Interview: Peter Hossli
Chesley «Sully» Sullenberger (63) gilt als «Held vom Hudson». Der US-Piloten landete am 15. Januar 2009 einen Passagier-Jet auf dem Hudson River, einem mächtigen Strom, der entlang der Häuserschluchten New Yorks in den Atlantik mündet. Alle 155 Passagiere überlebten. Es war die erste erfolgreiche Notwasserung der zivilen Luftfahrt. Heute ist Sully als Autor und Berater tätig.
Kapitän Sullenberger, was kann ein Linienpilot tun, wenn eine Rakete auf seinen Jet zufliegt?
Chesley Sullenberger: Pilot und Crew versuchen stets, ihr Flugzeug unter Kontrolle zu halten. Auf 10000 Metern Höhe ist es schwierig, einen Jumbo-Jet ruckartig zu manövrieren. Sieht der Pilot die heranfliegende Rakete, kann er ihr daher nicht mehr ausweichen. Im Gegensatz zu Militärjets, die wendiger sind. Schlägt die Rakete ein, ist das Flugzeug verloren.
Was erleben Passagiere, wenn eine Rakete ihr Flugzeug trifft?
Aus Respekt vor den Angehörigen der Opfer sage ich dazu nichts.
Wie haben Sie auf den Abschuss von MH 17 reagiert?
Verstört. Das ist katastrophal. Ich dachte an die unschuldigen Zivilisten, an die Kinder. Sie dürften nie Opfer dieses Konflikts sein.
Der Abschuss eines Zivilflugzeugs ist etwas Verstörendes. Wie verändert er die Luftfahrt?
Es ist ja nicht das erste Mal, dass ein Zivilflugzeug abgeschossen wurde. Jetzt müssen wir endlich die internationalen Warnsysteme anpassen. Piloten wären auf gesicherte Informationen in realer Zeit angewiesen. Sie müssten ständig jene Daten erhalten, die die Spionage-Abteilungen zu den Krisenregionen erstellen.
Haben Fluggesellschaften keine verlässlichen Informationen?
Nein. Piloten erhalten die Daten von Flugbehörden. Diese sind zu wenig aktuell, zu wenig spezifisch, zu wenig gut interpretiert.
Dann hätte MH 17 nicht über die Ostukraine fliegen dürfen?
Diese Frage müssen die Untersuchungsbehörden klären. Sicher ist: Es gibt derzeit kein taugliches Verfahren, das Piloten aktuelle, interpretierte Informationen zu den Gefahren am Boden liefert.
Welche anderen Regionen sind gefährlich für Überflüge?
Gaza, Israel, Irak und Afghanistan, dazu die Zentralafrikanische Republik. Über diese Zonen sollte kein Pilot niedrig fliegen.
Gibt es ein Land, über das Sie heute gar nicht fliegen würden?
Mir fehlen genaue Angaben, um diese Frage zu beantworten.
Was lernen wir vom Abschuss?
Die Flugbehörden müssen ein weltweites System einrichten, speziell für Flüge über Krisenzonen. Und: Politische Gruppen müssen begreifen, dass es ihre Pflicht ist, das Leben und die Würde Unschuldiger zu schützen.