Ein gefundenes Fressen

Auf der Suche nach noch mehr Erfolg: Die kometenhaft aufgestiegene Suchmaschine Google wagt das IPO. Google will an die Börse. Der Run auf die Aktien der Suchmaschine dürfte gigantisch sein. Google ist die Erfolgsstory zweier seriöser Tüftler, die von Beginn weg nur eines im Sinn hatten: ein hervorragendes Produkt anzubieten.

Von Peter Hossli

Erfolg misst man in den USA in Dollars und Cents, enormen Erfolg in Verben und Substantiven. Längst nennen Amerikaner eine Fotokopie «a xerox». Ein schöner Anblick? «A Kodak moment.» Wenn jemand Informationen sucht oder sich vor dem Rendezvous über die Marotten des Tisch- und vielleicht Bettpartners kundig machen will, wird gegoogelt. Sie tippt den Namen des Bewerbers ins Suchfeld – und weiss, falls er existiert, binnen 0,2 Sekunden alles. Kein Date, ohne vorher zu googeln, so die Faustregel.

Täglich 150 Millionen Mal wird bei Google nach Informationen gesucht. Längst ist die 1998 in Kalifornien gegründete Suchmaschine unentbehrlich geworden. Die 10 000 Google-Server erledigen weltweit 76 Prozent aller Internet-Suchoperationen in 87 Sprachen. Da das Internet die Bewegungen des wohl wertvollsten Gutes – der Information – bündelt, ist der Einfluss von Google enorm. Es ist das Meter dessen, was die Welt wissen will.

Dabei sei Google eine Firma, gegründet von Geeks und gemanagt von Geeks, wie das Wirtschaftsmagazin «Fast Company» schreibt. Ein zusammengewürfelter Haufen, bestehend aus 1000 intelligenten Tüftlern, die insgesamt 34 Sprachen sprechen und die Internetinhalte so einfach wie möglich auffindbar machen.

Mit Suchen und Finden werden Millionen verdient

Mit enormem finanziellem Erfolg. Die private Firma soll heuer über eine Milliarde Dollar Umsatz erzielen. Der Gewinn beträgt – je nach Schätzung – zwischen 60 und 300 Millionen Dollar. Glaubt man der «Financial Times», ernten die Google-Gründer und -Investoren nun die Früchte ihrer seriösen Arbeit. Wie das Blatt letzte Woche enthüllte, planen sie bald den Börsengang.

Die Erfolgsstory hat so begonnen, wie im Silicon Valley vieles beginnt. Zwei Doktoranden der Stanford University, Sergey Brin und Larry Page, entwickelten Algorithmen, mit deren Hilfe sie das Internet rascher und zielgenauer durchkämmen konnten. Sie folgen dem Hitparade-Prinzip und zeigen jene Resultate zuoberst an, die häufig angewählt werden und verlinkt sind.

Den ersten Server bauten sie mit eigenem Geld, rund 20 000 Dollar. Der Chef von Sun Microsystems und Professoren von Stanford investierten in die Firma, später kamen die Risikokapitalisten hinzu. Ihr Start-up benannten Brin und Page nach einer Riesenzahl mit 102 Nullen, der Googol. Die beiden mittlerweile 30-Jährigen waren besessen von einem ebenso einfachen wie viel versprechenden Ziel: Internetnutzer sollten mit geringstem Aufwand exakt das finden, was sie suchten. Nichts durfte auf ihrer spartanisch anmutenden Site das Sucherlebnis trüben. Nur so würden die Leute in Scharen kommen. Kommen sie, kommt auch das Geld, so das Ansinnen. Zuerst, betonen die Websucher, musste das Produkt funktionieren. Keinesfalls wollen sie mit den Kapitalvernichtern der Neunzigerjahre verwechselt werden.

