“Wir wollen einen vollständigen Austausch von Informationen”

Der demokratische Senator Carl Levin ist federführend, wenn es um die Bekämpfung von Steueroasen geht. Jetzt wirft er der Schweiz vor, Profit auf Kosten der USA zu machen.

Von Peter Hossli

carl_levinMit einem flapsigen «hey folks» begrüsste Carl Levin am Mittwoch die Teilnehmenden einer Anhörung zu Steueroasen. Es waren die einzigen freundlichen Worte des 74-jährigen Senators aus Michigan. In einer Brandrede bezeichnete er das Bankkundengeheimnis als «cash cow der Schweiz». Die Profite, welche damit erzielt würden, seien «ill-gotten gains», Sündgeld. Er werde alles unternehmen, «das Bankgeheimnis zu beenden», sagte Levin. «Wir gehen mit unserer ganzen Macht dagegen vor.» Zum Schluss sprach er der UBS und der Schweiz eine Warnung aus: «Ihr wart bis anhin die Gewinner, jetzt unternehmen wir alles, um Euch dieses Sündgeld abzuknöpfen.»

Unmittelbar nach der Anhörung konnte ich Levin zusammen mit anderen Reportern befragen. Eine Aufzeichnung.

Senator Levin, wie viele Kontennamen wollen Sie von der UBS?
Carl Levin: Es handelt sich um rund 46’000 UBS-Konten in der Schweiz von 40’000 amerikanischen Bürgern.

Was hat Ihnen die Anhörung vor dem Senatsausschuss gebracht?
Levin: Wir haben gezeigt, dass Steuerabkommen mit anderen Ländern nicht taugen, um Informationen zu kriegen, die wir benötigen. Derzeit müssen wir beweisen, dass Verbrechen begangen wurden. Solche Verfahren sind langwierig und schwierig. Sie dauern Jahre. Die Beweislast ist zäh. Es darf nicht sein, dass es Strafverfahren braucht, um von Ländern wie der Schweiz Daten zu kriegen.

Was fordern Sie?
Levin: Länder müssen mit uns kooperieren, wenn es um die Durchsetzung unserer Gesetze geht. Mit dieser Anhörung wollte ich zeigen, dass wir Gesetze brauchen, die stärker sind als bilaterale Steuerabkommen.

Dann respektieren Sie die Abkommen zwischen den USA und der Schweiz nicht?
Levin: Steuerabkommen sind wenig hilfreich, um Informationen zu kriegen. Das zeigt der Fall UBS. Würden die Abkommen etwas taugen, hätten wir jetzt 40’000 und nicht bloss 250 Namen.

Die Schweiz hat durchblicken lassen, sie sei zu Kompromissen bereit. Reicht Ihnen das?
Levin: Es reicht nicht, wenn das Bankgeheimnis nur ein bisschen gelockert wird. Wir verlangen den vollständigen Austausch von Informationen zwischen Regierungen, die ihre gegenseitigen Gesetze respektieren.

Warum ist die Schweiz dazu nicht bereit?
Levin: Sie versucht Geld zu machen, indem Gesetze anderer Länder verletzt werden. Darum geht es. Reden wir mal offen. Das Bankgeheimnis in der Schweiz hat enorme Mengen von Geld angezogen, das vor Steuerbehörden anderer Regierungen versteckt wird. Das ist der Grund für diese Konten. Das ist nicht akzeptabel. Die Schweiz und andere Länder machen Geld auf unsere Kosten. Wir und Kanada haben eine komplett offene Beziehung untereinander. Das ist die einzige Art, wie zwei Länder miteinander kooperieren sollten.

Sie warfen der Schweiz in der Anhörung vor, ihre Gesetzgebung werfe Sündgeld ab. US-Staaten wie Delaware, Utah oder Alaska haben ähnliche Gesetze. Praktiziert die USA da nicht Heuchelei?
Levin: Wir werden Gesetze lancieren, welche von diesen Bundesstaaten eine volle Kooperation mit den Gesetzeshütern verlangen.

