Der stille Querflieger

Er landete auf dem Flugplatz für George W. Bush - und in den Schlagzeilen. Der Schweizer Flugschüler narrte das FBI.

Von Peter Hossli

Nervös schaute der Fluglehrer im kargen Wartesaal des Maryland Airports in Indian Head auf die Uhr. Längst hätte sein Schüler landen sollen. «Als er nicht kam, schrie der Instruktor ins Mobiltelefon», erzählt Gil Bauserman, der beim Maryland Airport ein Servicecenter betreibt. «Dann eilte er entnervt davon.» Die Person, die wartete, sprach Englisch mit Schweizer Akzent, sagt Bauserman.

Der vermisste Flugschüler sei am vergangenen Samstag in Norfolk, Virginia, zu einem längeren Überlandflugtest gestartet, weiss Bauserman. Eine solche Prüfung muss absolvieren, wer eine kommerzielle Helikopterlizenz erwerben will.

Knapp zwanzig Kilometer vor dem Ziel in Indian Head kam der Prüfling in Schwierigkeiten. Er steuerte den nächstliegenden Flughafen an – und landete den zweiplätzigen Hubschrauber vom Typ Robinson R22 auf der Andrews Air Force Base. Normalerweise parkiert dort George W. Bush den präsidialen Jumbojet Air Force One. Zudem ist auf derselben Base der 89th Airlift Wing stationiert, bestehend aus 7000 Frauen und Männern.

Im Helikopter sass ein Schweizer.

«Der Pilot trug einen Schweizer Pass auf sich», bestätigt der Sprecher der Andrews Air Force Base. Ungehindert lenkte er das knapp 450 Kilogramm leichte und in der Standardausrüstung 170000 Dollar teure Fluggerät auf einen der weltweit sichersten Flughäfen. Seit dem 11. September 2001 wird der Luftraum über Washington D.C. penibel überwacht.

«Er war sehr kooperativ», sagt der Andrews-Sprecher über den Piloten, der vorübergehend verhaftet wurde. Gleichwohl sei die amerikanische Bundespolizei FBI eingeschaltet worden. Die Beamten hätten ihn während zwei Stunden verhört. Sie wollten sicherstellen, dass der Irrflieger weder den Präsidenten noch die amerikanische Luftwaffe habe angreifen wollen. «Es wurde rasch klar: der Schweizer stellte keine Gefahr dar», sagt der Sprecher. «Er beging einen Fehler. That’s it.» Anzeige werde daher nicht erstattet.

Identifiziert habe ihn ein Mitglied der Schweizer Armee, heisst es in einer Pressemeldung der Andrews Air Force Base. Vermutlich handelt sich um die Person, die in Indian Head auf den Helikopter gewartet hatte.

Entgegen den ersten Informationen des Eidgenössischem Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) wurde er allerdings nicht 24 Stunden festgehalten. Bereits nach «ein paar Stunden» habe er wieder gehen können, sagt der Andrews-Sprecher. Begleitet von einem Andrews-Piloten habe er seine Maschine am Sonntag nach Indian Head gesteuert.

Fürs erste wohl durchgefallen ist er bei der Helikopter-Prüfung. Bestimmt auch deshalb scheint dem Piloten der Flug ins Sperrgebiet ausgesprochen peinlich zu sein. Zumindest unternimmt er einiges, um seine Identität geheim zu halten. So will keine der zahlreichen Flugschulen der Region den Schweizer namentlich kennen – obwohl einige freimütig Firmenname und Nummer der Konkurrenz herausgeben, wo der Schüler angeblich einen Helikopterkurs absolvieren soll. Doch dort kennt ihn dann auch keiner.

Das EDA hält sich diplomatisch bedeckt. «Er hat uns ausdrücklich darum gebeten, dass wir seinen Namen nicht veröffentlichen», sagt dessen Sprecher.