Romney – ein Segen für die Schweiz

Als Präsident würde Mitt Romney die US-Wirtschaft liberalisieren. Gewinner wären auch Schweizer Konzerne.

Von Peter Hossli

mittBis Donnerstag blicken CEOs aus aller Welt gebannt nach Florida. Dort kürt die Repub­likanische Partei bei ihrer vier­tägigen «Convention» den Ex-Gouverneur Mitt Romney (65) zum Herausforderer von US-Präsident Barack Obama (51).

Im rot-weiss-blau geschmückten Eishockey-Stadion von Tampa steht ein Thema klar im Vordergrund: die Wirtschaft. Sie ist der Schlüssel zum Weis­sen Haus. Wenn die Mehrheit der Amerikaner glaubt, es werde ihnen unter Obama besser gehen, wählen sie ihn wieder. Trauen sie Romney die wirtschaftliche Wende zu, hat er am 6. November gute Siegeschancen.

Auf Romney hofft so manches Schweizer Unternehmen. Dass sie von ihm als Präsidenten profitieren würde, belegt eine Studie der Credit Suisse (CS). «Republikanische Politik – insbesondere jene von Mitt Romney – ist tendenziell wirtschaftsfreundlicher als jene von Präsident Obama», schreibt CS-Analyst Paul Danis. Er sieht Vorteile für wichtige Schweizer Branchen: Banken, Rohstoffhandel, Uhren-, Maschinen- und Pharmaindustrie.

Scienceindustries, der Schweizer Wirtschaftsverband von Chemie, Pharma und Biotech, teilt diese Einschätzung. Direktor Beat Moser: «Unsere Mitglieder erzielen in Amerika den höchsten Anteil ihres Weltumsatzes, deshalb sind wir hier speziell an guten unternehmerischen und innovativen Rahmenbedingungen interessiert.» Und weiter: «Republikanische Präsidenten stehen eher dafür ein, was den USA, der gesamten westlichen Welt und somit auch der Schweizer Volkswirtschaft indirekt zugute kommt.»

Schweizer Banken in den USA und US-Finanzhäuser versprechen sich vom einstigen Financier Romney lockerere Regeln und Gesetze. «Wall Street will Mitt Romney im Weissen Haus», so Danis. Als Präsident würde er «die Situation der Banken sicher erleichtern». Was gut ist für die Wall Street, hilft letztlich dem Paradeplatz.

Zieht Romney 2013 ins Weisse Haus, hätte die UBS dort die Hand am Puls. Der republikanische Ex-Senator Phil Gramm (70) gehört zu dessen engsten Beratern. Zuvor stand er zehn Jahre im Sold der UBS. Er trat ab, um Romney zu dienen.

Mit besten Noten schloss Romney, ein Mormone, das Studium der Betriebswirtschaft an der Harvard University ab, Amerikas Kaderschmiede. Nebenbei erwarb er einen Doktortitel in Recht. Die Beraterfirma Boston Consulting stellte ihn 1976 ein. Später gründete er die Private-Equity-Firma Bain Capital. Dort scheffelte er gegen 200 Millionen Dollar – genug, um sich der Politik zuzuwenden. Ehrenamtlich bewahrte er die Olympischen Winterspiele 2002 in Salt Lake City vor dem Bankrott. Im Anschluss bewarb er sich erfolgreich um den Gouverneursposten von Massachusetts im eher liberalen Nordosten der USA.

Nun verspricht er, Amerika mit einem Fünfpunkteplan aus der tiefsten Wirtschaftskrise seit den Dreissigerjahren zu holen:

• Romney will die heimische Energie-Industrie stärken, also vermehrt fossile Brennstoffe fördern lassen. Bohrungen nach Erdöl würde er sogar in Naturschutzgebieten erlauben. Obama hatte das eingeschränkt.

• Romney setzt auf Freihandelsabkommen, an denen Obama wenig Interesse hatte.