Auch der britische Premierminister heuchelt, wenn er gegen Steueroasen vorgehen will.
Levin: Klar, es gibt ein paar britische Territorien, die als Steueroasen eingestuft werden sollten. Wir alle müssen daheim anfangen. Wenn unsere Gliedstaaten Dinge tun, die es den Behörden erschweren, Gesetze durchzusetzen, müssen wir damit aufräumen.

Dennoch liegt der Focus auf der Schweiz und den Schweizer Banken.
Levin: Es handelt sich um eine massive Geheimoperation, welche in der Schweiz und anderen Steueroasen praktiziert wird. Es ist riesig und könnte uns jährlich rund 100 Milliarden Dollar kosten.

Wie wollen Sie das stoppen?
Levin: Am G20-Meeting im April wird ein neuer Kurs eingeschlagen. Die Steueroasen werden ins Visier genommen. Da aber Steueroasen ihre Gesetze nicht ändern, müssen wir unsere Gesetze ändern. Wir können uns nicht auf die Schweiz verlassen, oder auf irgendeine andere Steueroase. Wir müssen ihnen die Gewinne wegnehmen, die sie aus geheimen Konten ziehen.

Wie wollen Sie das erreichen?
Levin: Wir müssen sattelfeste Gesetze für amerikanische Bürger verabschieden. Das werden wir tun [mit dem Stop Tax Haven Abuse Act]. Wir haben den Präsident der Vereinigten Staaten auf unserer Seite, hat uns Finanzminister Timothy Geithner zugesichert.

Sind Sie sicher, dass Barack Obama Ihr Gesetz unterstützt?
Levin: Ich habe ihn heute gesehen, er hat mir anerkennend zugelächelt, als ich ihn an Geithners Zusage erinnerte. Zudem war er in seiner Rolle als Senator Koautor des Gesetzes. Wenn Geithner sagt, er unterstütze das Gesetz in jeder Beziehung, ist das eine starke Zustimmung von Seiten der Regierung.

Bevor das Gesetz zur Abstimmung kommt, muss es durch die Finanzkommission. Wie beurteilen Sie die Chancen dazu?
Levin: Da uns die Regierung unterstützt, bin ich hoffnungsvoll, dass noch dieses Jahr ein Gesetz gegen Steueroasen zur Abstimmung kommt, sei es unser Vorschlag oder ein anderes Gesetz.

Sie haben die Schweizer Regierung zur Anhörung eingeladen. Warum kam sie nicht?
Levin: Sie glaubte wohl, sie würde ein schwieriges Parkett betreten. Sie wusste, dass sie Fragen beantworten müsste, die sie nicht beantworte will, vor allem, ob sie ihre Gesetzgebung ändert. Stattdessen flüstern die Schweizer vor sich hin, sie könnten sich vorstellen, Gesetze anzupassen. Bei der Anhörung wären sie ziemlich aggressiv befragt worden, warum sie so weit gegangen sind, aus Verlusten eines befreundeten Landes Profite zu ziehen. Wie konnten sie so etwas rechtfertigen? Das wollten sie nicht beantworten. Aber fragen Sie die Schweizer selbst, warum sie nicht kamen.

Bedroht Ihr aggressives Auftreten nicht das Verhältnis zwischen zwei befreundeten Ländern, die sonst gut zusammen arbeiten?
Levin: Ich vertraue auf diese Freundschaft, dass die Schweiz eine unhaltbare Gesetzgebung beendet. Und dass sie aufhört, der Steuerbehörde eines Alliierten Informationen zu verweigern.

Wie wollen Sie das erreichen?
Levin: Es gibt viele Mittel, mit denen wir gegen die Schweiz vorgehen können. Wir werden ausländische Banken angreifen können, die in den USA Geschäfte tätigen wollen. Oder wir gehen gegen unsere eigenen Banken vor, die mit ausländischen Banken Geschäfte tätigen, die aus Ländern stammen, die nicht voll mit unseren Gesetzhütern kooperieren und ihnen die Namen von Leuten verweigern, die in diesen Ländern geheime Bankkonten haben.