat wusste um die volkswirtschaftliche Bedeutung der Airline. In der Pflicht zur Rettung sah er trotzdem nicht nur den Bund, sondern die ganze Wirtschaft. Die Spitzen der Schweizer Grossunternehmen pilgerten auf seine Einladung am Sonntag nach dem Grounding zu einem Treffen nach Bern. Von Nestlé über Novartis und Roche bis zu den Versicherungen und Banken sowie Autoimporteur Amag versammelte sich die Elite der Schweizer Grossfirmen. Beim Stelldichein liess Bundesrat Villiger quasi den Hut kreisen. Die Firmenchefs erhielten Bedenkzeit. Drei Tage darauf folgte eine nächste Zusammenkunft im Zürcher Nobelhotel Dolder. Zwischen 100 bis 200 Millionen Franken legte jeder Chef in den imaginären Hut. Dank dieser Finanzhilfe konnte der Flugbetrieb wieder weitergeführt und somit die internationale Anbindung des Landes sichergestellt werden.

Diese Art der Krisenbewältigung ist in Verruf geraten. Treffen von mächtigen Frauen und Männern in Hinterzimmern zur Regelung kniffliger Aufgaben haben inzwischen etwas Anrüchiges. Überall soll Transparenz und Mitsprache herrschen. Doch in Phasen, in denen die Dinge schnell entschieden werden müssen, sind solche runden Tische zielführender als Vernehmlassungen und Palaver.

Es funktionierte jedenfalls, als 2008 die UBS vor dem Kollaps stand. Gemeinsames Krisenmanagement in intensivster Form leisteten damals die Spitzen der Nationalbank mit Finanzminister Hans-Rudolf Merz und später mit Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf sowie der Führung der UBS. Sie kämpften gemeinsam für die systemrelevante Bank. Ab dem Spätsommer 2007 fanden tägliche Telefonate zur Krisenlage statt. Im Oktober 2008 schnürte die Gruppe ein Rettungspaket. Die Nationalbank übernahm von der UBS illiquide Papiere im Wert von 60 Milliarden Franken. Der damalige Nationalbankpräsident Jean-Pierre Roth prägte den Satz: «Die Nationalbank hat Zeit, wir sind da für die Ewigkeit.»

Auch in der jetzigen Pandemie gibt es Beispiele dafür, dass diese Art des gemeinsamen Anpackens noch bestens funktioniert. CS-Chef Thomas Gottstein sah im März 2020 die Notwendigkeit, Kredite für KMU bereitzustellen. Er besprach sich mit anderen Bankern und SNB-Präsident Thomas Jordan und rief schliesslich Finanzminister Ueli Maurer an. Maurer begriff und reagierte prompt. Es müsse «unbürokratisch und schnell» gehen, verlangte der Bundesrat von seinem eigenen Team. Zwei Wochen lang arbeiteten Beamte und Banker fast rund um die Uhr und schnürten ein Paket, das weltweit als Vorbild gilt. Mit öffentlichen Äusserungen erhöhte Maurer den Druck. Er machte Versprechungen in der Öffentlichkeit – und signalisierte: Es gibt keinen Spielraum, zu versagen. Die Aussage, das Geld müsse innerhalb von dreissig Minuten bei den Firmen sein, machte der Bundesrat ohne Rücksprache. Es funktionierte.