Im Dienste der Superreichen

Schweizer Banken engagieren sich immer mehr für vermögende Familien. Das heikle Offshore-Geschäft steht dabei nicht im Vordergrund.

Von Peter Hossli

Der Schweizer Banker erfüllt jeden Wunsch des Milliardärs. Vor dessen elf Villen musste er elf identische Sportwagen hinstellen. Stets voll betankt, mit derselben Musik auf dem iPod, derselben Farbe auf dem Gaspedal. «Das ist nicht mal der exotischste Wunsch, den ich für Superreiche erfülle», sagt der Angestellte einer kleinen Schweizer Privatbank, der anonym bleiben möchte.

Er betreut sogenannte Family Offices, kleine Vermögensverwalter mit 10 bis 20 Angestellten. Sie sorgen sich um Wohl und Haben wohlhabender Familien. Wachsen deren Vermögen, steigen die Probleme. Family Offices lösen sie.

Sie verwalten, bewahren, vermehren Geld. Wissen, welche Autos Millionäre und Milliardäre gerade fahren. Was gute Kunst ist, wo eine Jacht ankern kann. Wann eine wohltätige Sache sinnvoll ist.

Eines beschäftigt die Reichen besonders: ihre Steuern. Sie wählen Wohnorte danach aus. Und sie verschieben Euro und Franken in Steueroasen, was letzte Woche erneut für Schlagzeilen sorgte. Hinter legalen, halb legalen und illegalen Stiftungen verschleiern sie Gelder in der Karibik, im Südpazifik, auf Inseln im Britischen Kanal.

Schwerreiche Kunden von Schweizer Grossbanken aber «sind steuerehrlich und zahlen ihre Steuern», sagt Rolf Bögli, bei Credit Suisse Schweiz zuständig für «Ultra high net worth individuals», Kunden mit über 50 Millionen Franken Vermögen. Steueroptimierung ist jedoch ein Thema. Dabei helfen allerdings nicht die Banken, sondern das Family Office. Es befindet darüber, ob ein Wohnsitz in Mo­naco, der Schweiz oder in der Karibik lukrativer ist.

Ab 250 Millionen Franken, so die Faustregel der Branche, lohnt es sich für einen Krösus, ein eigenes Family Office zu schaffen. Der Besitzer heuert teure Finanzexperten samt Assistenten an.

Diese legen seine Gelder in Immobilien und Aktien an, in neuer Kunst und alten Weinen. Nicht selten verwalten sie Gestüte mit stolzen Araberhengsten.

Allein in Nordamerika gibts 3500 Family Offices, in Europa sind es rund 1000, im asiatischen und pazifischen Raum etwa 800. Zahlen zu Lateinamerika fehlen. In Brasilien entstehen täglich neue Einheiten. Dort suchen reiche Familien aus Angst vor Entführungen absolute Diskretion.

Nirgends wächst das Geschäft mit Family Offices schneller als in Asien. Allein in China gibt es jährlich 40 bis 50 neue Milliardäre. Viele von ihnen sind noch unternehmerisch tätig und führen ihre Firmen selbst. Zeit, um den Reichtum zu verwalten, bleibt nicht. Just gründen sie ein Family Office mit Experten.

Wozu aber benötigen Superreiche mit einem Family Office international tätige Grossbanken? Weil sie immer mobiler werden. Sie geschäften mal hier, mal dort, wickeln Deals in allen Zeitzonen ab.

Nicht mehr von offshore ist daher die Rede. Banken offerieren reichen Fami­lien sogenannte Multi-Shoring-Dienstleistungen an. Damit sie nicht nur in London, New York oder Zürich Devisen und Wertschriften handeln können. Sondern überall.

Dazu in der Lage sind weltweit fünf Banken: CS und UBS in der Schweiz, JP Morgan Chase und Goldman Sachs in den USA sowie die Deutsche Bank.

