Von Peter Hossli
Narren sagen, wie es ist. «Eigentlich sollte das Amt den Präsidenten müde machen», witzelte der US-Komiker Jon Stewart (54) letzte Woche. «Aber jetzt macht uns der Präsident müde.»
Zwanzig Dekrete hat Donald Trump (70) in den ersten zehn Tagen seiner Amtszeit unterzeichnet. Besonders grosses Chaos richtet sein Einreisestopp für Bürger aus sieben Staaten an.
Der Präsident hält, was er versprach. Zum Nachteil grosser Errungenschaften: des globalen Handels, des Friedens, sogar der Demokratie.
Der Wahrheit fühlt sich Trump nicht verpflichtet. Lieber sind ihm «alternative Fakten», ausserdem agiert er gern im Geheimen. Den Kongress informiert er nicht, bevor er ein Dekret unterzeichnet. Vom ersten Telefonat mit Russlands Präsident Wladimir Putin (64) gibt es keine Aufnahmen.
Die Sprache in offiziellen Papieren ist vulgär. Keine Spur von diplomatischem Fingerspitzengefühl. Mitten im Gespräch mit Australiens Premier legte Trump in dieser Woche den Hörer auf. Mit Iran liefert er sich einen Krieg der Worte. Nordkorea droht er mit Raketenangriffen. An ihrem Gipfel auf Malta besprachen die Spitzen der 28 EU-Länder am Freitag eine neuartige Gefahr: Amerika.
Wie Nero im alten Rom legt Trump weltweit Feuer. «Go big! Go far! Go fast!»
Einer trotzt ihm: Actionheld Arnold Schwarzenegger (69) bot Trump letzte Woche einen Jobtausch an. «Dann können die Menschen nachts wieder ruhig schlafen», so Schwarzenegger.
Doch wie gefährlich ist Donald Trump wirklich? Ist es nötig, wegen Ereignissen in Amerika in der Schweiz schlecht zu schlafen?
Verunsicherung
Was sieht UBS-Präsident Axel Weber (59) als grösste Gefahr für die Weltwirtschaft? «Dass Trump seine Ankündigungen umsetzt.» Manager wie Anleger fürchten die neue Unsicherheit, erzeugt durch den US-Einreisestopp für Bürger aus sieben mehrheitlich muslimischen Ländern. Google ruft Mitarbeiter aus dem Ausland zurück. Nestlé gibt Reisehinweise für die USA. Bei Swiss Re, ABB und Zurich ist man besorgt. US-Bundesrichter James Robart (69) aus Seattle setzte den Einreisestopp am Freitag aus. Trump twitterte, er wolle das «lächerliche Urteil umstürzen». Doch gestern stoppte das zuständige Ministerium die Umsetzung des Banns.
Finanzbranche
Am Freitag empfing Trump Banker im Weissen Haus. Er wies den Kongress an, den Dodd–Frank Act von 2010 zu lockern: ein Gesetz, das nach der Finanzkrise erlassen wurde, um die Banken zu reglementieren. Nun hofft die Finanzbranche, darunter UBS und Credit Suisse, die Entfesselung belebe ihr Geschäft. Da die Banken wieder grössere Risiken eingehen dürfen, wachsen die Gefahren.
Welthandel
Amerika bleibt die Lokomotive der Weltwirtschaft, der Dollar unangefochten einflussreichste Währung. Neben der EU sind die USA wichtigster Abnehmer von Schweizer Gütern. Brummt Amerika, jubilieren Uhrenmacher wie Chocolatiers. Für sie gilt: Je freier die Märkte, desto besser!
Allerdings will Trump Zölle für alle Nationen erheben, die mehr an Amerika verkaufen, als sie beziehen. Dazu zählen China, Deutschland – und die Schweiz. Sie verkaufte letztes Jahr Waren für 31,5 Milliarden Franken in die USA und importierte US-Produkte für 14,2 Milliarden Franken.
Auf erste Zölle folgt rasch ein «Wie du mir, so ich dir». Eine Spirale, die bald in Handelskriege münden kann. Das wiederum kostet Stellen und würgt in den beteiligten Ländern das Wachstum ab.
Trump will ausländische Kleider wie auch Autos mit 20 Prozent besteuern – mit Folgen für die Schweiz. Unsere Industrie ist ein wichtiger Zulieferer für Porsche, BMW und Mercedes. Wenn deren Autos in den USA teurer werden, dürfte die Nachfrage einbrechen.
