Von Peter Hossli
Auf dem Buffet liegt der pochierte Lachs neben Reiskuchen und grünem Spargel. Während des Essens horcht eine Gruppe amerikanischer Ökonomen zwei Norwegern. Am Institute for International Economics, einer Denkfabrik in Washington, erläutern sie den norwegischen Pensionsfonds.
Ein Raunen geht durch den Raum, als der Philosoph Andreas Føllesdal erklärt, der Fonds hätte wegen Kinderarbeit sämtliche Aktien der US-Supermarktkette Wal-Mart abgestossen. «Wie hat Wal-Mart reagiert?», will einer der Gäste wissen. Bevor Føllesdal antworten kann, fällt ihm ein schlanker Mann ins Wort. «Ich bin von Wal-Mart», sagt Ray Bracy, ein Lobbyist. «Wir bedauern den Entscheid und versuchen, ihn rückgängig zu machen.»
Die Pensionskasse des Kleinstaates ist derart gewichtig geworden, dass ein US-Konzern einen Lobbyisten an ein informelles Mittagessen entsendet. «Wir sind der grösste Fonds, der extern investiert», sagt Jens Petter Olsen. Er leitet das US-Büro des 1990 angelegten Fonds und ist zuständig für Obligationen.
Der Fonds – gehütet von der norwegischen Nationalbank – beschäftigt 132 Personen. Sein Vermögen wird von den Öl- und Erdgasexporten vermehrt und beläuft sich auf derzeit 1784 Milliarden Kronen oder 353 Milliarden Franken. Nach Saudi-Arabien und Russland ist das 4,6 Millionen Einwohner zählende Land der drittgrösste Energieexporteur. Verprassen die meisten Ölländer ihr Guthaben, legt es Norwegen an. «Der Reichtum muss vielen Generationen zugutekommen», sagt Jens Olsen und beruft sich auf die Politik. «Das Parlament legt die Regeln fest. Als Portfolio-Manager versuche ich, damit die höchstmögliche Rendite zu erzielen.»
Die Rendite ist beachtlich. Sie lag letztes Jahr bei 7,9 Prozent, wobei die Aktien ein Plus von 17 Prozent einfuhren und die festverzinslichen Werte mit 1,9 Prozent positiv zu Buche schlugen. In den letzten zehn Jahren erwirtschaftete der Fonds ein durchschnittliches Plus von real 6,5 Prozent. Nach Abzug der Kosten blieben im Schnitt 4,6 Prozent – obwohl die Finanzmärkte zwischen 2000 und 2003 den stärksten Einbruch seit dem Zweiten Weltkrieg durchlebten.
Als Rente an die Pensionierten darf nur die Rendite ausbezahlt werden. Das Fondsvermögen ist unantastbar. Es steigt dank der hohen Energiepreise rasant – in den letzten zehn Jahren um 286 Milliarden Franken. Allein letztes Jahr kamen 57,4 Milliarden Franken dazu. Das sind enorme Summen, die von 80 Portfolio-Managern in Oslo, London, New York und bald auch in Schanghai innerhalb des parlamentarischen Leitfadens frei investiert werden. Der Fonds sei wie eine «Ansammlung vieler kleiner Hedgefonds» organisiert, sagt Olsen. «Sie konkurrenzieren um die besten Renditen.» Je erfolgreicher einer ist, desto mehr vom Kapital wird ihm zugeteilt. Zudem steigt der erfolgsabhängige Lohn. Die internen Vermögensverwalter messen sich überdies mit 50 Mandaten, die die Norweger extern vergeben.
Novartis ist die grösste Position aus der Schweiz
Dieser Konkurrenzkampf und die breite Risikoverteilung bilden die Stützen der Strategie. Hinzu kommt eine ausgefeilte Formel: 60 Prozent werden festverzinslich angelegt, 40 Prozent fliessen nach einem selbst erstellten Index in Aktien und ähnliche Papiere. Anlagen dürfen in 42 Ländern getätigt werden, wobei ein klarer Trend zu aufstrebenden Schwellenländern zu erkennen ist. Der Fonds hält Aktien von mehreren Tausend Firmen, aber nie mehr als 5 Prozent. Novartis ist mit einem Buchwert von 1,2 Milliarden Franken die grösste von 51 Schweizer Positionen. Das entspricht einem Anteil von 0,619 Prozent an der Pharmafirma. Am meisten Einfluss hat der Fonds bei der Biopharmafirma Arpida. Er hält 2,294 Prozent an der Gesellschaft. Anteile an norwegischen Firmen sind ausgeschlossen. Der Fonds ist für die heimische Wirtschaft zu kapitalstark. «Investierten wir in Norwegen, gehörte uns bald das ganze Land.»
Olsen bezeichnet die Portfolio-Manager als «Schlüssel des Erfolgs». Obwohl die Zentralbank weniger zahlen könne als die grossen Investmenthäuser, gelinge es, Topleute anzulocken – und zu behalten. «Weil wir mehr Freiheiten haben», sagt Olsen. Er selbst verbringe 90 Prozent seiner Zeit mit Handeln. Er müsse sich weder Anlagekommissionen fügen noch müsse er festgelegten Prozessen folgen. «Ich fälle meine Entscheide völlig unabhängig.»
Ein ethischer Fonds
Die Generationen, für die Norwegen seine Öleinnahmen anlegt, sollen sich für das viele Geld dereinst nicht schämen müssen. «Wir verhindern Komplizenschaft», sagt der Philosoph Andreas Føllesdal. Er unterrichtet an der Universität von Oslo Menschenrechte und gehört einem fünfköpfigen Gremium an, das die Anlagen des norwegischen Pensionsfonds ethisch beurteilt. Zwei Grundsätze leiten den Rat: «Wir wollen langfristig eine solide Rendite erwirtschaften», sagt Føllesdal. «Und wir investieren nicht, wenn inakzeptable Praktiken vorliegen.» Firmen, die wissentlich schwere Menschenrechtsverletzungen schüren und selbst bei Warnung nichts dagegen tun, die korrupt vorgehen oder die Umwelt merklich schädigen, werden ausgesiebt. Stellt ein Konzern Bestandteile für chemische, biologische oder nukleare Waffen her, setzt der Ethikrat ihn auf die schwarze Liste. Hersteller von Streubomben sondert der Rat dann aus, wenn der Anteil des explosiven Materials den Grenzwert überschreitet.
Ausgeschlossene Firmen
Streubomben
Alliant Techsystems Inc.
General Dynamics Corp.
L3 Communications Holdings Inc.
Lockheed Martin Corp.
Poongsan Corp.
Raytheon Co.
Thales S. A.
Nuklearwaffen
BAE Systems PLC
Boeing Co.
Eads Co.
Eads Finance B. V.
Finmeccanica SpA
Honeywell International Corp.
Northrop Grumman Corp.
Safran S. A.
United Technologies Corp.
Landminen
Singapore Technologies Engineering
Menschenrechtsverletzungen
Wal-Mart Stores Inc.
Wal-Mart de Mexico S. A.
Umweltverschmutzung
Freeport McMoRan Copper & Gold Inc.