“Die Schweiz hat einen sehr guten Ruf in Nordkorea”

Die Schweizer Deza-Mitarbeiterin Katharina Zellweger hat sich in Nordkorea jahrelang für die Linderung des Hungers eingesetzt. Jetzt redet sie über den Tod von Kim Jong Il und die Hoffnungen der Nordkoreaner.

Von Peter Hossli

katharina_zellwegerKatharina Zellweger (59) gilt als exzellente Kennerin Nordkoreas. Zwischen 1995 und 2006 leitete sie das Nordkorea-Programm von Caritas Internationalis, bis Herbst 2011 das Deza-Büro in der Hauptstadt Pjöngjang. Derzeit hält die Schweizerin an der Stanford University Vorlesungen über Korea.

Frau Zellweger, wie geht es den Menschen in Nordkorea?
Katharina Zellweger: Es ist nicht mehr so prekär wie während der Hungersnot von 1995 bis 1999. Aber viele leiden nach wie vor an chronischer Unterernährung. Drei Millionen Menschen sind in Nordkorea auf internationale Lebensmittelhilfe angewiesen.

Wie wirkt sich die Mangelernährung konkret aus?
Fast alle Kinder sind extrem kleinwüchsig. Die normalerweise dunklen Haare der Koreaner verfärben sich rötlich. Etliche haben schlechte Haut. Es mangelt an Eiweiss, Fett, Vitaminen und Mineralien.

Wie haben Sie sich selbst ernährt?
Den Ausländern geht es in Nordkorea gut. Es gibt Geschäfte für Diplomaten, in denen man mit Euro und Dollar einkaufen kann. Ich selbst hatte ein eigenes kleines Gewächshaus und pflanzte Salat und Rüebli an.

Wer nach Nordkorea reist, muss sein Mobiltelefon abgeben. Wie haben Sie kommuniziert?
Es gibt zwei Netzwerke: eines für Koreaner, eines für Ausländer. Mittlerweile haben 800000 Nordkoreaner Mobiltelefone. Sie können aber nur untereinander telefonieren. Ausländer können einander anrufen sowie Gespräche mit dem Ausland führen. Miteinander telefonieren dürfen die beiden Gruppen jedoch nicht.

Wie haben Sie auf den Tod von Kim Jong Il reagiert?
Er kam unerwartet. Wir hatten zuletzt das Gefühl, es gehe ihm gesundheitlich besser. Es wäre gut gewesen, hätte sich sein Sohn länger aufs neue Amt vorbereiten können.

Wer hat jetzt die Macht?
Genau lässt sich das nicht sagen. Es ist ein Zusammenspiel zwischen Partei, Militär und der Familie. Ich gehe vom Status quo aus – ausser es kommt mit Südkorea zu einer Konfrontation.

Am Fernsehen war hysterische Trauer zu sehen. Ist sie echt?
Das Hysterische ist Teil der koreanischen Kultur, insbesondere Frauen zeigen ihre Trauer öffentlich.

Welche Hoffnung haben die Menschen Nordkoreas?
Erste Priorität hat das Überleben. Daran wird sich nichts ändern.

Warum haben Sie sich so lange in Nordkorea engagiert?
Mich faszinierte nicht zuletzt die Isolation des Landes. Es ist zudem ein Ort, wo man noch etwas be-wegen kann, wo sich Uno und Hilfswerke nicht auf den Füssen stehen. Die Schweiz hat überdies einen sehr guten Ruf in Nord-
korea.

Was genau macht die Schweiz?
Bis anhin hat sie humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit geleistet. Sie hat landwirtschaftliche Programme und Wasserprojekte unterstützt sowie Leute ausgebildet. Zudem hilft sie bei der Lebensmittelversorgung. Ab 2012 beschränkt sich das Schweizer Engagement auf das Humanitäre.

Was liefert die Schweiz?
Milchpulver – über das Welternährungsprogramm der Uno. Dieses wird zu nahrhaften Keksen für Schulkinder verarbeitet, und zu angereichertem Brei, den stillende Mütter und schwangere Frauen erhalten. Sie leiden neben Kindern und Betagten besonders an Mangelernährung.