• Die Staatsschulden und das enorme Budgetdefizit will Romney reduzieren. Nicht mit Steuererhöhungen, sondern mit einer geringeren Staatsquote.

• Schrumpfen soll der Einfluss der Gewerkschaften.

• Schliesslich will Romney ­Gesetze und Regulierungen lockern, die aus seiner Sicht den Gang der Wirtschaft behindern.

CS-Analyst Danis schreibt: «Tiefere Steuern, mehr freier Handel und schwächere Gewerkschaften helfen der Wirtschaft.»

Auch jener in der Schweiz. Die USA sind nach Deutschland zweitwichtigster Handelspartner. 2011 exportierten Schweizer Firmen Güter im Wert von 21,3 Milliarden Franken in die USA – trotz Frankenstärke so viel wie nie zuvor. Zugleich importierte die Schweiz Waren aus den USA für 9,1 Milliarden Franken. Aus US-Sicht belegt die Alpenrepublik unter allen Absatzmärkten immerhin Rang 16.

Besonders viele Schweizer Pillen und Pulver gehen nach Amerika. Pharmaprodukte machten 37,5 Prozent der Exporte aus, ­gefolgt von Uhren (24,5) und Maschinen (13,7).

Zwar schweigen Novartis und Roche zu einzelnen Kandidaten. Klar ist: Sie wollen Romney, da er Obamacare bodigen würde. «Die von Obama durchgesetzte Krankenkasse erhöht die Gesundheitskosten. Ich werde sie re­duzieren», so der Republikaner. Pharmakonzerne wie Novartis und Roche könnten mit Romney höhere Preise für Arzneien verlangen, glaubt Analyst Danis.

Romneys erste Amtshandlung? Ein Gesetz in den Kongress zu bringen, das zwölf Millionen Jobs schaffen soll. «Die Leute in der Wirtschaft sind meine Freunde, nicht meine Feinde», sagte er letzte Woche im Interview mit dem US-Magazin «Fortune». Obama «verteufelt all jene, die im Privatsektor arbeiten». Er habe es «für die Wirtschaft schwierig gemacht, Geld in den USA zu investieren». Nicht zuletzt, weil unter allen OECD-Ländern bloss Japan höhere Gewinnsteuern verlangt als Amerika.

Romney verspricht, den Spitzensteuersatz für Profite von 35 auf 25 Prozent zu senken und die USA für Firmenansiedlungen attraktiver zu machen.

Die Schweizer Uhrenindustrie begrüsst das. «Republikaner wollen tiefere Steuern, Demokraten höhere», sagt Maurice Altermatt, Ökonom beim Verband der Schweizerischen Uhrenindustrie. «Für Luxusprodukte gilt: Bei tiefen Steuern kaufen mehr Kunden teure Uhren.»

Wichtiger noch sei das Wirtschaftsklima. «Wenn die Amerikaner wieder an eine starke globale Wirtschaft glauben, geben sie mehr aus.» Unter Obama sei dieses Vertrauen gesunken. Obwohl nur noch 13 Prozent ihrer Exporte in die USA gehen, sind die USA für die Schweizer

Uhrenindustrie ein wichtiger Markt. Fast 60 Prozent setzt sie in Asien ab. «Es gibt aber immer noch viele Personen an der Wall Street mit grosser Kaufkraft. Sie sind wichtig für uns», sagt Uhrenökonom Altermatt. Zumal «die ganze Welt hofft, dass die USA wieder zurückkommen. Wir alle brauchen den amerikanischen Markt.»

Als grüner Präsident zog Barack Obama einst ins Weisse Haus. Mit 150 Milliarden Dollar förderte er die Entwicklung von Alternativenergien wie Sonne oder Wind und schränkte Bohrungen in Naturschutzgebieten ein. Romney möchte diese Vorschriften lockern. Sollte er Präsident werden, sagt CS-Analyst Danis, würden mehr Ölplattformen gebaut, insbesondere in Alaska und im Golf von Mexiko. Davon profitieren wird die weltweit grösste Meerbohrfirma Transocean mit Sitz in Zug.