Banken wie Credit Suisse oder UBS belehnen für Family Offices grössere Aktienpakete. Sie beraten sie bei Private-Equity-Deals und gewähren Kredite. Für einzelne Family Offices setzen sie eigene Fonds auf, etwa in Luxemburg. Zudem ist mancher Schwerreiche auf Leistungen einer Investmentbank angewiesen. Die UBS etwa gewährt ihnen direkten Zugang zu Händlern auf Trading Floors. Normalreiche gehen über ihre Kundenberater.

Gerne umsorgt die UBS Erben. So lädt sie Kinder von Family-Office-Inhabern zu zweiwöchigen Kursen ein. Zuletzt liessen sich 38 Personen aus 32 Ländern von der Bank in die Finanzwelt einführen.

Geld ist nur der eine Teil. «Family Offices erledigen, was früher die klassische Hausfrau machte», sagt der Bankmitarbeiter, welcher einem Milliardär Sportwagen besorgte.

Er ist die Hausfrau. Für Kunden kauft und verkauft er Villen. Stellt Küchenpersonal ein, sorgt dafür, dass die Rasen der Anwesen ordentlich gemäht, Hecken ansehnlich gestutzt sind. Zuweilen muss er einen passenden Fisch für den Gartenteich besorgen.

Für die Kinder nomadisierender Schwerreicher sucht er Schulen am jeweils neuen Wohnort, befragt Lehrer, überweist Schulgeld. Als unlängst das Rennpferd eines Kunden erkrankte, organisierte er den Tierarzt, klärte ab, ob die Versicherung zahlt. «Jetzt weiss ich alles über Pillen für Pferde.»

Kürzlich ersteigerte er für ein Family Office ein kostbares altes Saiteninstrument, organisierte dessen sicheren Transport, schloss die Versicherung ab.

Er bucht Ferien, mietet Jachten und Jets, regelt Erbschaften, besorgt schon mal Brennholz für ein kaltes Chalet in Gstaad.

Seine Bank bietet dies aus geschäftlichen Gründen an. «Solche Soft-Faktoren binden reiche Kunden länger an uns als nackte Zahlen.» Handle einer nur mit Aktien, wechsle er rasch die Bank. «Lässt eine Familie ein Landgut verwalten, bleibt die Geschäftsbeziehung über Jahre erhalten.»

Besonders einträglich seien wohltätige Angebote. «Kunden wissen: Philanthropie bedingt ein langfristiges Engagement, um etwas zu erreichen.» Sowohl CS wie auch UBS beraten die Ultra­reichen philanthropisch.

Als «hart umkämpft» beschreibt Rolf Bögli von der Credit Suisse den Markt für Family Offices. «Es sind grosse Volumen, es gibt viele Anbieter.» Weltweit wächst das Segment der Schwerreichen jährlich um 6 bis 7 Prozent. «Auch Schweizer Banken sehen eine starke Zunahme.»

Von 800 Milliarden Franken, welche die CS verwaltet, gehören 41 Prozent den Superreichen. Vor vier Jahren waren es noch 25 Prozent. Ähnlich ist das Bild bei der UBS. Heute stammen 48 Prozent der 820 Milliarden verwalteter Vermögen von Ultrareichen. 2009 waren es 40 Prozent. Auch künftig setzen die Grossbanken auf Superreiche.

Für die Schweiz ein willkommener Trend. Der Finanzplatz musste sich von der Verwaltung schwarzer Gelder verabschieden und lebt «sehr gut» damit, so Patrick Odier, Präsident der Bankiervereinigung. «Banken verwalten längst nicht mehr nur private Vermögen, sondern auch Gelder von Institutionen, Staatsfonds und Familien.»

Family Offices sind äusserst diskret. Bekannt ist: Die zwölf grössten in der Schweiz beheimateten Family Offices verwalten je 10 bis 15 Milliarden Franken. Sie beschäftigen zwischen 15 und 20 Mitarbeitern. «Wir wissen selbstverständlich von jedem Family Office, wer dahintersteht, wer der Begünstigte ist», sagt CS-Banker Bögli. «Wir durchleuchten jede Beziehung.» Er sagt: «Wir machen keine Geschäfte mit Kunden, die wir nicht kennen.»