Von Peter Hossli (Text) und Pascal Mora (Fotos)
Somaliland ist ein junges Land, erst seit 26 Jahren unabhängig vom Nachbarn Somalia. Jetzt aber droht ein jähes Ende. «Die Dürre bedroht unsere Existenz», sagte Shukri Haji Ismail gestern im Interview. «Ja, ohne Regen könnten wir untergehen.»
Ismail amtet als Landwirtschaftsministerin von Somaliland. Sie empfängt die «Blick am Abend»-Reporter in ihrem Ministerium in der Hauptstadt Hargeisa – und schlägt Alarm. Somaliland stehe «vor dem ökonomischen Kollaps».
Die Wirtschaft des Landes basiert zu 65 Prozent auf Viehzucht, zu zehn Prozent auf Ackerbau. «Die Dürre hat fast das ganze Vieh dahingerafft, anpflanzen lässt sich kaum mehr etwas.» Die Landwirtschaftsministerin spricht ein Wort aus, das viele scheuen: «Hungersnot, ja, in Somaliland herrscht Hungersnot.»
280’000 Kinder sind unterernährt
Allein 280’000 Kinder sind unterernährt, davon 40’000 akut. Von der «schlimmsten humanitären Krise seit 1945» spricht die Uno. Auf Hilfe angewiesen seien 20 Millionen Menschen im Gürtel von Jemen über Somalia, Südsudan und Nigeria – und zwar dringend.
Ismail klagt an: «Zwar kommt jetzt Hilfe von reichen Ländern, aber zu spät und zu langsam.» Rascher seien private Hilfswerke. «Save the Children» etwa hat in Somaliland im Februar und März mit ihrer Nothilfe 80’000 hungrige Menschen erreicht.
Somaliland allein ist der Krise nicht gewachsen. Zu unruhig ist die politische Situation im Land. «Die Regierung gibt 45 Prozent für die Sicherheit aus, da fehlt Geld für Notfälle», sagt Ismail.
Verantwortlich für die Dürre sei «ganz klar der Klimawandel», sagt die Ministerin. «Seit zehn Jahren ist es jährlich noch trockener.»
Wobei sie nicht nur die reichen Länder dafür verantwortlich macht. «Die Welt ist ein Dorf, alle sind von allen betroffen. Wir in Somaliland haben zu viele Bäume für Holzkohle geschlagen.»
Ohnehin sei der Kampf gegen die Dürre ein Langzeitprojekt. «Die reichen Länder sollten den CO2-Ausstoss senken, und wir in Somalia müssen wieder aufforsten.» Das, sagt die Ministerin, «sei harte Arbeit».