Schweizer Banker aber hoffen wohl vergebens, dass der Steuerstreit mit Romney rascher zu schlichten ist. Egal, wer Präsident wird: Das wichtigste bilaterale Thema zwischen den USA und der Schweiz bleibt auf der Tagesordnung. George W. Bush hatte Doug Shulman als Direktor der Steuerbehörde IRS eingesetzt. Unter Obama behielt dieser seine aggressive Taktik bei. Unter Romney würde er sie fort­setzen.

Bis zu den Wahlen ist die Angelegenheit ohnehin blockiert. «Die US-Präsidentschaftswahl ist gewiss ein Unsicherheits­faktor», sagt eine Sprecherin des Staatssekretariats für interna­tionale Finanzfragen. «Aber das Dossier nimmt seinen Lauf.»

Derweil hoffen die Bauern auf einen Wahlsieg Obamas. «Es ist davon auszugehen, dass Romney den Freihandel vorantreiben will», sagt der Vizedirektor des Bauernverbandes, Urs Schneider. Obama hatte wenig Interesse daran. «Meines Erachtens ist es besser, wenn Obama im Amt bleibt», sagt Schneider.

Noch müssen die Bauern nicht zittern. Würde Amerika morgen wählen, hiesse der Sieger Barack Obama. Die Republikaner allerdings erhielten die Mehrheit im US-Kongress. Diese Machtteilung würde der Wirtschaft nützen. Weil sie Regierung und Parlament zu pragmatischen Lösungen zwingt.

Grelle Politik-Propaganda
Morgen Montag beginnt in Tampa der Parteitag der Republikaner. Aus allen 50 Bundesstaaten sowie aus Washington D. C. reisen rund 5000 Parteimitglieder mitsamt Familien nach Florida. Ihre Aufgabe: Am Donnerstagabend küren sie Mitt Romney zum offiziellen Präsidentschaftskandidaten ihrer Partei und Paul Ryan zum Kandidaten fürs Amt des Vize­präsidenten. Insgesamt 15 000 akkreditierte Journalisten werden über den Konvent berichten und schildern, wie Republikaner Amerika mit Ballonen, Konfetti, Na­tionalhymne und Gebeten feiern.

Wie einst im Mittelalter
Nur über die Wirtschaft wollte Mitt Romney am Konvent der Republikaner reden. Sich in Florida als moderner Konservativer präsentieren. Wie Ronald Reagan für tiefe Steuern, einen kleinen Staat einstehen, Millionen von Jobs versprechen. Romney weiss: Er kann Barack Obama nur schlagen, weil die Arbeitslosenrate mehr als acht Prozent beträgt. Nie zuvor schaffte ein amtierender US-Präsident bei so vielen Stellensuchenden die Wiederwahl.

Dann sagte der erzkonserva­tive Senatskandidat Todd Akin, Frauen könnten nicht schwanger werden, wenn sie «rechtmässig vergewaltigt» werden. Zwar distanzierte sich Romney von der absurden Aussage. Es half nichts. Just stand der sozialkonservative Flügel der Partei im Vordergrund, nicht der fiskalkonservative.

Klar wurde: Christliche Fundamentalisten haben bei den Republikanern das Sagen. Davon zeugt das rückwärtsgewandte Programm, das die Partei in Florida verabschieden will. Ein Embryo wird darin als Person bezeichnet. Demnach kann eine Mutter nach einer Fehl­geburt wegen Kindsmissbrauchs angezeigt werden. Abtreibung soll selbst bei Inzest und Ver­gewaltigung illegal werden.

Um die Einwanderung aus Mexiko einzudämmen, wollen Parteirechte einen Zaun entlang der Grenzen bauen lassen. Vergeblich hatte sich Romney gegen diesen Punkt gewehrt. Er fürchtet um Latinostimmen.
Ehen unter Homosexuellen gelte es einzuschränken. Nicht so der Erwerb von Waffen und Munition. Der soll in Amerika noch freier werden als heute.