“Sanktionen schwächen die Schweiz”

Der Tessiner Ständerat und Moskau-Freund Filippo Lombardi fordert einen anderen Umgang mit Russlands Präsident Wladimir Putin.

Interview: Peter Hossli

Herr Ständerat, Sie reisen oft nach Moskau. Weil Sie Russland so sehr mögen?
Filippo Lombardi:
Ein- bis zweimal jährlich besuche ich das Land, allerdings nicht immer Moskau. Als Co-Präsident der Parlamentariergruppe Schweiz-Russland setze ich mich für die parlamentarische Diplomatie ein. Russland ist politisch und wirtschaftlich wichtig. Nötig sind aber weitere demokratische Reformen. Da kann die neutrale und demokratische Schweiz helfen.

Im Westen wachsen seit dem Einmarsch auf der Krim die Ängste vor Russland.
Vor Russland braucht man sich nicht mehr zu fürchten als vor vielen anderen Staaten. Das Land ist nicht die Regierung und unsere Parlamentariergruppe nicht ihr Fan-Club. Wir pflegen parlamentarische Beziehungen und somit zum Volk – nicht bloss zu den Machthabern.

Die EU und USA haben Sanktionen gegen Russland verhängt. Nicht aber die Schweiz.
Absolut zu Recht. Die Schweiz setzt nur Uno-Sanktionen um. Nie solche, die eine Supermacht oder eine Gruppe von Ländern ausspricht. Wir müssen unsere Neutralität wahren!

Die Annexion der Krim ist völkerrechtswidrig.
Deshalb hat die Schweiz beschlossen, dass unser Land nicht Hand bietet, Sanktionen zu umgehen.

Wie beurteilen Sie die Sanktionen?
Sanktionen eines Blocks gegen den anderen sind kein geeignetes Mittel, Probleme zu lösen. Ich hoffe auf deren Ende. Nach drei Jahren ist klar: Sie haben nichts gebracht. Die Sanktionen haben Europa mitsamt der Schweiz wirtschaftlich geschwächt. Dafür verdoppelten sich US-Exporte nach Russland. Amerika findet stets Wege, zu profitieren.

Sie haben Präsident Putin getroffen. Wie gefährlich ist er?
Wladimir Putin ist kein westlicher Demokrat. Er regiert in einem Präsidialregime und nutzt geschickt die Instrumente seiner Macht. Aber die Änderungen der vergangenen 25 Jahre können sich sehen lassen. Früher war die Partei der Unterdrücker des Volkes. Dass nun die Mehrheit des Volkes hinter Putin steht, bestreitet niemand.

Ist Russland eine Diktatur?
Nein! Obwohl die Medienfreiheit nicht immer gewährt ist und die Geheimdienste lange Schatten werfen, kann man das Russland von heute nicht mit dem kommunistischen Regime gleichsetzen. Das Land wird weitere Schritte Richtung Demokratie vollbringen.

Können Sanktionen den Prozess nicht vielleicht beschleunigen?
Nach dieser Logik müsste man gegen drei Viertel aller Staaten Sanktionen verhängen. Wer hat gegen Chinas Staatschef demonstriert, als er in Bern war? Nur ein paar Tibeter!

Russland hofft, dass Donald Trump die Sanktionen aufhebt. Muss sich Europa vor einer Achse Trump-Putin fürchten?
Die Europäer sind selber schuld, Mitleid habe ich da nicht. Ihnen fehlt eine allgemeine und mit Russland eine griffige Aussenpolitik. Ob Trump die Sanktionen lockert, weiss ich nicht. Er steckt ja voller Überraschungen. Tut er es im Alleingang, haben die Europäer etwas falsch gemacht.

Glauben Sie, dass sich die Beziehungen zwischen der Ukraine und Russland entspannen?
Zu 30 Prozent. Früher hätte ich 60 Prozent gesagt. Aber ich habe viel erlebt: Menschen sind kompliziert, selbst wenn es vernünftige Lösungen gibt.

Was wäre denn die Lösung?
Mittlerweile hat jeder verstanden, dass die Russen die Krim nicht mehr hergeben. Es braucht nun zuerst die volle Umsetzung des Minsk-Abkommens. Dann Verhandlungen, um völkerrechtliche Abmachungen, Entschädigungen und ein neues Referendum unter internationaler Aufsicht in der Krim zu erwirken. Nur so ist Frieden im ukrainischen Donbass wieder möglich. So lange die Schweiz neutral bleibt, kann sie innerhalb der OSZE vermitteln.