Sie stellen Menschen, nicht Computer in den Vordergrund. Google bekommt täglich 1500 Bewerbungen. Letztes Jahr heuerte die Firma 300 Leute an. In jedes Anstellungsverfahren werden 87 Stunden investiert. Angestellt wird, wer Risiken eingeht und ausserhalb der berühmten Box denkt. 60 promovierte Ingenieure denken für Google.

Brin und Page lassen ihren Ingenieuren alle Freiheiten. Aus Fehlern lerne man, heisst ihr Mantra, aus grossen Fehlern lerne man besonders viel. Jahrelang setzten sie bewusst auf laxes Management. Bis heute verzichtet der 2001 eingesetzte CEO Eric Schmidt auf eine Abteilung für strategische Planung. Visionen, nicht Konzeptgrüppchen treiben die Firma voran. Brin als Technologie- und Page als Produktchef bündeln die Ideen. Stets betonen sie die demokratische Ausrichtung ihrer Site. Es gibt keine Zensur. Niemand kann Suchergebnisse kaufen. Doch wie verdient der kostenlose Suchdienst das viele Geld? Mit Lizenzen. Ob man bei der Uno, der University of Berkeley oder AOL sucht, stets trifft man auf «powered by Google», betrieben von Google.

Auch mit Kleinanzeigen verdient Google gross

Das Lizenzieren diente Brin und Page einst als trojanisches Pferd, um die dominante Suchmaschine auszustechen. Sie gaben die Technologie an Yahoo ab. Das Portal zeigte Google-Ergebnisse an – worauf immer mehr direkt bei Google suchten. Überdies verdient Google reichlich mit Kleinanzeigen. Will ein Online-Weinhändler Chianti anpreisen, bezahlt er, damit sein Link erscheint, wenn jemand «Chianti» eintippt. Das Resultat wird als bezahlter Link deklariert.

Woran viele gescheitert sind, scheint Google zu gelingen: als Internetwerbeagentur Gewinn zu erzielen. Ihr Konzept basiert auf Suche: Die Anzeigen werden, auf Surfer zugeschnitten, zu den Inhalten geschaltet. Publiziert etwa ein Magazin wie «Time» online einen Artikel über Autodesign, platziert Google beim Text eine Anzeige von Fiat.

Die Dienste von Google reichen weit über das Suchen hinaus, haben ein enormes Wachstumspotenzial und greifen direkt die bisherigen Giganten des Internets an, Yahoo, Amazon, das Auktionshaus eBay und Microsoft.

Google bereitet wie Yahoo News auf, bloss rascher und übersichtlicher. Weil das Einkaufen bei der Google-Tochter Froogle so einfach ist, steigen viele von Amazon und eBay um. Einst wollte der Software-Hersteller Microsoft das Internet mit Hilfe des Browsers kontrollieren. Da das Herz des Webs sich zur Suche hin verschoben hat, fällt der Riese aus Redmond zusehends zurück.

Doch trotz des Vorsprungs ist Google gewarnt: Die Namen von Xerox und Kodak haben sich zwar fest im amerikanischen Alltag eingenistet, doch auch dies hat sie nicht davor geschützt, tief in die Krise zu stürzen.

Der Börsengang

Die Ankündigung, Google wolle im nächsten Jahr den Börsengang wagen, hat wilde Spekulationen ausgelöst. So sollen die Aktien nicht von Investmentbanken verkauft, sondern im Internet versteigert werden. Damit will Google den skandalumwitterten Zuweisungen von Internetaktien zuvorkommen. Die Investmentbanken reagierten entsprechend harsch. Google selbst nimmt zu den Gerüchten keine Stellung. Der Börsengang soll zwischen 15 und 25 Milliarden Dollar einbringen. Das IPO wäre aber nicht nötig, denn Google erwirtschaftet bei steigenden Umsätzen enorme Gewinne und braucht kein Kapital. Die ursprünglichen Investoren – die Risikokapitalisten Kleiner Perkins, Sequoia Capital und die Stanford University – wollen offenbar aussteigen und abkassieren.