Das Gleiche gilt für die Textilindustrie, die im Tessin für italienische Modehäuser produziert. Werden Zegna-Anzüge in New York um 20 Prozent teurer, verlieren Näherinnen in Stabio TI ihre Stelle.
Pharma
Über die Hälfte des Schweizer Handelsbilanzüberschusses mit den USA erwirtschaften Pharma- und Chemiekonzerne. Ihnen warf Trump unlängst «Mord» vor. Er meinte damit, die Margen für Medikamente seien viel zu hoch. Entsprechend radikal will er die Preise in den USA senken. Novartis-Chef Joe Jimenez (57) besuchte am Dienstag das Weisse Haus. Er müsse mehr Pillen und Pulver in den USA fabrizieren lassen, so Trump. Eine ähnliche Forderung wies Roche-CEO Severin Schwan (49) am Mittwoch zurück. «Unsere Produktion ist hochkomplex. Wir können nicht einfach so verlagern.» Stattdessen wollen sich die Schweizer Konzerne mit innovativen Medikamenten in den USA unverzichtbar machen.
Der Narzisst
Trump leide an «bösartigem Narzissmus», sagen Psychiater. Das ist eine gefährliche Störung. Menschen, die an ihr leiden, himmeln die eigene Grossartigkeit an. Diktatoren wie Muammar al-Gaddafi (†69), Saddam Hussein (†69) oder Fidel Castro (†90) gehörten zu ihnen. Sie gelten als verunsichert, sind paranoid, beschuldigen immer nur andere, es mangelt ihnen an Einfühlungsvermögen.
Tagelang verlor sich Trump im Streit darüber, wie viele Besucher seiner Vereidigung beigewohnt hätten. Ein Verhalten, das ihn unberechenbar macht. Und Gift ist für die Stabilität des Landes.
Institutionen
Trump ignoriert oder verachtet Institutionen wie Uno, EU, Nato oder die Welthandelsorganisation WTO. Ted Malloch (64) möchte er als US-Botschafter nach Brüssel schicken. Malloch geht vom Zerfall des Euro aus und vergleicht die EU mit der Sowjetunion. Positiv: Bei der EU könnte dies dringend nötige Reformen beschleunigen.
Atomwaffen
Die USA besitzen 6800 nukleare Sprengköpfe. Sofort einsatzbereit wären 1367. Russland hat etwa 200 mehr. Mitte der Achtzigerjahre waren es auf beiden Seiten rund 60’000. Der damalige US-Präsident Ronald Reagan (†93) trieb die UdSSR zur Abrüstung. Für Trump ein Vorbild. Er könnte wirtschaftliche Sanktionen lüften, sollte Russland weitere Sprengköpfe verschrotten.
Iran
Trump hält den Atomsperrvertrag mit Iran für «den dümmsten Deal aller Zeiten». Sein Verteidigungsminister und der neue CIA-Chef gehen Iran hart an. Ein bewaffneter Konflikt ist nicht ausgeschlossen. Die Schweiz ist involviert: Sie agiert als Briefträger zwischen Iran und USA.
Völkerrecht
Terrorbanden wie IS oder Al Kaida nutzen den Einreisestopp, um neue Mitglieder zu werben. Im Kampf gegen den Terror will Trump wieder foltern. Zudem empfindet er die vier Genfer Konventionen von 1949 als störend für US-Soldaten.
Familie
Viele meinten, Trump werde die USA wie die eigene Firma führen: umgeben von der Familie. Ehefrau Melania Trump (46) folgt ihm nicht ins Weisse Haus. Sie bleibt mit Sohn Barron (10) in New York. Formelle Macht hat eine First Lady zwar nicht. Sie bestimmt aber den Stil der Präsidentschaft, ist Vorbild, engagiert sich für noble Anliegen. Melania aber kneift.
Unfreiwillig fehlt Jared Kushner (36). Hoffnungsvoll setzten viele auf den besonnenen Schwiegersohn des Präsidenten. «Vanity Fair» berichtet nun, die beiden seien verkracht. Bewusst verlege der Präsident wichtige Entscheide auf die Zeit von Freitag- bis Samstagabend – wenn Kushner Sabbat feiert.
Der Manipulator
Statt auf die Familie setzt Trump auf seinen Einflüsterer Steve Bannon (63). Das US-Magazin «Time» nennt ihn den «grossen Manipulator» und zweitmächtigsten Mann der Welt. Bannon verfasste Trumps düstere Antrittsrede. Nun will er «alles einstürzen lassen und das Establishment zerstören». Er ist wohl der grösste Gefahrenherd.
Mitarbeit: Vinzenz Greiner, Moritz Kaufmann