Von Peter Hossli
Zwei Experten sind sich einig: Heimpflege für Patienten mit Hirn-Schädel-Trauma ist ideal. Sie sei «zwar schwierig», sagt Mark Mäder, jahrelang Chefarzt der Rehab-Klinik in Basel und Spezialist für Hirnverletzungen. «Doch sie ist optimal.» Zumal das Pflegeteam mit der Familie ein ideales Umfeld schaffen könne.
Mäders Nachfolgerin in Basel, Chefärztin Margret Hund, pflichtet bei: «Einen Patienten zu Hause zu pflegen und zu therapieren, ist eine wunderbare Möglichkeit.»
Davon profitieren dürfte bald Michael Schumacher (45). Es gibt Anzeichen, dass seine Frau Corinna (45) ihn zu Hause pflegen will. Im Laufe dieses Sommers soll er das Universitätsspital Lausanne verlassen, heisst es aus dem direkten Umfeld des Spitals. Mitte Juni hat der einstige Formel-1-Fahrer dort eine Therapie begonnen. Zuvor lag Schumacher fünf Monate lang in Grenoble (F) im Koma. Bei einem Skiunfall hatte er ein Hirn-Schädel-Trauma erlitten.
Platz für die Heimpflege hätte es genug. Die Familie lebt in einer Villa in Gland VD mit 55 Zimmern. Auf dem mondänen Anwesen am Genfersee steht ein zusätzliches Gebäude für Gäste und Personal. Derzeit stellen Arbeiter ein weiteres Haus fertig. Schumacher hatte es einst für Vater Rolf vorgesehen. Der Witwer sollte in der Nähe von Sohn und Enkeln leben.
Drei Schlafzimmer hat der Neubau, wie aus der Baubewilligung hervorgeht. Dazu zwei Umkleideräume, zwei Badezimmer und neben einer Küche zwei Wohnzimmer. Total 300 Quadratmeter beträgt die Fläche. Darin liesse sich für Schumacher eine kleine Klinik einrichten. Genau dies beabsichtige Corinna, berichtet die über Schumacher gut informierte Illustrierte «Bunte».
Hätten die Angehörigen die Zeit und Kraft, «ist die Pflege zu Hause die beste Lösung», sagt Ärztin Hund. «Wer möchte in diesem Zustand schon in einem Pflegeheim leben?» Bei einem Fünftel schwerer Hirn-Schädel-Trauma-Patienten sei die Heimpflege möglich, schätzt Chefärztin Hund. Bevor an die Therapie zu denken sei, müsse die Pflege rund um die Uhr sichergestellt sein. «Wenn jemand alleine essen und die Ausscheidungen kontrollieren kann, ist alles weniger aufwendig», erklärt Hund. «Es gibt aber durchaus Patienten, die mit einem Beatmungsgerät nach Hause können.»
Einfach sei es nicht, gerade für die pflegende Ehefrau, den pflegenden Gatten. «Aus einer Liebesbeziehung kann rasch eine Pflegebeziehung werden.»
Wie überall erleichtere Geld vieles. «Aber reich muss man nicht sein, um einen Patienten mit minimalem Bewusstsein nach Hause zu nehmen.» Nötig sei eine rollstuhlgängige Wohnung, ein Pflegebett, eine angepasste Toilette, richtige Hilfsmittel für die Therapie. Bei Schumachers neuem Haus etwa hats aussen keine Treppen.
Allgemeingültige Lösungen gebe es nicht, betont Hund. «Jede Therapie muss auf den Patienten zugeschnitten sein.» Was daheim gut möglich sei. In Betracht kämen Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Musiktherapie. Lernen müssen Patienten insbesondere die Transfers – vom Rollstuhl ins Bett, aufs WC, ins Auto.
Gland ist ein beschaulicher Ort. Alle 30 Minuten bringen Züge Pendler nach Genf und Lausanne. Bewohner reden über Schumacher. «Ja, ich habe gehört, dass er heimkommt», sagt die Kioskfrau. «Wann? Keine Ahnung.» Die Kellnerin im Café weiss von nichts. «Es gibt Gerüchte, aber alles ist strenggeheim, wir in Gland erfahren nichts», sagt die Coiffeuse. Treffend der Barmann am Bahnhof: «Es wäre wunderbar, käme Schumacher nach Hause.»
Die neue Zuversicht der Corinna Schumacher
Corinna Schumacher redet erstmals seit dem Skiunfall wieder über Michael. «Es geht bergauf. Langsam zwar, aber immerhin bergauf», sagte sie vorletzte Woche am Rand eines Western-Reitturniers. An die Besucher des Grossen Preises von Deutschland auf dem Hockenheimring schrieb sie ein Grusswort: «Gut zu wissen, dass wir die schwerste Zeit gemeinsam überstanden haben!» Oft trägt sie ein Glücksamulett am Hals: einen tibetischen Dzi-Stein, der an einer goldenen Kette hängt. Wie Michael, der den Stein am Lederband trägt. Dzi-Steine sind aus Achatquarz, das Material gilt Tibetern als heilig. Die Steine sollen magische Kräfte haben und den Träger vor Unglück und Krankheit schützen.
Mitarbeit: Katia Murmann