Wohnen wie ein echter New Yorker

Besucher profitieren davon, dass im «Big Apple» viele ihre Wohnung untervermieten. Keine Lust in New York in einem Allerweltshotel zu übernachten? No Problem. Denn möblierte Wohnungen gibt es in der US-Metropole zu hauf. Allerdings sind sie oft klein und teuer

Von Peter Hossli

Jeweils Ende Mai stellt Sandra Jensen ihre Pflanzen in den Garten, um sie dem Regen auszusetzen. «Meine Mieter giessen partout keine Blumen», sagt die New Yorker Künstlerin, die Tierporträts malt und seit vierzig Jahren mit einem Dänen verheiratet ist. «Meine Ehe hat so lange gehalten, weil wir jeden Sommer nach Dänemark fahren.»

Jensen kann sich eine Auszeit in Europa leisten. Bereits zum zwanzigsten Mal vermietet sie heuer ihre Duplexwohnung im West Village, dem einstigen Bohemien-Quartier New Yorks. Ihr Ertrag: 4000 Dollar pro Monat. «Wir machen das nur aus einem einzigen Grund», sagte Jensen. «Wegen des Geldes.»

Horrende Preise, selbst für Kleinstwohnungen

In New York tun viele genau das. Selbst wer nur wenige Tage verreist, versucht seine Bleibe zu vermieten. Die Nachfrage nach dem Dach über dem Kopf ist in New York nämlich so gross, dass auch Kleinstwohnungen teuer vermietet werden können.

Im Heim von Kunstmalerin Jensen finden drei Personen Platz. Sie bevorzugt dabei Studentinnen, die im Sommer ein Praktikum bei einer Anwaltskanzlei absolvieren. «Die arbeiten zwölf Stunden am Tag und sind abends zu müde, um Schäden anzurichten», sagt sie. Ihre Mieterinnen findet sie jeweils online. Seit ein paar Jahren publiziert Jensen Inserate auf Craigslist, der mittlerweile globalen Kleinanzeigen-Site.

Sie ist die bei weitem beste Anlaufstelle, um eine möblierte Wohnung in New York zu finden, für ein paar Tage oder auch Monate. Die Site kostet nichts, ist einfach zu navigieren, von überall her zugänglich, eine Registrierung ist nicht nötig.

Das Angebot ist vielfältig. Da ist ein junges Paar in Brooklyn, das ein möbliertes Zimmer «nur an eine Nichtraucherin» vermietet, für 65 Dollar die Nacht. Die nächste Anzeige offeriert ein Haus in der noblen Upper East Side von Manhattan, «mit Dienstmädchen, Koch, Butler und Chauffeur». Die Nacht kostet 2000 Dollar – mit einer minimalen Aufenthaltsdauer von vier Tagen. Wer einen Monat bleibt, kriegt 50 Prozent Rabatt und bezahlt 30 000 Dollar.

Solche Preise erschüttern die New Yorker nicht. Immobilen sind deren Obsession. Über nichts wird mehr Smalltalk betrieben. Stimmt in einer Stadt die urbane Legende von der Grossmutter, die wegen ihrer Wohnung von den Enkeln beseitigt wird, dann in New York.

Die Häusermanie hat direkte Auswirkungen auf die Mieter möblierter Wohnungen: Der Vermieter ist klar der König. Die Nachfrage übersteigt bei weitem das Angebot. Zudem sind die Hotels teuer, selbst einfachste Zimmer kosten gegen 200 Dollar die Nacht – wenn sie frei sind. Das treibt die Preise selbst jener möblierten Wohnungen in die Höhe, die wenig Komfort bieten. Eine enge und laute Wohnung kostet in Manhattan schnell mal 2500 Dollar pro Monat. Umso wichtiger ist es, bei der Suche gewisse Aspekte zu beachten.

Wer bei Craigslist sucht, sollte wissen, in welchem Stadtteil er wohnen will. Es lohnt sich, über Manhattan hinauszublicken. Brooklyn, und hier vor allem die Quartiere Brooklyn Heights, Cobble Hill und Carroll Gardens, hat mächtig an Popularität gewonnen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Mit der Subway ist man im Nu downtown. Zwar sind die Wohnungen nicht viel billiger als in Manhattan, dafür ruhiger und grösser. Ausserdem finden sich dort alle Annehmlichkeiten einer Grossstadt – etwa viele Restaurants mit internationaler Küche.

Bei Craigslist lassen sich die Anzahl Schlafzimmer sowie das Mietminimum und -maximum eintragen. Wobei einige Vermieter die Rate monatlich, andere pro Nacht berechnen. Es gehört zur Craigslist-Etikette, E-Mail-Anfragen rasch zu beantworten. In der Regel muss die gesamte Miete im Voraus beglichen werden, aus dem Ausland meist mit Banküberweisung, anderen genügt es, bei der Ankunft das Geld zu kriegen – in bar.

Schwunghaftes Geschäft unter der Hand

Die Untermiete steht allerdings juristisch auf wackeligen Beinen. Viele Apartments dürfen theoretisch nicht kurzzeitig vermietet werden. Das ist den Hotels vorbehalten. Das hält die meisten New Yorker allerdings nicht davon ab, es unter der Hand trotzdem zu tun. «Wenn dich jemand fragt, sag einfach, du bist meine Schwester und wohnst gratis hier», rät mancher seiner Untermieterin. Es ist üblich, dem Türsteher ein sattes Trinkgeld zu schieben – damit dieser schweigt.

Wem all dies zu riskant ist, kann sich bei einer auf möblierte Wohnungen spezialisierten Agentur melden. Der Marktführer Furnished Quarters mietet Wohnungen und lässt sie von Designern möblieren. Das Inventar umfasse vom Studio bis zur Luxuswohnung rund 650 Einheiten, sagt Sprecherin Susan Nasiatka. Die Ausstattung erinnert an Hotelketten, viele Zimmer sind sauber, jedoch eher klein. Ein Studio in Manhattan kostet monatlich rund 5000 Dollar, eine Zweizimmerwohnung 6000 Dollar. Sie vermiete vor allem an Banken und deren Angestellte, sagt Nasiatka. Touristen seien auch willkommen.

Die Agentur City Sonnet bedient fast nur Touristen. Deren Besitzer David Paca vermietet rund 50 Wohnungen. Das Angebot reicht vom Zimmer mit Frühstück in einer bewohnten Wohnung bis zur geräumigen Loft. Paca verlangt pro Nacht zwischen 100 und 400 Dollar. Da oft eine ganze Familie Platz findet, ist das Angebot lukrativ. Frühes Buchen ist dabei Pflicht. Der tiefe Dollarkurs treibt ausländische Touristen noch immer nach New York. «Ausser im Februar gehen die Wohnungen immer weg», sagt Paca.