Neue Route der Autoindustrie

Die Chemiefirma Ems macht sich fit für einen neuen Autoboom – aber nicht hier, sondern in China, Indien und Lateinamerika.

Von Peter Hossli

autowerkeMarkus Kremmels Prognosen tönen verheissungsvoll. 100 Millionen Fahrzeuge sollen 2015 jährlich vom Laufband rollen, «das sind 30 Prozent mehr als heute», schätzt der Leiter Geschäftsentwicklung von Ems-Eftec, einer Tochterfirma der Ems-Chemie AG in Domat/Ems GR.

Das enorme Wachstum betreffe vor allem Asien, dazu Osteuropa und Lateinamerika. Westeuropa werde vom Boom wohl kaum profitieren. Hier schliessen die Fabriken eher ihre Tore. Jüngst vermeldete Europas zweitgrösster Autohersteller, PSA Peugeot Citroën, ein Werk bei Paris aufzugeben. 3000 Arbeiter verlieren dort ihren Job. In Rennes (F) baut PSA 1800 Stellen ab, weitere 3000 bei der PSA-Verwaltung. Einzelne italienische Auto­werke nutzen derzeit weniger als 30 Prozent ihrer Kapazität. Und die Zukunft der deutschen Opel-Werke bleibt ungewiss.

Das ist fatal für die Ökonomie der Alten Welt: Von jedem Arbeitsplatz in einer Autofabrik hängen bis zu sechs weitere Jobs bei Zulieferfirmen ab. Deshalb gilt: Ein Land mit gesunder Autoindustrie hat meist eine sehr robuste Wirtschaft.

Weltweit gibt es derzeit 650 Auto­fabriken. Gemäss Ems ist geplant, in den nächsten sieben Jahren 85 neue in Betrieb zu nehmen. 50 davon sind im Bau. Kein einziges Werk entsteht in Westeuropa, keines in den USA, jahrzehntelang Zentren der Autoproduktion.

Nun sind acht Werke in Indien geplant, neun in Südostasien, 40 in China. Dazu neue Fabriken in Brasilien, Argentinien und Mexiko. Jobs, die Europa gut gebrauchen könnte, wandern für immer ab.

Die Ems-Tochter Eftec baut Roboter, welche Autos mit spritzbaren Kunststoffen abdichten und vor Rost schützen. Bei automatischen Abdichtsystemen ist Eftec weltweit führend. Zudem liefert Ems Klebstoffe, die den Stahl der Karosserie mit den Kunststoffen verbinden. Davon braucht es immer mehr. Seit den Siebzigerjahren vervierfachte sich der Plastikanteil in Autos. Der Anteil von Stahl ging zurück, von 75 Prozent des Gewichts auf nur noch 60 Prozent.

Da sich Stahl und Plastik nicht verschweissen lassen, steigt der Bedarf an Leim. Pro Auto liefert Ems bis zu zehn Kilogramm Klebstoffe.

Das Unternehmen hat sich früh auf die Verlagerung nach Fernost eingestellt. Bereits 1995 eröffnete der damalige Konzernchef Christoph Blocher im Norden des Riesenreichs ein erstes Werk. Mittlerweile betreibt Ems in China vier Werke – und reagiert auf den asiatischen Boom.

Bis 2015 will Ems-Chefin Magdalena Martullo zwei neue Produk­tionsstätten in Süd- und Westchina eröffnen, dazu je ein Werk in Indonesien und Südkorea.